Schöner wohnen im Schwarzwald Architektenpaar zeigt sein stilsicheres Holzhaus

, aktualisiert am 11.11.2022 - 17:37 Uhr
Konsequente Linienführung: Das Haus von Katja und Jörg Knaus. Foto: © markus guhl fotografie/markus guhl

Ein junges Architektenpaar geht beim Hausbau achtsam mit der regionalen Bautradition um. Das Ergebnis ist eine minimalistische, vielfach ausgezeichnete Interpretation des Schwarzwaldhauses. Ein Hausbesuch in Rickenbach. [Archiv]

Bauen/Wohnen: Tomo Pavlovic (pav)

Möglicherweise hat es sich schon herumgesprochen, dass man im Schwarzwald erstklassige moderne Architektur entdecken kann. Städte und Gemeinden haben in den vergangenen Jahren viel Mut bewiesen, überall finden sich nun sehenswerte öffentliche Bauten, die diese einzigartige historische Kulturlandschaft in einem neuen Licht erscheinen lassen.

 

Leider gilt das nicht im selben Maße für Privatgebäude. Zwar gibt es von verschiedenen Verbänden getragene Initiativen wie „Bauwerk Schwarzwald“, die, inspiriert vom Paradebeispiel Vorarlberg, lokales Handwerk und Architektur zusammenführen wollen. Ausgehend vom klassischen Schwarzwaldhaus möchte man eine neue regionaltypische Baukultur etablieren, die wertvolle Traditionen in die Moderne überführt.

Doch die meisten Bauherren scheren sich nicht um die lokale Baukultur, weshalb nicht nur in den Vororten Stuttgarts oder Münchens bei Neubauten der Trend zum überladenen Toskanahaus geht, gern mal in der Fassadenfarbe Terrakotta oder Champagner. Auch im Schwarzwald fährt man allerorten kopfschüttelnd an neuen Villen im toskanischen Stil mit säulengesäumten Eingangsportalen und plätschernden Brunnen in den Vorgärten vorbei. Am Anblick dieser aus dem Süden nordwärts verpflanzten Urlaubsträume verzweifeln Architekten, die Bauträger und ihre Kunden freut es hingegen.

Viel in Eigenregie gemacht

Wie es anders und vor allem auch architektonisch überzeugend geht, kann man in Rickenbach bewundern. In der kleinen Gemeinde am Südrand des Schwarzwaldes steht das Hofhaus von Katja Knaus. Die Architektin hat es ganz im Stil eines traditionellen Schwarzwaldhauses im Hotzenwald projektiert und mit ihrem Mann, ebenfalls Architekt, größtenteils in Eigenregie erbaut. „Wir wollten die regionale Baukultur zitieren und nicht kopieren“, erklärt Katja Knaus beim Rundgang durch ihr Haus. „Es gibt hier viele alte Eindachhöfe, wo also Wohnhaus und Stall unter einem Dach sind. Das haben wir aufgegriffen.“

Einen Steinwurf entfernt ist Katja Knaus aufgewachsen, auch deswegen kennt sie sich in der Gegend aus. Katja und Jörg Knaus hatten erst nach einem bestehenden alten Hof gesucht, den sie sanieren wollten, doch ein geeignetes Objekt fand sich einfach nicht. Zu viele Höfe waren dermaßen verbaut, dass ein Engagement sich nicht gelohnt hätte. Also wurde, als man ein passendes Grundstück fand, neu gedacht und gebaut. „Gedauert hat das Projekt von der ersten Idee und Überlegung 2015 bis 2020, als wir für die Außenanlagen Samen eingesät haben“, erinnert sich Jörg Knaus, draußen stehend, tief durchatmend im großzügigen Garten, wo auf der Wiese eine Fußballmannschaft locker Platz für ein Aufwärmtraining hätte.

Schweizer Alpen im Blick

Der unverstellte Blick auf der Rückseite des Gebäudes geht nach Süden, über einen benachbarten Golfplatz hinweg. Es gibt keinen Zaun, keine Büsche, man könnte den Golfern beim Putten zuschauen. Doch an diesem Tag spielt niemand. Alles ist ruhig, der Wind kämmt die jungen Grashalme. Man erkennt an diesem sonnigen Nachmittag in der Ferne die Schweizer Alpen. Man fühlt sich geborgen, geschützt. So ein Hofhaus kann auch glücklich machen.

Das Wohnhaus und der Arbeitsbereich sind durch ein angedeutetes Dach und eine einheitliche Holzfront miteinander verbunden. So entstand ein windgeschützter, von der Straße nicht einsehbarer Einschnitt und Raum. Die Fassadenteile wurden aus sägerauer Weißtanne gefertigt. Alles ist naturbelassen, bis auf den dunkel lasierten Innenhofausschnitt.

Die Rauten, also dieses eigenartige Muster für die Fassadenöffnung im Holz, hat Jörg Knaus, der nicht nur Architekt, sondern auch Zimmermann ist, selbst entworfen und ausgesägt. „Man kennt das von Fensterläden und Balkonverzierungen, wir haben es nur nicht so verschnörkelt gehalten, sondern ganz schlicht. Mit solchen Verzierungen zeigt man ja seine Liebe zum Detail“, sagt Katja Knaus. Recht hat sie.

Keine Kompromisse

Auch wenn sich manch ein Nachbar oder Passant daran stören mag, moderne Architektur ist nicht jedermanns Sache – die Holzfassade an der Straßenseite hat direkt keine Fenster, die Garage verschwindet im Kubus. Das ist konsequent und kompromisslos gut. Lediglich kleine, ausgesägte Ausschnitte finden sich im Laubengang, auch hier hat Jörg Knaus die Charakteristik der Balkongeländer von Schwarzwaldhäusern aufgenommen und für reizvolle Schattenspiele im Durchgang gesorgt.

Im Innenbereich sind alle Räume minimalistisch ausgestattet. Das flutende Tageslicht lässt den Sichtbeton der Wände warm und hell erstrahlen. „Die Kombination von Beton und Holz hat uns immer schon gefallen, wir haben das auch bei Architekturtouren in Vorarlberg häufig gesehen“, sagt Katja Knaus. Alles wirkt so pur, zum Anfassen und Darüberstreichen schön.

Imposant wirkt die Höhe in der Galerie mit der mächtigen Fensterfront, in welcher die Küchenzone in den Wohnbereich mit dem Kachelofen übergeht: Sieben Meter hoch ist das längste Wandelement, es reicht vom Erdgeschoss bis zum First. Auf zwei Stockwerken stehen 200 Quadratmeter Wohnfläche für das Paar und seine zwei Kinder zur Verfügung, ein Traum vieler geplagter Großstadtfamilien. „Wir haben alle Oberflächen roh gelassen, man sieht auch das Schalbild auf den Betonwänden“, betont Katja Knaus. „Wir mögen, wenn man das Handwerkliche auch sieht.“ Ihr Mann nickt.

Jury war überzeugt

Gut, wenn man sich versteht, architektonisch und sonst wie, und den Schwarzwald mit all seinen Eigenheiten und Traditionen wertschätzt.

Der Bau in Rickenbach hat auch wenig überraschend die Jury des renommierten Hugo-Häring-Preises restlos überzeugt, die Auszeichnung gab es 2020; die Architekturkenner des Preises „Häuser des Jahres 2021“ wählten das Projekt ebenfalls als eines der 50 schönsten Einfamilienhäuser aus. Auf der Rückfahrt fährt man dann wieder an apricot Toskanahäusern vorbei. Aber es gibt ja noch Hoffnung.

Info

Newsletter
Den kostenlosen E-Mail Newsletter der Stuttgarter Zeitung zum Thema Architektur und Wohnen finden Sie unter StZ Bauwelten. Erhalten Sie hier die wichtigsten Nachrichten und spannendsten Geschichten direkt in Ihren Posteingang: https://www.stuttgarter-zeitung.de/newsletter

Der Text ist erstmals am 22. April 2022 erschienen.

Weitere Themen