Schulstart in Baden-Württemberg Die Lehrerversorgung im neuen Schuljahr wird besser
Baden-Württembergs Kultusministerin Schopper sieht die Schulen gut gerüstet für den Schulstart. Wegen der verschwundenen Geisterstellen sind noch 1160 Stellen offen.
Baden-Württembergs Kultusministerin Schopper sieht die Schulen gut gerüstet für den Schulstart. Wegen der verschwundenen Geisterstellen sind noch 1160 Stellen offen.
Mit positiven Zahlen zur Unterrichtsversorgung hat Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) bei einer Pressekonferenz in Stuttgart auf das am Montag beginnende neue Schuljahr in Baden-Württemberg vorausgeblickt. Nachdem die Besetzung freier Stellen in den Vorjahren stets nur unter großen Anstrengungen und zum Teil erst Wochen nach dem Schulbeginn gelungen ist, meldete sie diesmal, dass alle zur Besetzung ursprünglich ausgeschriebenen 4660 Stellen bereits besetzt werden konnten.
Völlig entspannt ist die Situation an den 4500 Schulen im Land aber nach wie vor nicht. Weil wegen der durch einen Computerfehler verschütt gegangenen Stellen nun schnell 1440 zusätzliche Lehrkräfte eingestellt werden sollen, liege „das Einstellungskontingent nun mit 6100 Stellen bei einem Spitzenwert“, erläuterte Schopper. „Die Lehrkräfteeinstellung läuft auf vollen Touren.“ Knapp 1160 Stellen sind nach ihren Angaben noch offen. Ein Gutteil werde in der wegen des Lehrerstellenskandals bis Ende Oktober verlängerten Einstellungsphase noch besetzt werden.
Dass zum Schulstart bereits mehr als 4900 Stellen als besetzt abgehakt werden konnten – also mehr als die ursprünglich wegen der Fluktuation ausgeschriebenen Posten – wertete Schopper als Erfolg und als Zeichen dafür, dass der Lehrerarbeitsmarkt sich allmählich entspannt. „Wir gehen gut gerüstet in das neue Schuljahr“, sagte Schopper.
Dennoch ist die Situation landesweit nicht überall entspannt. Erstens gibt es nach wie vor regionale Unwuchten bei der Lehrerversorgung. Zweitens zahlt sich zwar die Ausweitung der Studienkapazitäten für Grundschullehrer durch eine höhere Zahl fertig ausgebildeter Referendare aus. Doch wegen der demografischen Entwicklung und der Schulpflicht von 3000 Kindern aus der Ukraine müssen an den Grundschulen erneut 440 zusätzliche Klassen gebildet werden. Drittens gibt es nach wie vor zu wenig Sonderpädagogen, um an den Schulen mit sonderpädagogischem Bedarf (SBBZ) alle Stellen mit Fachlehrern zu besetzen.
Schopper warnte die frisch ausgebildeten Gymnasiallehrkräfte vor taktischer Zurückhaltung bei der Bewerbung. Zu Pokern, weil man sich davon einen Platz bei einer noch begehrteren oder näher gelegenen Schule erhoffe, lohne sich anders als in den Vorjahren nicht mehr. „Die jungen Lehrkräfte müssen sich jetzt einfach um die vorhandenen Stellen bewerben, damit sie mittelfristig ans Gymnasium kommen können“, betonte sie. Auch in den kommenden Jahren würden wegen des Wechsels zu G9 weniger neue Lehrkräfte eingestellt werden als in den Vorjahren. Sie appellierte an frisch ausgebildete Gymnasiallehrer, sich auch für Stellen an beruflichen Gymnasien oder Real- und Gemeinschaftsschulen zu interessieren.
Die GEW-Chefin Monika Stein rechnet dagegen weiterhin mit Unterrichtsausfällen. Auch die Vorsitzende des Philologenverbands Martina Scherer klagte, dass der Umstieg auf das neunjährige Gymnasium nicht zur Entlastung der Gymnasiallehrkräfte genutzt worden sei.
Die wichtigste Änderung im neuen Schuljahr ist der Start der Fünft- und Sechstklässler im G9. Schopper verwies darauf, dass im Zusammenhang mit dieser Reform an allen weiterführenden Schulen in unteren Klassen das Fach Medienkunde und Informatik eingeführt würde, das dann durchgängig bis zum Schulabschluss unterrichtet werde. Dass Schopper im Interview mit unserer Redaktion erklärt hatte, dass die Förderung der Spitzenschüler aus ihrer Sicht weniger Priorität genieße als die bisherige Tendenz zum großzügigen Aussieben in der Mittelstufe umzukehren, hat ihr harsche Kritik vom Philologenverband und vom Landeselternbeirat eingetragen. Empört und verärgert zeigte sich Verbandschefin Scherer. „Das war wirklich eine Klatsche mitten ins Gesicht“, klagte sie. „Wenn die Ministerin wirklich nicht wahrhaben will, dass Baden-Württemberg die Spitzenförderung der ‚Käpsele’ dringend braucht, dann verspielt sie auf inakzeptable Weise die Zukunftschancen der Wirtschaft unseres Landes.“
Das Land sei doch gerade erst zu einer verbindlicheren Grundschulempfehlung für die Gymnasien zurückgekehrt, betonte der Landeselternbeirat. „Da wirkt die Äußerung, als ob die Kultusministerin nicht Teil dieser Regierung war“, wunderte sich der LEB-Vorsitzende Sebastian Kölsch. „Solange wir unterschiedliche Schularten haben, ist deren Profilierung angebracht. Eine weitere Aufblähung der Gymnasien inklusive einer Nivellierung nach unten ist absolut sinnlos, wie auch von der wissenschaftlichen Beratung des Ministeriums geäußert.“