Salzburger Festspiele: „Der Spieler“ Timur Zangiev dirigiert – grandios!
Bei den Salzburger Festspielen feiert die zweite Dostojewski-Oper dieser Saison Premiere: Peter Sellars inszeniert, Timur Zangiev dirigiert Prokofjews „Der Spieler“.
Bei den Salzburger Festspielen feiert die zweite Dostojewski-Oper dieser Saison Premiere: Peter Sellars inszeniert, Timur Zangiev dirigiert Prokofjews „Der Spieler“.
Sie sehen aus wie eine Mischung aus Brummkreisel, Spieltisch und Ufo. Sie hängen über der Bühne der Salzburger Felsenreitschule, gleiten auf und ab. Sie blinken: gelb, grün, blau, rot. Und sie drehen sich. So, wie es unaufhörlich die Musik tut, die aus dem Orchestergraben heraustönt. Der erst 30 Jahre junge Russe Timur Zangiev gibt am Pult der Wiener Philharmoniker sein Debüt bei den Salzburger Festspielen, und es ist ein grandioses.
Sergej Prokofjews erste Oper „Der Spieler“ hat hier am Montagabend Premiere, und Zangiev bohrt sich hinein in das Stück, bis er die Eckpfeiler findet, zwischen denen es aufgespannt ist: hier grelle, laute Töne, eine unaufhaltsame Motorik und ein kühles Dauer-Parlando; dort Momente des Stillstands und ein hoch emotionales, intimes Kammerspiel. Den Raum dazwischen füllt der Dirigent mit feinsten Zwischentönen und dynamischen Abstufungen wie mit delikaten klangfarblichen Abtönungen.
Auf der Szene übernimmt das Licht diese Aufgabe. Es leuchtet hinter die glitzernden Fassaden der Spielcasino-Welt im fiktiven Roulettenburg, sucht die Menschen, die hinter und unter ihnen lieben und leiden – vor allem Alexej, den zornigen jungen Mann, und Polina, die er liebt. Der Rest der Figuren wirkt wie Operettenpersonal.
„Der Spieler“ funktioniert so, aber im Gegensatz zur ersten Festspieloper „Der Idiot“ stellt sich nie der Eindruck ein, dass Bühne und Werk wirklich zueinander passen. Das Kammerspiel verliert sich im riesigen Raum. Obwohl sich die Sopranistin Asmik Grigorian und der Tenor Sean Panikkar mit glühender Intensität (und in Panikkars Fall auch mit enormer Ausdauer) in die Partien von Polina und Alexej hineinwerfen, bleiben die beiden Liebenden über weite Strecken Pappkameraden.
Dabei könnten und müssten sie im Brennpunkt stehen. Schließlich scheitert ihre hochkomplexe Beziehung am zentralen Konflikt der Oper: Geld oder Gefühl, das ist hier die Frage.
Prokofjew hat sein Stück 1917 komponiert und in den späten 1920er Jahren überarbeitet – da waren die Vorzeichen der Weltwirtschaftskrise schon deutlich zu spüren. Der Regisseur Peter Sellars zeigt eine entsprechend überhitzte Gesellschaft und führt die einzelnen Figuren plastisch. Um die Nähe des Stücks zu unserer Zeit zu verdeutlichen, macht er Andrej und Polina zu Öko-Aktivisten; aus den hier ständig eintreffenden und erwarteten Telegrammen werden E-Mails. Der Fokus liegt auf bühnenwirksamen Momenten wie etwa dem unerwarteten Auftritt der steinreichen Großmutter (großartig: Violeta Urmana), deren Ableben von ihren potenziellen Erben doch so sehr erhofft wurde, und vor allem auf der großen Casino-Szene, in der Alexej am Ende zum Dauergewinner wird und gerade dadurch seine Polina verliert.
Der Kontrast zwischen dem Goldregen aus dem Schnürboden und dem finalen Dunkel könnte nicht größer sein. Polina verschwindet, sie hat Wahres ersehnt, nicht Bares. Sie näher kennenzulernen, wäre Freude und Gewinn. Eine Chance für Axel Ranisch: Im Februar inszeniert er die nächste Produktion des Stücks an der Staatsoper Stuttgart.
Der Spieler Nochmals am 17. 20., 22., 25. und 28. 8. Karten online unter www.salzburgerfestspiele.at