Sorge in Baden-Württemberg Offener Brief und Kritik an Kretschmann

Kretschmann gerät unter Druck Foto: dpa/Marijan Murat

Steht Baden-Württemberg vor dem Abstieg? Verschiedene, nicht durchweg CDU-geprägte Verbände beklagen politischen Stillstand und fordern einen schlanken Staat. Der Regierungschef reagiert verhalten.

Vorbei scheinen die Zeiten, in denen Baden-Württemberg selbstgewiss eine Führungsrolle unter den Bundesländern beanspruchen konnte. Eine illustre Runde von überwiegend öffentlich-rechtlich organisierten Verbänden warnt jetzt in einem Brandbrief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann vor einem wirtschaftlichen Abstieg des Landes. Verlangt wird ein umfassender Bürokratieabbau.

 

In dem Brief heißt es, die Zeit eines „ungebremsten Draufsattelns bei Standards, Rechtsansprüchen und staatlichen Leistungszusagen“ sei vorbei. Unter den gegebenen Bedingungen blickten Kommunen, Wirtschaft sowie Sparkassen und Genossenschaftsbanken „äußerst besorgt in Richtung Zukunft“. Die Initiatoren schlagen einen „Zukunftskonvent“ vor, der „im Auftrag des Gesetzgebers“ konkrete Vorschläge für einen „Ermutigungs- und Entfesselungspakt“ erarbeitet.

Kretschmann an Austausch interessiert

Regierungschef Kretschmann reagierte ausweichend. Er tausche sich gerne mit den Initiatoren des Briefes aus. „An einem Format, das dafür geeignet ist, arbeiten wir noch“, heißt es in einer Stellungnahme des Staatsministeriums. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz wies darauf hin, dass die Forderungen der Verbände auf Regelungen abziele, die auf Bundesebene oder in Brüssel entschieden würden.

Hinter dem Schreiben stehen die drei Kommunalverbände des Landes (Gemeinden, Städte, Landkreise), außerdem der Handwerkstag, der Industrie- und Handelskammertag sowie die Unternehmer Baden-Württemberg. Dazu kommen der Sparkassenverband und der Genossenschaftsverband. Der Städtetag ist derzeit SPD-geführt, andere Verbände werden von CDU-Mitgliedern geleitet oder sind CDU-nah, alle verstehen sich als überparteilich und sind dies mehrheitlich kraft ihrer öffentlich-rechtlichen Organisationsform.

Misstrauenserklärung als Brief

Die Initiatoren kritisieren vor allem staatliche Überregulierung zum Beispiel im Datenschutz oder beim Klimaschutz. Auch beklagen sie die „überbordenden Regelungen beim Bauen und die Komplexität des Vergaberechts“. Der Brief kann trotz freundlicher Worte als Misstrauenserklärung an die Gestaltungskraft der Landespolitik gewertet werden. „Bisher gefundene politische Antworten und das Festhalten an Koalitionsvereinbarungen – deren Geschäftsgrundlage eigentlich nicht mehr existiert – hindern Staat und Gesellschaft, die erforderlichen Veränderungen zu erreichen.“

Das Schreiben stieß auf gemischte Resonanz. Der DGB warnte vor einer Rückbesinnung auf neoliberale Konzepte: „Für neue Formate sind wir offen, überflüssig wäre hingegen das erneute Abspielen der alten Platte vom schlanken Staat.“ Die Fraktionen von SPD und FDP interpretierten den Brief als Kritik an der Landesregierung, die endlich „die Hände aus den Hosentaschen kriegen“ müsse (SPD-Fraktionschef Andreas Stoch). CDU-Fraktionschef Manuel Hagel wollte sich einen Seitenhieb auf den grünen Koalitionspartner nicht verkneifen: „Debatten um Nachrangiges wie die Einführung eines Veggie-Days“ seien schädlich. Deutschland sei die vergangenen Jahre „wie vom Wohlstand betäubt“ gewesen.

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