Das Schuljahr hat begonnen, und die dünnen Personaldecken verunsichern Rektoren im ganzen Land. Denn nicht nur der Lehrermangel steigt, sondern auch die Anforderungen wachsen. Zeit, die positiven Entwicklungen hervorzuheben, kommentiert Emanuel Hege.
Die erste Schulwoche ist vorbei, Bäcker und Imbisse wurden wieder von Jugendlichen überrannt, die Busse waren voll und die Elterntaxis verstopften die Straßen. Eine aufregende Woche für viele Kinder, aber auch für 128 Lehrerinnen und Lehrer im Kreis Ludwigsburg, die für das neue Schuljahr vereidigt wurden. 29 weitere Lehrkräfte wurden hierher versetzt, zudem nahmen sieben Quereinsteiger ihre Arbeit auf. Was erst einmal nach ordentlich Nachschub klingt, reicht laut Oberschulamt nicht, um die rund 39 000 Schülerinnen und Schüler im Landkreis zu unterrichten.
Das Problem zeigt sich im ganzen Land: Die Bewerberzahlen an den sechs Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg sinken seit Jahren. Das ergab eine Große Anfrage der FDP-Fraktion an die Landesregierung im vergangenen Jahr. Innerhalb von zehn Jahren stürzten die Bewerbungen für das Grundschullehramt von 17 000 auf 8200, für Hauptschulen und Realschulen von 12 000 auf 4400.
Personaldecke wird dünner, Schule aber aufwendiger
Ein weiterer Teufelskreis sind die Krankenstände. Laut einer Forsa-Umfrage aus dem April dieses Jahres geben 60 Prozent der befragten Schulleiter an, dass die Zahl der Lehrkräfte, die langfristig wegen Erkrankungen ausfallen, in den vergangenen fünf Jahren zugenommen habe. Vor der Coronapandemie stimmten dem nur 36 Prozent zu.
Der Mangel ist jedoch noch gravierender, als die Zahlen zeigen. Denn während die Personaldecke immer dünner wird, wachsen die Anforderungen. Mit der Inklusion, Integration und der Ganztagsbetreuung schwillt das Aufgabenfeld der Schulen immer weiter an. Lehrkräfte müssen mehr Fähigkeiten mitbringen, es braucht Hilfskräfte, Integrationsbegleiter und Betreuer. Die Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft auseinander.
Doch genug der Schwarzmalerei, denn aus der Misere lassen sich auch die Erfolge der Bildungspolitik der vergangenen zehn Jahre ableiten. Die Zeit, in der hochmütige Lehrer den Kindern und Jugendlichen im Frontalunterricht ihr Wissen eintrichterten, ist vorbei. Noch zu meiner Schulzeit vor rund 15 Jahren war es üblich, schwächelnde Schüler einfach zurückzulassen – Pech gehabt. Auf Lernschwächen, Konzentrationsprobleme oder die Auswirkungen der Pubertät wurde keine Rücksicht genommen.
Heutzutage werden Schüler stärker als Individuum wahrgenommen. Unterricht ist umsichtiger, fordernder und auf Augenhöhe. Es geht nicht mehr nur um den Unterrichtsstoff, sondern darum, junge Menschen auf das Leben vorzubereiten. Dafür gibt es mehr außerschulische Angebote, Projekte und Sozialarbeit, von der wir früher nur träumen konnten. Schule wird besser, wenn jetzt nur ausreichend Personal zur Verfügung stünde, um diesen Fortschritt zu gestalten.