Sprachtests in Stuttgart Neue Betrugsmasche: Wer kein Deutsch kann, schickt einen Doppelgänger

Etwa für die Berufsanerkennung oder einen Studienplatz sind Deutschkenntnisse nötig. Foto: picture alliance/dpa

Bei Führerscheinprüfungen sind Betrugsversuche in Theorie und Praxis inzwischen gängig. Doch auch bei Sprachtests gibt es diesen Trend – mit Stellvertretern.

Kriminalität, Sicherheit und Justiz: Jürgen Bock (jbo)

Eine Sprachprüfung ist für viele Migranten, die in Deutschland leben, eine hohe Hürde. Es braucht Kurse, Vorbereitung und nicht zuletzt den Willen, zu lernen und sich testen zu lassen. Doch diesen Aufwand will offenbar nicht jeder betreiben. Stattdessen gibt es Fälle, in denen jemand anderes die entscheidende Arbeit erledigen soll.

 

Mitte September jedenfalls hat die Stuttgarter Polizei in Feuerbach eine 32 Jahre alte Frau festgenommen. Die deutsche Staatsangehörige soll versucht haben, unter Vorlage eines gefälschten Ausweisdokuments eine Sprachprüfung abzulegen. Sie war in einem Sprachzentrum an der Burgenlandstraße erschienen und wollte sich dort mit dem Reisepass einer 45-jährigen Irakerin zur Prüfung anmelden. Einer Angestellten fiel der mutmaßlich gefälschte Pass auf, sie verständigte die Polizei. Die Frau wurde einem Haftrichter vorgeführt, der Haftbefehl erließ.

Es ist wohl Geld geflossen

Was genau es mit dem gefälschten Reisepass auf sich hat, steht noch nicht fest. Mutmaßlich waren dort die Daten der Irakerin mit dem Foto der Deutschen kombiniert. Klar ist für die Ermittler allerdings, dass die 32-Jährige die Sprachprüfung für jemand anderen machen wollte. Und das wohl nicht aus reiner Nächstenliebe. „Nach einer ersten Auswertung der Beweismittel steht eine Gewerbsmäßigkeit im Raum“, sagt Polizeisprecherin Kara Starke. Sprich: Es dürfte Geld geflossen sein.

Solche Machenschaften kannte man bisher vor allem von der Führerscheinprüfung. Bei der Theorieprüfung wird mit Knopf im Ohr oder in der Kleidung gearbeitet, draußen vor der Tür warten Komplizen, die gegen Geld die richtigen Lösungen einflüstern. Auch mit Stellvertretern wird regelmäßig gearbeitet – bei der Theorie, aber sogar bei der praktischen Prüfung. In diesem Fall steckt auch mal der Fahrlehrer mit den Tätern unter einer Decke.

Erst vor einigen Monaten hat die Heilbronner Polizei einen großen Komplex aufgedeckt, bei dem mit einem bundesweiten Netz von Doppelgängern gearbeitet worden ist. Ermittler gehen generell von organisierten Banden aus. Profis, die dem Prüfling ähnlich sehen, absolvieren mit dessen Ausweis den Test. Mit diesem Betrug fahren Menschen Auto, die selbst keine Prüfung abgelegt haben. Das kann hoch gefährlich werden. Aber bei Sprachtests?

Hinter dem Einzelfall steckt ein Trend. Zwar führt die Polizei nur eine Statistik über Betrug allgemein, aber dort heißt es, solche Fälle bei der Sprachprüfung habe es zuletzt häufiger gegeben. „Vielleicht liegt das auch ein Stück weit daran, dass die Mitarbeitenden besser sensibilisiert worden sind“, sagt Kara Starke. Während bis vor einiger Zeit eher die Sprachzertifikate gefälscht worden seien, gehe die Tendenz inzwischen dazu, bei den Prüfungen zu betrügen.

Auch bei der Führerscheinprüfung wird regelmäßig betrogen. Foto: dpa/Bernd Wüstneck

Über die Gründe für die Betrugsversuche können auch Fachleute nur spekulieren. Der bunte Strauß an Möglichkeiten reicht von Prüfungsangst bis hin zu Kandidaten, die schlicht nicht über genug Sprachkenntnisse verfügen, sich das Zertifikat aber trotzdem sichern wollen. Schließlich geht es je nach Niveau um die Berufsanerkennung, Zugang zu Studienplätzen oder gar die Einbürgerung. Einen deutschen Ausweis bekommen ohne ausreichende Deutschkenntnisse? Unwahrscheinlich, aber angesichts des Trends zu Betrugsversuchen immerhin denkbar.

„Wir beobachten diese Masche schon seit einiger Zeit“, sagt ein Mitarbeiter einer Stuttgarter Sprachschule, der nicht genannt werden will. Auch bei den Sprachprüfungen höre man von Beträgen zwischen 500 und 1000 Euro, die angeblich bezahlt würden. Auch an der Stuttgarter Volkshochschule (Vhs), die verschiedenste Zertifikate anbietet, „gab es in der Vergangenheit Betrugsversuche, in denen Teilnehmende Doppelgänger oder Doppelgängerinnen für die Absolvierung ihrer anstehenden Prüfung engagiert oder Prüfungszertifikate mit Unterschriften von Vhs-Mitarbeitenden gefälscht haben“, sagt eine Sprecherin.

Inzwischen haben die Anbieter die Betrugsmaschen allerdings auf dem Schirm. „Prüfer und Mitarbeitende sind für solche Fälle sensibilisiert. Zudem sehen die Prüfungsrichtlinien vor, dass die Ausweise der Prüfungsteilnehmenden kontrolliert werden und bei Unstimmigkeiten in den Dokumenten ein Ausschluss von der Prüfung erfolgt“, so die Sprecherin. Die Vhs Stuttgart trete bei entsprechenden Vorkommnissen mit den zuständigen Behörden in Kontakt. In einzelnen Fällen werde auch die Polizei eingeschaltet – damit ein Zertifikat nur erhält, wer auch ausreichend Deutsch spricht.

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