Wie mit Handys an Schulen umgehen? Die Frage könnte zukünftig leichter zu beantworten sein. Foto: dpa
Das Land ändert das Schulgesetz, damit Schulen Handys leichter verbieten können. Eine einheitliche Regelung gibt es aber weiterhin nicht. Was sagen Stuttgarter Rektoren und Lehrer dazu?
Es ist schon wieder passiert. Die Eltern einer Schülerin klopfen am Lehrerzimmer der Stuttgarter Schickhardt-Gemeinschaftsschule, um das Handy ihrer Tochter abzuholen. Sie war – trotz Verbots – mit dem Gerät in der Hand auf dem Schulhof erwischt worden. Zum dritten Mal. Bei den ersten beiden Verstößen hatte sie es am Ende des Schultags wiederbekommen, beim dritten müssen die Eltern kommen. So ist die Regel. Die Schule versucht damit, dem Problem mit den Mobiltelefonen Herr zu werden.
Handyverbote an Schulen sind ein Diskussionsthema. Jede Einrichtung hat ihre eigene Regelung, eine einheitliche Vorgehensweise gibt es nicht. Das könnte sich jetzt ändern – wenn auch nur teilweise. Denn Schulen in Baden-Württemberg können künftig verbindlich regeln, wie, wann und ob die Schüler ihre Geräte nutzen dürfen. Dafür ändert die Landesregierung das Schulgesetz. Es soll Anfang 2026, zu Beginn des zweiten Schulhalbjahres, in Kraft treten. Ein explizites Handyverbot ist das allerdings nicht. Denn das Kultusministerium will zwar Empfehlungen aussprechen. Die Umsetzung bleibt den Schulen aber selbst überlassen. Wie bewerten Stuttgarter Rektoren das neue Gesetz – zumal die meisten Schulen bereits ein Handyverbot haben?
Grundschulrektor begrüßt den Vorstoß
Rektor Jürgen Alber von der Grund- und Werkrealschule Ostheim im Stuttgarter Osten begrüßt den Vorstoß. „Wir haben schon eine Information an die Eltern herausgegeben“, berichtet er. Für Schüler wird sich jedoch nicht viel ändern. Denn die Schule verbietet Handys und sogenannte Smartwatches, also digitale Uhren, über die etwa auch Anrufe getätigt und Nachrichten verschickt werden können, schon seit einiger Zeit. Was die Neuerung jedoch erleichtert: potenzielle Diskussionen mit Eltern, die sich gegen die Einschränkung stemmen, so der Rektor. „Die Regelung ergänzt, was wir sowieso schon machen – das ist sicher hilfreich“, sagt er.
„Es ist gut, dass auf höherer Ebene erkannt wird, was für ein Problem die Handys an den Schulen sind“, sagt auch die Lehrerin Angelika Gremmelspacher von der Stuttgarter Schloss-Realschule im Stuttgarter Westen: „Es ist lang überfällig gewesen.“ Auch ihre Schule habe seit geraumer Zeit ein Handyverbot. Es sei aber zunehmend schwieriger geworden, es durchzusetzen. „Wir sind der Sache nicht mehr Herr geworden.“ Deshalb führte sie gemeinsam mit ihren Kolleginnen sogenannte Handygaragen ein. Das sind Holzboxen mit einzelnen, beschrifteten Fächern, in denen die Schüler jeden Morgen ihre Handys ablegen und mittags wieder mitnehmen können.
Rektorin Sandra Vöhringer von der Schickhardt-Gemeinschaftsschule hätte sich gewünscht, dass Handys an Schulen grundsätzlich verboten werden. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski
Für Rektorin Sandra Vöhringer von der Schickhardt-Gemeinschaftsschule hingegen greift das neue Gesetz zu kurz. „Ich hätte mir gewünscht, dass die Handynutzung generell verboten wird.“ Sie bevorzuge eine feste Regelung, von der sich gegebenenfalls Ausnahmen aushandeln lassen. „Es geht ja auch nicht um das Gerät an sich“, sagt sie zur Begründung. „Es sind die sozialen Medien; die Kanäle, die auf dem Handy sind.“ Vor allem, was sich unkontrolliert in den Gruppen des Messenger-Dienstes Whatsapp abspiele, mache ihr Sorgen. „Was da alles weitergeleitet wird, ist wirklich katastrophal“, sagt sie. Aber auch die negativen Auswirkungen der Geräte auf die Konzentration der Schüler sprächen für das Verbot.
Ähnlich äußert sich Ulrich Göser, der Rektor am Stuttgarter Porsche-Gymnasium in Zuffenhausen ist. Auch an seiner Schule dürfen die Schüler die Telefone bei sich tragen, aber bis 13 Uhr – also besonders in der großen Pause und im Unterricht – nicht benutzen. Für den Oberstufenraum gibt es eine Ausnahme. Auch er kann die Entscheidung nicht ganz nachvollziehen. „Ich wäre vollständig ins Handyverbot gegangen“, sagt er. „Das wäre ja relativ niederschwellig gewesen.“
Umsetzung der Leitlinien bleibt Zukunftsmusik
Mit ihrer Einschätzung bestätigen Sandra Vöhringer und Ulrich Göser den Eindruck des Verbands Erziehung und Bildung (VBE) Baden-Württemberg. So erfreulich es sei, dass die Landesregierung nun endlich versuche, für Rechtssicherheit an den Schulen zu sorgen, „so unerfreulich ist es, dass dieser Versuch an der Praxis vorbeigeht“, kommentiert der Landesvorsitzende Gerhard Brand in einer Pressemitteilung. Ungeklärt bleibe ausgerechnet die Frage der privaten Handynutzung im Unterricht. Denn Gegenstand der vorgestellten Regelungen seien allein außerunterrichtliche Zeiten. Zudem nehme die Landesregierung nicht dazu Stellung, wer hafte, wenn ein Lehrer einem Jugendlichen das Handy abnehme und es dabei herunterfalle.
Abzuwarten bleibt auch, wie genau die Leitlinie des Ministeriums letztendlich aussehen wird. Ebenso, in welcher Form die Empfehlungen dann in den einzelnen Schulen umgesetzt werden. Die Lehrerin Angelika Gremmelspacher jedenfalls wird wohl auch nach der Neuerung auf die „Handygaragen“ setzen. Auch, weil die Eltern und Schüler die Lösung nach ihren Angaben größtenteils akzeptieren. Und eines hat die Lehrerin damals schon überrascht: „Wir hatten den Eindruck, dass auch die Schüler froh sind, das Handy mal weglegen zu können.“