Ein Schild vor Dagersheim weist auf die Württemberger Weinstraße hin, doch die führt dort gar nicht lang. Was ist da passiert?

Der Kreis Böblingen gilt gemeinhin nicht als Mekka des Weinbaus. Die sumpfigen Böden der Hulb eignen sich für den Anbau von Riesling und Sauvignon ebenso wenig wie die dichten Wälder von Sindelfingen. Zwar zeugen die Wengertwege und -steigen in vielen Orten davon, dass hier einst der Saft aus den Reben floss. Doch von allererster Güte scheint er nicht gewesen zu sein, weswegen es heute kaum noch Winzer zwischen Strudelbach und Ammer gibt. Ein Straßenschild vor Dagersheim lässt jetzt aufhorchen: Es weist auf die Württemberger Weinstraße hin.

 

Nur, deren Verlauf durch hiesige Regionen war bis dato noch gar nicht bekannt, die Gründe wurden eingangs erwähnt. Wer von Aidlingen in Richtung Dagersheim unterwegs ist, stößt kurz vor der Abzweigung nach Darmsheim auf der Anhöhe auf das braune Schild, das auf die touristisch reizvolle Straße hinweist. Wer von dort bis zur tatsächlichen Weinstraße gelangen will, braucht allerdings viel Ortskunde und noch mehr Geduld. Der nächstgelegene Abschnitt liegt nämlich wahlweise am Arnulf-Klett-Platz in Stuttgart oder am schönen Lomersheim zwischen Mühlacker und Mühlhausen an der Enz. Je nachdem, welche Himmelsrichtung man bevorzugt.

Die Württemberger Weinstraße nimmt für sich in Anspruch, als Ferienstraße alle württembergischen Weinregionen abzuklappern. Sie beginnt im Norden in Oberstetten im Bereich von Kocher, Jagst und Tauber. Von dort aus mäandert die Route über Bad Mergentheim, Lustbronn und Pfedelbach vorbei an Löwenstein, Heilbronn, Lauffen am Neckar nach Knittlingen und von dort noch viel weiter über schier endlose Schlaufen bis nach Metzingen. Malerisch. Nur: Zu Dagersheim und dem restlichen Landkreis hält die Route stets viele Kilometer Sicherheitsabstand.

Ahnungslosigkeit auf dem Landratsamt

Auf dem Landratsamt kann man sich die Beschilderung nicht erklären. „Wir sind genau so überrascht“, sagt Kreissprecherin Simone Hotz. Zwar betont man auf der Behörde gerne und oft die touristischen Reize des Landkreises, doch von der Württemberger Weinstraße innerhalb der Kreisgrenzen hat man nun wirklich noch nie etwas gehört. Die Nachfrage bei der zuständigen Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg bringt ebenfalls keine Erhellung.

Dort sagt die zuständige Projektmanagerin für Genuss und Wein, Svenja Hertweck: „Es gab keine Verlegung der Württemberger Weinstraße und sie führt nicht durch Darmsheim.“ Nun kann über die Gründe der Aufhängung des Schildes nur spekuliert werden. Entweder wurden überraschenderweise doch Weinbaugebiete in hiesigen Gefilden entdeckt und die Straße in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in diese Breitengrade verlängert. Oder es war ein Scherzbold am Werke. Dagegen spricht allerdings die professionelle Befestigung des Schildes.

Deutsche Fachwerkstraße gemeint?

Es hängt ordnungsgemäß an einer Stützstrebe, Rahmen, Verschraubung und Abstand zum darüber hängenden Richtungsanzeiger nach Darmsheim passen perfekt. Also doch eine Verwechslung auf dem Straßenbauamt? Das wäre naheliegend, denn vielleicht war schlicht die Deutsche Fachwerkstraße gemeint, auf der man sich hinterm Lenker über die hiesige Baukultur fortbilden kann. Deren südwestlicher Abschnitt führt tatsächlich durch Herrenberg und Sindelfingen weiter nach Calw. Wer hier von Aidlingen kommend links nach Darmsheim abzweigt, liegt nicht sonderlich weit daneben.