Die kleine Amy sieht fast nichts und atmet schwer in ihrem Rollstuhl. Die Eltern in Ochsenbach (Kreis Ludwigsburg) brauchen dringend Geld für einen Kleinbus – und haben in wenigen Wochen schon 20 000 Euro erhalten.
Liebevoll krault Jonas Viehöver immer wieder die Stirn von Amy, während er erzählt. „Amy mag Männerstimmen“, sagt der Familienvater und Pfleger des kleinen Mädchens, das im Rollstuhl mit dem Kopf nach hinten liegt, schwer atmet, nahezu nichts sieht, aber manchmal zu lächeln scheint. Fast alles dreht sich in der Familie um das mehrfach schwerstbehinderte Kind, das schon sechsmal im Sterben lag, aber stets zurückkam.
Jetzt aber plagen die Viehövers materielle Sorgen: Ihr Ford Transit, mit dem sie Amy täglich aus der etwa 20 Kilometer entfernten sonderpädagogischen Schule in Markgröningen in den abgelegenen Sachsenheimer Teilort Ochsenbach fahren, ist kaputt. Eine Spendenaktion hat bisher immerhin rund 20 000 Euro erbracht.
Das kleine Kind kann sich kaum mitteilen, aber es reagiert auf neue Situationen wie den fremden Besucher. „Amy schreit entweder, wenn sie unglücklich ist oder sie freut sich“, erklärt Jonas Viehöver. „Jetzt freut sie sich.“ Mit der Zeit habe er ihr Verhalten zu lesen gelernt. Geistig sei sie auf dem Stand eines Säuglings und könne sich auch nur wie ein Baby äußern, etwa durch Gurren.
Die Lunge von Amy muss durchlüftet werden – sonst erstickt sie
Eine Tracheomalazie ist der Grund für den Zustand: Die Luftröhre hat zu schwaches Gewebe, der Atemwiderstand steigt. Außerdem plagen epileptische Anfälle das Kind. Ein Hustenassistent ist laut Viehöver nötig, damit die Lunge genügend durchlüftet wird: „Wenn sie am Tag länger als eine halbe Stunde schlafen würde, wäre das einbehaltene Kohlendioxid wie Gift für sie.“ Die Lebensgefahr erfordere ein Training mit Physiotherapeuten. Eine spezielle Sonde im Magen sichere die Ernährung.
Der Vater hat seinen Job aufgegeben
Jonas Viehöver begleitet das Kind praktisch rund um die Uhr. Dazu musste er vor vier Jahren seinen Job als Erzieher in der Jugendhilfe aufgeben. Seitdem geht Ehefrau Michaela, eine Heilerziehungspädagogin, in Mühlacker arbeiten. Die Familie besteht außerdem aus den Töchtern Maja (19) und Salomé (4). Für Entlastung sorgen eine fest angestellte Tageskraft und ein Pflegedienst, berichtet der Vater. „Uns geht es auch darum, dass wir alle psychisch gesund bleiben.“
Der Kleinbus für Amy ist Dreh- und Angelpunkt der Mobilität
Dreh- und Angelpunkt ist die Mobilität mit Amy. Das ermöglichte bisher der Kleinbus, den die Viehövers vor vier Jahren während der Corona-Pandemie gebraucht von einer Kölner Karnevalsband erstanden. „Es ist ein ehemaliges Rotkreuz-Fahrzeug – wir bekamen noch eine Rampe dazu“, erzählt Jonas Viehöver. Weil die ärztlichen Prognosen für Amy schlecht waren, habe man gedacht, ein solches Fahrzeug höchstens einige Jahre zu benötigen und kein neues kaufen zu müssen. Jetzt aber machten ein Schaden an der Klima-Anlage, ein gerissener Keilriemen und ein Defekt an der Wasserpumpe den Weiterbetrieb unwirtschaftlich.
Förderlich für Amys Gesundheit ist ganz offensichtlich die engagierte Fürsorge durch die Familie. Die Viehövers fühlen sich im 850-Einwohner-Ort Ochsenbach völlig akzeptiert. So werde das Kind immer wieder zärtlich auf der Straße begrüßt, erzählt Jonas Viehöver. Und der Wagen? „Die Ärzte sagen, dass Amy 18 Jahre alt werden kann.“ Nach dieser Prognose verblieben zehn Jahre, das würde für einen Neuwagen sprechen. Der aber würde laut Viehöver rund 50 000 Euro kosten. Dieses Geld fehle der fünfköpfigen Familie schlichtweg.
Der Hausumbau hat Vorrang – ein Kleinbus ist nicht finanzierbar
Er selbst habe durch das ständige Heben des etwa 20 Kilogramm schweren Pflegekindes einen Bandscheibenvorfall erlitten. „Das ist für mich ein Warnschuss“, sagt Jonas Viehöver, der plant, mit seiner Frau das Haus umzubauen, damit man Amy mithilfe eines Aufzugs weiter im Wohnumfeld auf einer Etage behalten könne. „Für beides – den Umbau und den kurzfristigen Autokauf – fehlen uns leider die Mittel“, sagt der 41-Jährige. Auch die Krankenkassen unterstützten den Kauf oder den behindertengerechten Umbau nicht. Dabei brauche er einen Kleinbus, da es Amy tagsüber nicht so lange in der sonderpädagogischen August-Hermann-Werner-Schule in Markgröningen aushalte und er sie jederzeit abholen können müsse.
In ihrer Verzweiflung rief das Ehepaar eine Spendenaktion auf der Internetseite von Betterplace ins Leben. Der Appell an das Mitgefühl habe dank der Berichte einiger Lokalzeitungen schon erste Erfolge gezeitigt, berichtet Jonas Viehöver. Seit Beginn der Aktion in der ersten Dezemberhälfte seien schon fast 17 000 Euro eingezahlt worden. Ein Hilfsverein habe 2500 Euro und die örtliche Autowerkstatt 1000 Euro gespendet.
Ein Umzug kommt nicht in Frage
Wegziehen in einen anderen Ort wollen die Viehövers nicht, um das Problem zu lösen. „Amy ist hier aufgewachsen, sie soll hier bleiben können“, sagt Jonas Viehöver, der das dörfliche Umfeld mit Krabbelgruppe und Ortsfesten zu schätzen gelernt hat. Einige andere Familien hätten behinderte und andere pflegebedürftige Mitglieder. In der Nachbarschaft würde hin und wieder miteinander gesprochen. Auch das stärke.
Für Michaela Viehöver ist klar, dass ihre Tochter immer überall mit hingenommen werden soll. „Wir wollen uns mit Amy nicht abschotten“, sagt sie und berichtet von Auseinandersetzungen mit Krankenkassen, die für manche Leistungen nicht zahlen wollen. Der Alltag mit seinen vielen kleinen und großen Herausforderungen zehre zuweilen an den Nerven, doch wenn man mit Amy im Rollstuhl einen Spaziergang unternehme und sie durch das Rütteln und Wackeln vergnügt reagiere, gebe ihr das ein gutes Gefühl.
Was ist eine Tracheomalazie?
Krankheit
Es handelt sich um eine Erkrankung, die durch eine Erschlaffung der Luftröhre gekennzeichnet ist. Die Ursache hierfür liegt in einer ungenügenden Stabilität der in der Luftröhre befindlichen Knorpelspangen, was zu einem Kollaps der Luftröhre typischerweise zum Zeitpunkt der Einatemphase, durchaus oft aber auch der Ausatemphase, führt.
Folge
Da in der Einatemphase ein Unterdruck vorhanden sein muss, um den Luftstrom in die Lunge zu ermöglichen, kollabiert dabei auch die Luftröhre mit abnorm weichem Knorpelgewebe leichter als in der Ausatemphase. Das kann im Extremfall zum Ersticken führen.