Die Glockengießerei Kurtz hat bis Anfang der 1960er Jahre hinein zahlreiche Glocken gegossen. Etliche davon versehen auch heute noch ihren Dienst in der Landeshauptstadt.

Lokales: Armin Friedl (dl)

Stuttgart - Die Arbeitsgemeinschaft Stuttgart arbeitet unermüdlich daran, die Stuttgarter Stadtgeschichte aufzuarbeiten. Dabei zeigt sie, wie lebendig es in den Stadtbezirken zugegangen ist. Für die Ausstellung „Firmen. Geschichten. Stuttgart“ im Stadtpalais beim Charlottenplatz wurden viele Informationen zusammengestellt von Firmen, die einst die Stadtteile prägten, die heute allerdings überwiegend verschwunden sind, einige sind noch als Marken präsent. Dazu stellen wir einige Ausstellungskapitel hier vor – hier die Glockengießerei Kurtz in der Innenstadt.

 

Hat sich mal jemand die Mühe gemacht, alle Glocken zu zählen, die in Stuttgarts Türmen hängen? – Im Jahre 2012 hat die Bachakademie zumindest mal die Aufgabe übernommen, bei ihrem sommerlichen Musikfest die Stuttgarter Kirchenglocken in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stellen mit zahlreichen Glockenkonzerten. Da war viel geboten: Eine ausgiebige Reise quer durch die Stadtteile und viel verschiedener Glockenklang, 15 Orte insgesamt. Und im Angebot war nicht das übliche Stundengeläut, sondern das volle Besteck, also das jeweilige Festtagsgeläut. Eines steht seitdem fest: In Stuttgarts Kirchtürmen steckt viel mehr drin, als man glaubt.

Einer, der dafür sorgte, dass die Wege zwischen Herstellungsort und Aufstellungsort in Stuttgart kurz blieben, war Johann Heinrich Kurtz. Der Sohn einer Reutlinger Glockengießerfamilie machte sich 1803 als „Glockengießer und Feuerspritzenfabrikant“ in Stuttgart in der Hauptstätter Straße selbstständig. 1840 verlegte dessen Sohn das prosperierende Unternehmen in ein neu erstelltes Gebäude in der Heusteigstraße 41. 1903 wurde der Familienbetrieb in vierter Generation weitergeführt. Mit dem Ersten Weltkrieg kamen Glockenguss und Feuerspritzenbau zum Erliegen. Vielmehr wurden mehr als 500 von Kurtz gegossene Glocken für die Kriegswirtschaft enteignet.

Nach Kriegsende wurde der Feuerspritzenbau nicht wieder aufgenommen. Bis zum Kriegsbeginn wurden neben dem Bau vieler tausend Feuerspritzen auch etwa 4000 Glocken gegossen. Bis zur Stilllegung der Gießerei im Zweiten Weltkrieg kamen weitere 2000 Glocken hinzu.

Einst wurden auch Feuerspritzen hergestellt

Nach der Zerstörung der Gießerei durch einen Luftangriff im Juli 1944 erfolgte der Wiederaufbau der Firma in den Jahren 1946 und 1947. Bis zur Schließung der Firma im Jahr 1962 wurden noch einmal mit bis zu 50 Beschäftigten 3650 Glocken gegossen. Seit 1965 sind die alten Firmengebäude verschwunden, an ihrer Stelle stehen heute Geschäftshäuser. Geblieben sind die Glocken der Stuttgarter Firma zum Beispiel im Glockenspiel des Stuttgarter Rathausturms, eingehängt 1955. Weitere Glocken aus Stuttgart gibt es im Ulmer Münster und in vielen weiteren Kirchtürmen.

Die älteste Glocke in Stuttgart stammt übrigens aus dem Jahre 1285 und befindet sich heute noch im Südturm der Stiftskirche. Es ist die so genannte Torglocke. Ihre Aufgabe war es ursprünglich, darauf aufmerksam zu machen, dass demnächst die Stadttore geschlossen werden. Heute gehört sie längst nicht zum Hauptgeläut des Gotteshauses, wird nur bei besonderen Anlässen in Anspruch genommen und dann händisch per Seilzug.

Von Kurtz hängen drei Glocken in den Türmen der Stiftskirche: Eine Stundenglocke von 1950 sowie die Gedächtnis- und die Taufglocke, beide von 1956. Das Ensemble mit den ältesten Glocken befindet sich in der Stadtkirche von Bad Cannstatt. Zwei Glocken von Kurtz darin, die Bet- und die Taufglocke, sind von 1949. Ebenfalls noch in Stuttgart von Kurtz zu hören: Das siebenstimmige Geläute mit der Salve-Regina-Melodie, gegossen 1960, in St. Maria. Und von Kurtz gibt es dort auch die schwerste Glocke, die Stuttgart zu bieten hat, mit knapp sechs Tonnen Gewicht.

Stuttgarts älteste und schwerste Glocken