Warum wird die Arena wieder umgebaut?
Das Stadion wird seit Jahrzehnten modernisiert und heißt mittlerweile Mercedes-Benz-Arena. Die Gegentribüne stammt von 2005, die Stirnseitentribünen von 2011, die Logen von 2001. Die Haupttribüne wurde anlässlich der WM 1974 errichtet. Stuttgart wird laut Stadion KG Austragungsort von vier bis sechs Spielen bei der Fußball-EM 2024. Während der Rest des Stadions im ersten Stock einen Rundgang hat, fehlt dieser auf der Haupttribüne – Zuschauer und für den Spiel- und Versorgungsbetrieb Zuständige begegnen sich im Erdgeschoss. Während für die EM Platz für zehn Busse gefordert ist, kann heute nur einer einfahren, dort aber nicht parken. Für vorgeschriebenes Equipment wie LED-Flutlicht, größere Videowände, ein neuer Unterrang, moderne Umkleiden, ein angemessener Medienbereich und Sicherheitstechnik, steht die Stadt gerade. Die Ausweitung des Businessbereichs um 550 Plätze, die dem VfB Stuttgart vier Millionen Euro zusätzliche Einnahmen verschaffen können, stemmen die städtische Stadiongesellschaft und der Klub.
Warum wird der Umbau teurer?
2021 hat die Stadion KG ein Bieterverfahren für Baufirmen gestartet. Drei haben angebissen, aber nur noch eine ist letztlich übrig geblieben. Deren Verhandlungsposition darf deshalb als komfortabel bezeichnet werden, allerdings gelte vor allem für lokale Unternehmen, dass man sich immer zweimal sieht und es sich nicht auszahlt, die Stadt unter Druck zu setzen, heißt es im Gemeinderat. Wegen der gestiegenen Materialpreise und des Problems, Angebote von Subunternehmen zu erhalten, lag die Offerte um 36 Millionen Euro über den von einst 60 Millionen auf mittlerweile veranschlagten 71 Millionen Euro. Nachdem der Rotstift angesetzt und hart verhandelt worden war, wurde das Angebot um 8,5 Millionen Euro vermindert. Jetzt wird der Umbau mit 98,5 Millionen Euro veranschlagt. Der Stadion-KG-Aufsichtsrat sieht die Fortführung positiv, von Freitag an wird im Rathaus darüber diskutiert. Die Entscheidung fällt am 17. Februar im Gemeinderat. Alle Sitzungen finden hinter verschlossenen Türen statt.
Wer muss jetzt wie viel bezahlen?
Die Kostensteigerung von 27,5 Millionen Euro teilen sich die Stadt und ihre 100-prozentige Tochter, die Stadion KG. Der Anteil des VfB an den von ihm geforderten Investitionen erhöht sich allerdings nicht, obwohl diese auch teurer geworden sein dürften. Damit steigt der Anteil der Kommune auf 37,5 Millionen Euro und der ihrer Tochter auf 36,25 Millionen Euro. Letzteres erscheint mittlerweile nicht unproblematisch. Die Stadion KG erhält vom VfB normal sieben Millionen Euro Pacht, die Stadt profitiert zudem von 740 000 Euro Erbpachtzinsen. Mit dieser Liquidität muss die Mercedes-Benz-Arena in Schuss gehalten und müssen Kredite von jetzt rund 85 Millionen Euro getilgt und auch noch rund 1,2 Millionen Euro Zinsen beglichen werden.
Die Refinanzierung muss vollständig aus Pachtzahlungen des VfB geleistet werden. Das ist aktuell nicht möglich. Kürzlich musste deshalb eine städtische Finanzspritze von 1,5 Millionen Euro gewährt werden.
Welche Rolle spielt der VfB Stuttgart?
Eine wechselvolle. Das Gesellschaftskonstrukt erscheint vorbildlich – für den Fall, dass der Hauptmieter der Arena stabile Zuschauereinnahmen hat, wie es seit der Vereinbarung 2008 häufig der Fall war. Die zwei Abstiege und die Pandemie setzen dem Verein – aber auch dem Modell – schwer zu. Mehrfach hat die Stadion KG ihrem Hauptmieter Pachtzahlungen stunden müssen. Derzeit sind sie von 5,2 um 1,3 Millionen Euro reduziert, das Einnahmeziel von 600 000 Euro aus der variablen Pacht kann bei fast leeren Rängen natürlich auch nicht erreicht werden. Nun ist der Klub erneut vom Abstieg bedroht, mindestens ein weiteres Jahr in der zweiten Liga dürfte für Martin Rau, den Chef der Stadiongesellschaft ein Albtraum sein. VfB-Präsident Claus Vogt hob dagegen nach der Niederlage am Wochenende gegen Frankfurt die „Stabilität“ des VfB hervor, die den Verein auch einen neuerlichen Abstieg sportlich und wirtschaftlich überstehen lassen würde – die finanzielle Hilfe durch die Stadt ließ er dabei unerwähnt. Schon die aktuelle Modernisierung, für die der Club 24,75 Millionen Euro beisteuern muss, kann er nicht aus eigener Kraft leisten, sondern benötigt ein kommunales Darlehen, zurückzuzahlen von 2024 an. Weil man den VfB aber auch als Gesellschafter der KG zur Kasse bittet, hat man die Pacht, die er aktuell nicht voll bezahlen kann, erst um eine Million und nun noch einmal um 600 000 Euro erhöht. Es heißt, der Verein sei bereit, dafür „eine Sicherheit“ zu leisten. Welche das konkret ist, erfahren die Stadträte in der Vorlage nicht.
Gab es keine Alternative zum Angebot?
Den Umbau der Haupttribüne zu beenden und nur die für die EM 2024 notwendigsten technischen Verbesserungen umzusetzen, hat man geprüft – aber verworfen. Das hätte bereits 43,5 Millionen Euro gekostet, für die die Stadt allein aufkommen müsste. Es wären aber weitere Instandsetzungen nötig gewesen – und man hätte für die EM „ein deutlich weniger attraktives Stadion zur Verfügung“, so Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU). Die Stadion KG verweist auf die schwierige Situation in der Pandemie, lobt den VfB als verlässlichen Partner, der noch 13 Spiele habe, um den Klassenerhalt zu schaffen. Die KG sei „auf Basis des laufenden Wirtschaftsplans weiterhin in der Lage den Kapitaldienst zu erbringen“. Der VfB teilte mit, er bekenne sich zum Umbau und werde seinen Beitrag dafür leisten. Was die Refinanzierung angehe, plane man immer „mit allen denkbaren Szenarien, da diese auch Teil des Lizenzierungsverfahrens der Deutschen Fußball-Liga sind.“