Lange war Sandra Bullock Hollywoods Darling, arbeitete mit deutschem Fleiß Film um Film ab. Dann zog sie sich ins Private zurück, im vergangenen Jahr verlor sie ihren Lebenspartner. Steht sie irgendwann wieder vor der Kamera?
Sie hat es schon oft in Interviews bewiesen: Sandra Bullock kann Deutsch. Und das nicht nur ein bisschen, sondern fließend. Sie spricht mit einem hübschen bayerischen Akzent. Fränkisch genauer gesagt, denn die ersten zwölf Jahre ihres Lebens verbrachte die Hollywood-Schauspielerin und Oscarpreisträgerin mal in Washington, mal in Nürnberg. Zwischendurch wohnte sie auch in Salzburg oder Wien, wo ihre Mutter, die deutsche Opernsängerin Helga Meyer, Engagements hatte. Sandra Bullocks Eltern hatten sich kennen gelernt, als ihr Vater, ein Gesangslehrer, als US-Soldat in Deutschland stationiert war. Charmant fränkelnd also brachte sie vor ein paar Jahren dem Talkmaster Jimmy Kimmel die wüstesten deutschen Schimpfwörter bei.
Sandra Bullock, die am Freitag 60 wird, gilt in Hollywood als eine, die wenig Starallüren hat und Spaß vertragen kann. Deshalb versteht sie sich auch so gut mit George Clooney, ihrem Kollegen aus dem Film „Gravity“, inoffizieller Chefwitzbold in der A-Promi-Riege des Filmbusiness. Aber Hollywoods „Sweetheart“, Expertin für fluffige Komödien, die aber auch immer wieder Ausflüge ins ernste Fach wagte, hat sich zuletzt rar gemacht.
2022 hatte sie in einem ihrer seltenen Interviews eine Auszeit angekündigt. „Ich möchte zu Hause sein“, sagte sie damals dem US-Sender CBS. Dort wurde sie gebraucht, denn ihr Lebensgefährte Bryan Randall war da schon an der unheilbaren Muskel- und Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) erkrankt. Gewusst hat das nur das engste Umfeld des Fotografen. Im vergangenen August starb Randall, „die Liebe meines Lebens“, wie Sandra Bullock ihren Partner einmal in einer Talkshow nannte. Acht Jahre hatten die beiden ohne Trauschein zusammengelebt.
Bei Bryan Randall hatte Bullock die stille Zufriedenheit gefunden, die sie zuvor vermisst hatte. 2010 wurde ihr Privatleben in den Medien breitgetreten, nachdem publik geworden war, dass ihr Ehemann, der Motorradschrauber und TV-Moderator Jesse James mehrfach untreu geworden war. Ihr, Sandy, für die nicht nur Amerikas Männer schwärmten, seit sie 1994 ihren Linienbus aus dem Actionfilm „Speed“ mitten ins Herz des Kinopublikums steuerte. Bullock, die gerade ein Baby adoptiert hatte, reichte die Scheidung ein.
2010 war nicht nur das Jahr ihrer größten Demütigung, sondern auch ihres größten beruflichen Triumphs: Bullock bekam ihren ersten und bislang einzigen Oscar für die Hauptrolle in dem Sozialdrama „The Blind Side“, in dem sie eine Mutter aus der Oberschicht spielt, die einen obdachlosen, schwarzen Jungen in ihre Familie aufnimmt und ihn zum Football-Profi macht. Der Film basiert auf einer wahren Geschichte, die allerdings – das nur am Rande – ein nicht ganz so schönes Ende hat: Der ehemalige NFL-Spieler Michael Oher wirft seinen einstigen Pflegeeltern inzwischen vor, ihn eiskalt abgezockt zu haben.
Sandra Bullock erwähnte in ihrer Oscarrede auch ihre Mutter. Ihr habe sie diesen Academy Award zu verdanken, auch weil sie sie genötigt habe, nach der Schule noch Klavier zu üben oder in die Ballettstunde zu gehen, „denn sie sagte, wenn du eine Künstlerin sein willst, musst du jeden Tag üben.“ Ihre Mutter, sagt Bullock, habe absolut gar keinen Sinn für Humor gehabt, aber wenn sie herumgekaspert habe, im Spaß über ihre eigenen Füße gefallen sei, habe sie ihr ein Lachen entlocken können.
An der Highschool spielte Sandra Bullock Theater, anschließend studierte sie Schauspiel. In New York schlug sie sich als Kellnerin und Hundefriseurin durch. „Speed“ an der Seite von Keanu Reeves war ihr Durchbruch, danach kamen Kassenschlager wie die Rom-Com „Während Du schliefst...“ (1995), die Verfilmung des John-Grisham-Romans „Die Jury“ (1996) oder die Komödie „Miss Undercover“ (2000). Bald konnte die Schauspielerin Millionengagen verlangen. Das Weltraumdrama „Gravity“ brachte ihr 2014 ihre zweite Oscar-Nominierung ein.
2018 spielte Bullock in der Komödie „Ocean’s 8“ die Schwester von Clooneys Filmcharakter Danny Ocean und führte eine rein weibliche Gangstertruppe an. Immer wieder nimmt die Amerikanerin aber auch weniger gefällige Rollen an: Die Hamburger Regisseurin Nora Fingscheidt besetzte Bullock 2021 im Thriller „The Unforgivable“ als gerade erst freigelassene, verhärmte, bittere Gefängnisinsassin.
Nach dem Tod ihres Partners Bryan Randall zieht Bullock ihre beiden Kinder alleine groß. Bullock adoptierte Louis und Laila aus New Orleans, beide haben afroamerikanische Wurzeln. In dem CBS-Interview sagte die Schauspielerin, als Mutter zweier schwarzer Kinder habe sie natürlich auch Angst, dass ihnen rassistische Gewalt widerfahren könne. Ihre Kinder zu guten Menschen zu erziehen, sei ihr oberstes Ziel und habe Priorität vor ihrer Arbeit. Wann sie wieder Filme drehen werde, fragte damals die Fernsehmoderatorin. „Ich weiß es nicht“, lautete Bullocks Antwort. „Aber ich tue denjenigen, die in ein Projekt investieren, keinen Gefallen, wenn ich vor der Kamera stehe und dabei die ganze Zeit das Gefühl habe: Ich wäre lieber zu Hause.“