Niemand in Deutschland sei wirklich arm, behauptete ein Leser jüngst. Deshalb äußerte er Kritik an der Spendenaktion „Hilfe für den Nachbarn“. Die Realität ist eine andere.
Jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit spenden viele von Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, an „Hilfe für den Nachbarn“. Damit unterstützt die Stuttgarter Zeitung in Not geratene Menschen und soziale Projekte. Offensichtlich gibt es aber auch Zweifel und Kritik an der seit mehr als 50 Jahren bestehenden Aktion, wie folgender Leserbrief zeigt: „Jahr für Jahr betteln Sie um Geldspenden für Bedürftige“, heißt es darin. Die Geschichten seien „einfach nur billig“, so der Vorwurf, schließlich gebe es doch ein „nicht zu knappes Bürgergeld“. „Wo ich mich auch umschaue, ich sehe keine wirkliche Armut“, schreibt der Leser.
Eine Frage der Definition
Armut ist zunächst einmal eine Frage der Definition. Absolute Armut heißt, dass ein Mensch nicht genügend Mittel hat, seine Grundbedürfnisse zu decken – wie etwa ausreichend Nahrung, sauberes Wasser und Kleidung. Nach Definition der Weltbank lebt in absoluter Armut, wer weniger als 2,15 US-Dollar pro Tag zur Verfügung hat. Relative Armut hingegen bedeutet, dass ein Mensch im Vergleich zum Durchschnitt der Gesellschaft über weniger Mittel verfügt. So gilt in Deutschland als arm, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens hat (für 2023 waren das unter 1310 Euro netto im Monat für Alleinlebende). Damit einher geht ein Mangel an gesellschaftlicher Teilhabe, oft auch an Bildungschancen.
Ich habe bereits viel über Armut geschrieben, mit Betroffenen gesprochen, Zahlen recherchiert und Expertinnen und Experten befragt. Wenn ich dabei eines gelernt habe, dann dass es im Leben verdammt schnell und unerwartet steil bergab gehen kann: Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Scheidung können einen in die Armut abrutschen lassen. Niemand sollte glauben, ihm selbst könne das nicht passieren. Dass es einem finanziell gut geht, dass man gesund und arbeitsfähig ist, das hat man nur zu einem gewissen Teil selbst in der Hand. Der Rest ist Zufall, Schicksal oder Segen, wie auch immer man es nennen möchte. Demut und Dankbarkeit sind angesagt. Wer diese verspürt, der kann auch Mitgefühl für die entwickeln, die dieses Glück nicht haben, der teilt und hilft.
Menschliche Bedürfnisse
Im Übrigen habe ich noch nie verstanden, warum man gerade den Schwächeren in der Gesellschaft pausenlos unterstellt, sie würden sich in die soziale Hängematte legen. Gewiss gibt es Menschen, die Unterstützung ausnutzen, aber die Zahlen dazu sprechen eine klare Sprache: Es ist eine Minderheit, die die Mehrheit der Betroffenen in den Dreck zieht. Der Großteil der Menschen möchte arbeiten, denn das Gefühl von Autonomie, Kompetenz und Zugehörigkeit sind menschliche Bedürfnisse. Umso schlimmer, wenn sie aufgrund von Schicksalsschlägen nicht erfüllt werden können. Und gut zu wissen, dass es für diese Menschen Unterstützung gibt, unter anderem durch unsere Aktion „Hilfe für den Nachbarn“.
Herzlichen Dank all denjenigen, die dazu etwas beitragen.
Das Spendenkonto:
IBAN DE53 6005 0101 0002 2262 22
BIC SOLADEST600
Kennwort: „Hilfe für den Nachbarn“
Bitte vermerken Sie auf der Überweisung unbedingt, ob Ihr Name veröffentlicht werden soll.