Der Bioladen des Reyerhofs in Möhringen wirtschaftet erfolgreich, doch von Mai an wird der Betrieb nach solidarischen Prinzipien geführt werden. Dass die Kundschaft sich einbringen soll, hat auch damit zu tun, dass der Kuhstall nicht bleiben kann, wo er ist.
Der Reyerhof in Möhringen plant, die wirtschaftliche Zukunft seines Biohofladens auf solidere Beine zu stellen. Wie der Bauernhof soll auch das angegliederte Lebensmittelgeschäft künftig solidarisch betrieben werden. Strengere Vorgaben der EU zur Weidehaltung von Nutztieren sind dafür mitverantwortlich.
Der Reyerhof an der Unteraicher Straße gehört zu den wenigen Bauernhöfen in Stuttgart, die in einem Wohngebiet angesiedelt sind. Nicht nur Kinder können hier den Milchkühen beim Fressen zusehen und dabei erfahren, dass Milch nicht aus dem Milch-Tetra-Pak kommt. Wo gibt es das schon in der Landeshauptstadt?
Gut 600 Menschen sichern den Demeterbetrieb finanziell ab
Seit vielen Jahren wird der Reyerhof, der neben Milch, Eiern und Getreide auch vielerlei Gemüse produziert, in Form einer solidarischen Landwirtschaft geführt. Konkret heißt das: Mit einem monatlichen Beitrag stellen mehr als 600 Menschen sicher, dass der Demeterbetrieb von Marktschwankungen unabhängiger ist und finanziell solide planen kann. Im Gegenzug erhalten die Mitglieder der Solidarischen Landwirtschaft Stuttgart (SoLaWis) ökologische Lebensmittel aus der Hofproduktion.
„Laden und Hof sind zwei Betriebe“, erklärt Syreeta Jong, die den Hofladen leitet. Neben den Produkten des landwirtschaftlichen Biobetriebs können hier weitere Bioprodukte, wie zum Beispiel Kosmetik und Schokolade, gekauft werden. Bislang sei das Geschäft erfolgreich, so Jong. Doch mit der Inflation und der allgemeinen Wirtschaftskrise würden mehr Konsumenten Bioprodukte „nicht mehr im Fachhandel kaufen, sondern zunehmend im Supermarkt“, ergänzt Timo Wans, der Geschäftsführer von Myzelium. Der deutschlandweit agierende Dienstleister unterstützt Unternehmen bei der Transformation in eine „gemeinschaftsbasierte“ Wirtschaftsform.
„Wer sich mehr leisten kann, soll auch mehr bezahlen“
Um künftige ökonomische Risiken für den Hofladen zu minimieren, soll von Mai an auch das Ladengeschäft nach solidarischen Prinzipien funktionieren und „Bio für alle“ ermöglichen, wie Wans betont. Der Clou: Mitglieder der Solidargemeinschaft erhalten mit Erwerb eines monatlichen Einkaufsguthabens keinen Rabatt. Vielmehr legen sie einmal im Jahr bei einer Beitragsrunde fest, wie viel Geld sie bereit sind, für ein bestimmtes Einkaufsguthaben zu bezahlen.
„Wer sich mehr leisten kann, soll auch mehr bezahlen“, sagt Jong. Umgekehrt könnten Finanzschwächere für das gleiche Einkaufsguthaben weniger bezahlen, als es seinem Wert entspricht. Einen Verdienstnachweis müsse niemand erbringen. Aus Erfahrung weiß Timo Wans, dass das System nicht ausgenutzt wird. Erfolgreich sei die Bieterrunde, wenn die Gesamtsumme der offengelegten Betriebskosten des Ladens erreicht sei. „In der Marktwirtschaft wird überhaupt nicht problematisiert, dass jeder, unabhängig davon, wie viel Geld er hat, den gleichen Preis für ein Produkt zahlen muss“, sagt Wans. Genau das soll das solidarische Prinzip durchbrechen.
Der Kuhstall muss verlegt werden
Die Gründe dafür, warum der Reyerhof seinen Hofladen auf diese Art absichern will, sind jedoch nicht nur in der Wirtschafts- und Finanzkrise zu suchen. Auch eine strengere Auslegung der EU-Vorgabe zur Weidehaltung von Biobetrieben macht Hof und Laden zu schaffen. Seit diesem Jahr müssen demnach alle ökologisch wirtschaftenden landwirtschaftlichen Betriebe, die ihre Zertifizierung behalten wollen, allen Tieren, die Raufutter fressen, Zugang zu einer Weide garantieren. Dazu zählen Heu, Silage, Heulage sowie Gras. „Dies gilt auch dann, wenn wegen einer innerstädtischen Hoflage der Zugang zu einer Weide nur unter schwierigen Bedingungen ermöglicht werden kann“, teilt das Landwirtschaftsministerium. Die Folge: Der Reyerhof darf in Zukunft seine Milchkühe nicht mehr im Stall an der Unteraicher Straße halten. „Die Kühe müssen raus“, sagt Jong. Ein neuer Stall mit Weideanschluss muss her.
Für den Laden ist das ein Problem: „Der Stall ist ein Ort, zu dem Familien und Kinder gerne kommen“, sagt Jong. Die Befürchtung ist, dass sich ohne die Kühe vor Ort auch das Kundenaufkommen verringert.
Der Reyerhof informiert auf der Internetseite www.reyerhof.de über das Verfahren zur Gründung der Solidargemeinschaft für den Bioladen. An diesem Samstag, 8. März, und am Samstag, 15. März, werden Informationsveranstaltungen angeboten, jeweils um 14.30 Uhr. Am Samstag, 5. April, findet die erste Beitragsrunde statt, eine Anmeldung ist erforderlich. Beginn: 14.30 Uhr.