Schönbuchbahn Die letzte Reise der Dieselzüge

Ex-Landrat Reiner Heeb (l.) und damaliger Böblinger Oberbürgermeister Alexander Vogelgsang am Tag der Jungfernfahrt am 28. September 1996 Foto: Kreiszeitung Böblinger Bote

Die Diesel-Triebwagen der Schönbuchbahn fahren an diesem Freitag endgültig zum letzten Mal. In den 29 Jahren Betriebszeit waren sie vor allem eines: zuverlässige Lastesel.

Böblingen: Jan-Philipp Schlecht (jps)

Mit viel Pomp und Prominenz stellte die Schönbuchbahn am vergangenen Wochenende ihre neuen, schicken E-Züge namens Nexio in den Dienst. Der Minister war da, der Landrat und Bürgermeister sowieso. Es gab Torte, Musik und auch sonst viel Bohei um die sehnlichst erwarteten Triebwagen aus Spanien, die nicht nur mehrere Jahre verspätet anrollten sondern auch deutlich teurer wurden, als geplant.

 

Ihre Vorgänger, die dieselbetriebenen Regio-Shuttles des Herstellers Adtranz, spielten bei den Zeremonien jedoch nicht mal mehr eine Nebenrolle. Von der Öffentlichkeit kaum beachtet, schiebt man sie nun aufs Altengleis.

Um 0.35 Uhr startet die die letzte Betriebsfahrt

In der Nacht auf Samstag, um 0.35 Uhr am Böblinger Bahnhof wird es soweit sein: dann treten sie endgültig ihre letzte Reise an. Es ist die letzte reguläre Betriebsfahrt der Dieselrösser. Zwischen Böblingen und Dettenhausen haben sie dann endgültig ausgeschnaubt. „Wir haben zum Abschied ein lachendes und ein weinendes Auge“, sagt Jan Schillinger, Prokurist bei der Württembergischen Eisenbahn-Gesellschaft und profunder Kenner der Triebwagen. „Manch einer der Zugführer hat mit den Dieselloks seine Arbeit begonnen und geht jetzt quasi mit ihnen in Rente.“

Blick in den Führerstand Foto: Archiv/Bischof

Ganze 29 Jahre lang haben die Shuttles klaglos ihren Dienst verrichtet auf der 1996 reaktivierten Strecke. Der Bahnhof für die Jungfernfahrt war ebenfalls ein großer, als der Vorvorgänger im Amt des Landrats, Reiner Heeb sich die Bahnwärtermütze überstülpte und gemeinsam mit dem damaligen Oberbürgermeister Alexander Vogelgsang die Kelle schwenkte. Allerdings hatte sich auch dieser Termin verzögert, doch kein Vergleich zum Nexio-Schlamassel. „Die Fahrgastprognosen wurden schon am ersten Betriebstag 1996 übertroffen“, sagt Schillinger.

Zu Beginn setzte man vier der Triebwagen aufs Gleis und plante, im regulären Betrieb mit nur einem Shuttle auszukommen. Zu Stoßzeiten fuhr man in der sogenannten Doppeltraktion, also mit zwei Zügen aneinander. „Doch da die Fahrgastzahlen schneller anstiegen als gedacht, musste man die Kapazität schnell erhöhen“, sagt Prokurist Schillinger. Bald war die Doppeltraktion der Normalfall und zu Stoßzeiten dockte man sogar drei Züge aneinander. Acht Regio-Shuttle befanden sich zu Spitzenzeiten im Fuhrpark.

Deren große Flexibilität bei gleichzeitig stoischer Zuverlässigkeit machten sie zum Garanten für den Erfolg der Nebenbahn. Schillinger: „Die Bauart war natürlich wesentlich mehr von Mechanik geprägt als von Elektronik, die Züge waren vergleichsweise leicht zu reparieren.“ Nennenswerte Ausfälle sind ihm nicht bekannt. Nur einmal, im Sommer 2007, kam es zwischen Dettenhausen und Holzgerlingen zu einem Motorbrand. Verletzt wurde niemand – und der Schaden konnte schnell repariert werden.

Dieselmotor in der Wartung Foto: Archiv/red

Alle Züge der ersten Stunde waren bis zu dieser Woche noch im Einsatz. „Dabei hätten sie ja schon längst außer Dienst gestellt werden sollen“, sagt Schillinger. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Shuttles bei aller Robustheit ihre Tücken hatten. Zuletzt häuften sich die Reparaturen, vor allem an Motor und Getriebe. Die Konstruktion ohne Klimaanlage und mit dem Führerhaus über dem Motor verlangte den Zugführern einiges ab. „An heißen Tagen herrschten im Führerstand Temperaturen bis zu 50 Grad Celsius“, sagt Jan Schillinger. Von unten heizte das 350-PS-Aggregat, von oben knallte die Sonne durch die große Frontscheibe.

Mit Kühljacken und gekühlten Getränken versuchte man Abhilfe zu schaffen, „doch man muss großen Respekt haben vor den Kollegen, wie die das durchgehalten haben.“ Die mit je zwei Motoren ausgestatteten Wägen hatten außerdem gehörigen Durst: Zwischen 80 und 90 Liter schluckten die Shuttles auf 100 Kilometer. Einmal in der Woche musste ein Tanklastzug anrücken und die Schönbuchbahn-Tankstelle in Dettenhausen wieder volltanken.

Zweiter Frühling in Meckpomm

Sind die ausgemusterten Regio-Shuttle nun reif für den Schrottplatz? Nein. Wie es aussieht, gibt es für sie ein Leben nach dem Tod. Für für die verbleibenden sechs Wagen habe man bereits Kaufinteressenten. „Allerdings dürften sie wohl überwiegend als Ersatzteillager dienen“, sagt der Prokurist. Immerhin bekomme aber man noch eine ordentliche Ablöse. Und zwei der Diesel-Opas sind schon länger verkauft, nach Mecklenburg-Vorpommern, sagt Schillinger.

Dort tuckern sie noch immer munter durch ihren zweiten Frühling.

Schönbuchbahn heute und gestern

Bauarbeiten
Aufgrund von Instandhaltungsmaßnahmen zwischen Holzgerlingen und Dettenhausen verkehren die Züge ab 2. August bis zum 22. August nur zwischen Böblingen und dem Holzgerlinger Bahnhof und nur im Halbstundentakt. Zwischen Dettenhausen und Holzgerlingen wird ein Schienenersatzverkehr eingerichtet.

Historie
Die Schönbuchbahn führt von Böblingen nach Dettenhausen im Kreis Tübingen. Die 17 Kilometer lange Strecke war lange stillgelegt, wurde 1996 reaktiviert. Schnell wuchsen die Fahrgastzahlen an. Zwischen 2017 und 2019 arbeitete der Zweckverband Schönbuchbahn als Betreiber an einer Modernisierung der Trasse.

Brems-Debakel
Die Elektrifizierung der Bahn zog sich erheblich in die Länge. Falsch berechnete Leitungsmasten verzögerten zunächst, dann machte der neue „Nexio“ Probleme: Die Bremse erhielt keine Zulassung. Ursprünglich sollte er 2018 in Dienst gehen, daraus wurde 2025.

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