Spektakel in Hildrizhausen Helikopter und Kampfjets – wie Modellflieger die Zuschauer begeistern

Ob Helikopter oder Düsenjets – mit Modellfliegern wird das Publikum in Staunen versetzt. Foto: Stefanie Schlecht

Sie fliegen Kampfjets oder Hubschrauber und zeigen den Zuschauern auf dem Flugplatz bei Hildrizhausen die Kunst des Modellfliegens. Das verlangt von den Piloten vollste Konzentration.

Böblingen: Martin Dudenhöffer (dud)

Hubschrauber, Kampfjets, Leichtflieger – über dem am Sonntagvormittag trüben Himmel von Hildrizhausen kreisen allerlei Flugobjekte, die ohne Zusatzwissen zu der Nachricht viele erst einmal in Angst versetzen würde. Die ist aber unbegründet: Im Kreis Böblingen ist kein Krieg ausgebrochen, die Flieger und Helikopter sind Modelle und versetzen mit ihrer Technik und den Flugkünsten Hunderte Zuschauer ins Staunen. Sie sind alle Teil der Modellflugtage des Böblinger Modellflugvereins (MFV).

 

Jedes Jahr zu dieser Jahreszeit findet auf dem Flugplatz am Rande der Schönbuchgemeinde das Treffen der Fliegerbegeisterten statt. Einer, der seit Jahrzehnten an eigenen Hubschraubern und Jets tüftelt und auch dieses Jahr wieder auf die Strecke geht, ist Lars Braun. Mit 14 fing er mit Kunstfliegern an. Dann war jahrzehntelang Pause. „Erst mit 50, als die Kinder aus dem Gröbsten rauswaren, begann ich wieder“, erklärt der studierte Luft- und Raumfahrttechniker und lässt kurze Zeit später einen „J10“, ein chinesisches Kampfflugzeug lautstark in den Himmel aufsteigen.

Teure Modelle mit halsbrecherischen Manövern

Vier Liter Benzin hat Braun in seinen Jet getankt: „Wir haben einen hohen Spritverbrauch. Für zehn Minuten in der Luft werden zweieinhalb Liter verbraucht.“ Ohnehin sei das Modellfliegen ein teureres und zeitintensives Hobby. „Man sitzt bis zu mehreren Tausend Stunden am Bau eines solchen Modells. Und manches Stück kann in Summe auch 15 000 Euro kosten“, sagt Lars Braun. Dann düst sein zehneinhalb Kilogramm schwere und 1,70 Meter breite Flugzeug ab und fliegt sogar Loopings. „Solche Manöver würde in Echt kein Pilot überleben. Die Beschleunigung kann bei Modellfliegern bis zu 30 G betragen“, fügt Braun hinzu. Zum Vergleich: Nur speziell ausgebildete Kampfjetflieger mit entsprechender Ausrüstung können Fliehkräfte bis zu neun G aushalten, ohne an einem Sauerstoffmangel im Gehirn zu versterben.

Lars Braun in seinem Element. Foto: Stefanie Schlecht

Beim Fliegen müssen er und seine rund 30 Kollegen, die an dem Sonntag mitmachen, höchste Konzentration walten lassen. „Schon aus dem Grund, dass die mehrere Tausend Euro teuren Objekte nicht durch einen Flugfehler herunterstürzen und kaputtgehen. Das ist allen schon passiert“, sagt Braun, der das Modellfliegen trotz manchen Totalschadens als „Sucht“ bezeichnet.

Ein unkontrollierter Absturz könnte verheerende Folgen haben

Noch viel schlimmer wären verletzte Menschen. Das weiß auch MFV-Vorstand Benedikt Unger: „Die Sicherheit der Piloten und der Zuschauer hat für uns oberste Priorität. Deshalb haben wir Absperrungen und ein Fangnetz, sollte ein Flieger ausbrechen. Über Menschen fliegen ist auch ein absolutes No-Go.“ Würde ein Helikopter oder ein Jet auf einen Menschen stürzen, wären die Folgen klar. „Dann hätten wir Tote. Neben dem ungebremsten Aufprall käme auch die Gefahr eines Feuerballs hinzu, wenn ein Tank mit Kerosin explodiert“, erklärt der Notfallmediziner Unger. In Böblingen – der Stadt mit Fliegertradition – habe es allerdings noch nie Unfälle mit Personenschaden gegeben.

Die Bandbreite an flugfähigen Objekten, die von Zuschauern allen Altersklassen bewundert werden, ist groß. Neben Rettungshubschraubern stehen auch Segelflugzeuge, Kampfhelikopter und Jets aufgereiht und warten auf ihren mit Fernsteuerungen durchgeführten Einsatz. Die Tüftelei mit filigranen Einzelstücken, Antrieben und Kabeln sei erfahrungsgemäß eher was für besonders technikaffine Männer, gibt Unger zu: „Wir hatten bis kurzem auch eine Frau im Vorstand. Aktuell gibt es keine aktive Pilotin.“ Dass eine Frau genauso gut ein Flugzeug steuern könne, da ist sich auch Lars Braun sicher. Er vermutet, dass das Modellfliegen eine reine Männerdomäne ist, weil „Männer stärker auf Geschwindigkeiten, Geräusche und Technik anspringen“.

Bonbon-Bomber wirft Süßigkeiten aus dem Laderaum

Um bei dem herbstlichen Wetter am Sonntagmittag nicht nur erwachsene männliche Technikfans anzusprechen, ist auch für Kinder etwas geboten: Auch dieses Mal steigt wieder das Flugzeug von MFV-Mitglied Jürgen auf. Seit 30 Jahren dreht dessen Bonbon-Bomber ein paar Runden am Himmel und öffnet dann vor den Augen der Kinder die Klappe. Ähnlich den weltbekannten „Rosinenbombern“ der US-Armee während der Berliner Luftbrücke 1948 wirft das Flugzeug eine Ladung Bonbons ab, die Kinderaugen funkeln lassen.

Modellflugurgestein Jürgen baut seinen Bonbon-Bomber zusammen. Foto: Stefanie Schlecht

Kaum ist der Flieger wieder sicher auf dem Boden gelandet, dürfen die Kinder dann losrennen auf das Flugfeld, um das süße Gut vom Boden aufzusammeln. Fun Fact: Jürgen, der Pilot am Boden des Bonbon-Bombers, hat schon die Eltern der heutigen Kinder mit Süßigkeiten aus seinem Flieger beliefert. So wird das Modellfliegen auch zu einer generationenverbindenden Aktivität.

Modellfliegen – ein Hobby mit klaren Regeln

Erlaubnis
Wer Flugobjekte bis 25 Kilogramm fliegen lassen möchte, muss in einem Modellflugverein eine Online-Theorie-Prüfung absolvieren. Bei Modellen über 25 Kilogramm ist auch eine Praxisprüfung vonnöten.

Verein
Der MFV hat heute rund 100 Mitglieder, die regelmäßig Flugzeuge, Jets oder Hubschrauber auf dem Flugplatz vor Hildrizhausen in die Lüfte schicken.

Weitere Themen