Auf allen Akkreditierungen steht der Name Alina Astafei – unter dem die frühere Hochspringerin auch bei der WM 1995 in Göteborg startete, wo sie Silber gewann. Foto: red, Imago/Thomas Zimmermann. Montage: Miller.
Die frühere Weltklasse-Hochspringerin, die als Galina Astafei zur Welt kam, fürchtet um ihre Identität – weil die Stadt sich plötzlich weigert, ihren Künstlernamen anzuerkennen.
Jochen Klingovsky
17.05.2025 - 07:00 Uhr
Zum Treffen in dem kleinen, gemütlichen Café im Stuttgarter Norden hat Alina Astafei (55) eine Tasche mitgebracht. In dieser befindet sich ein wichtiger Teil ihrer Lebensgeschichte. Immer wieder greift sie hinein, holt Akkreditierungen von sportlichen Großereignissen heraus, Urkunden, ihren Personalausweis. Und schließlich drei Telegramme von Helmut Kohl, in denen der frühere Bundeskanzler ihr zu ihren herausragenden Leistungen, Titeln und Medaillen gratuliert. „Und jetzt? Wollen mir die Behörden in Stuttgart den Namen, unter dem ich dies alles erreicht habe, wegnehmen“, sagt die frühere Weltklasse-Hochspringerin, „ich bin verzweifelt und erschüttert.“
Über einen Fall, in dem es um einen Buchstaben geht. Um städtische Bürokratie. Aber auch um eine Frau, die um ihre Identität fürchtet – und bereit ist, für sie zu kämpfen.
Geboren wurde die ehemalige Leichtathletin in Rumänien. Weil sie als kleines Kind Probleme hatte, ihren Vornamen Galina richtig auszusprechen, nannte sie selbst sich Alina. Dieser Name begleitete sie fortan – zu Hause bei ihren Eltern, in der Schule, bei ihren Freunden, im Sport: Die Hochspringerin, die als Juniorin die magische Zwei-Meter-Marke überwand und 1992 in Barcelona Olympia-Silber holte, hieß schon immer Alina Astafei.
Von Anfang an stehen in ihrem deutschen Personalausweis zwei Namen
Aus politischen und privaten Gründen verließ die erfolgreiche Sportlerin ihr Heimatland, am 1. März 1995 erhielt sie die deutsche Staatsbürgerschaft. In ihrem Personalausweis finden sich seither zwei Namen. Offiziell heißt sie wie bei ihrer Geburt Galina Astafei, dieser Name steht für ihre Herkunft. Und auf der Rückseite, dort wo Platz ist für etwaige Ordens- und Künstlernamen, ist Alina Astafei eingetragen. Der Name, unter dem sie für Deutschland 1995 Hallen-Weltmeisterin wurde, im selben Jahr bei der Freiluft-WM Silber holte, 1996 bei den Olympischen Spielen startete und etliche nationale Meisterschaften gewann. Der Name, unter dem sie bei allen Wettkämpfen akkreditiert war. Der Name, unter dem sie zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen erhielt und weiterhin zu offiziellen Anlässen eingeladen wird. Der Name, unter dem sie Vorträge hält, in Podcasts spricht, in den sozialen Medien aktiv ist, netzwerkt. Kurz: Der Name, unter dem sie bekannt ist. „Er steht für meine Identität“, sagt Alina Astafei, „deshalb bin ich derzeit auch emotional so sehr belastet und zutiefst verletzt. Ich kann nicht fassen, was da gerade passiert.“
Alina Astafei 1995 bei der WM in Göteborg mit der Silbermedaille. Foto: Imago/HJS
Vor 20 Jahren zog Alina Astafei, die ihre Karriere 2002 beendet hatte, nach Stuttgart. Die Stadt, in der zwei ihrer vier Kinder geboren wurden und in der sie als Sportlehrerin an einer Privatschule arbeitet, ist schnell zu ihrer Heimat geworden. Derzeit wird ihre Liebe zu Stuttgart allerdings auf eine harte Probe gestellt.
Vorwürfe gegen die Stadt Stuttgart
2005 und 2015 haben die städtischen Behörden ihren Personalausweis – mit den Namen Galina Astafei auf der Vorder- und Alina Astafei auf der Rückseite – anstandslos verlängert: „Es gab keinerlei Probleme und nie eine Diskussion.“ Das änderte sich, als die Ex-Hochspringerin Mitte März das Stuttgarter Rathaus aufsuchte, um das Dokument erneut verlängern zu lassen. Die Sachbearbeiterin, sagt Alina Astafei, habe ihr mitgeteilt, dass die Übernahme des Künstlernamens nicht möglich sei, da dieser sich nicht genügend vom Geburtsnamen unterscheide. „Ich habe ihr erklärt, dass es nur um eine Verlängerung und nicht um eine Neubeantragung gehe“, sagt Alina Astafei, „sie hat behauptet, vor zehn Jahren sei rechtswidrig gehandelt worden und mir am Ende vorgeworfen, ich wolle gegen das Gesetz verstoßen. Ich habe mich sehr schlecht gefühlt, war schockiert über diese Behandlung.“
Anschließend gab es einen regen Austausch zwischen Alina Astafei und dem Stuttgarter Rathaus, in dem sich in den vergangenen Wochen mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Fall beschäftigt haben. Einen endgültigen Bescheid hat Alina Astafei noch nicht erhalten, ein Einlenken der Behörde ist allerdings eher nicht zu erwarten. Zu Einzelfällen äußere man sich zwar grundsätzlich nicht, teilte Sven Matis, der Leiter der städtischen Pressestelle, auf Anfrage mit, die Rechtslage aber sei aufgrund des § 5 Abs. 2 Nr. 12 des Personalausweisgesetzes eindeutig. Demnach gebe es für die Eintragung eines Künstlernamens zwei zwingende Voraussetzungen: Zum einen müsse eine künstlerische Tätigkeit ausgeübt werden, zum anderen müsse sich der Künstlername vom Geburtsnamen „hinreichend unterscheiden“. Diese Bedingungen würden stets neu überprüft werden, es gebe keinen Bestandsschutz. „Zentral ist, dass der Künstlername im Ausweis steht, damit die Identität zweifelsfrei festgestellt werden kann. Somit liegt ein öffentlich-rechtliches Interesse daran vor, nicht ein privates“, erklärt Matis. Seien die Voraussetzungen nicht erfüllt, „kann eine Eintragung des Künstlernamens nicht vorgenommen werden“. Dieser könne zwar weiter öffentlich geführt werden, stehe aber „halt nicht im Personalausweis“. Doch genau das ist für Alina Astafei keine Option.
Ist dieser bürokratische Aufwand nötig?
Sie versteht nicht, warum ihr Dokument in Stuttgart zweimal verlängert wurde und nun anders geurteilt wird, was Sven Matis damit begründet, dass „nun das geltende Recht korrekt angewendet“ werde. Sie versteht nicht, warum es für sie keinen Vertrauensschutz gibt. Und sie versteht auch nicht, warum dieser bürokratische Aufwand überhaupt nötig ist, über den Matis sagt: „Beide Seiten machen ihre Ansprüche geltend. Wir müssten diesen Aufwand nicht treiben.“
In der Tat ist es so, dass Alina Astafei sich im Recht fühlt. „Ich brauche den Künstlernamen, der seit 30 Jahren in meinem Ausweis steht, auch künftig, um meine Identität nachweisen zu können, zum Beispiel auf sozialen Plattformen“, sagt sie, „wenn ich diesen Namen abgeben müsste, würde das meine Handlungsfreiheit einschränken und ich hätte ein großes Problem – nicht nur emotional.“ Wobei auch dieser Aspekt für sie sehr wichtig ist: „Mir wird ein Name verweigert, unter dem ich national und international viel erreicht habe, bekannt und weiterhin präsent bin. Das ist eine total unnötige Brüskierung, die ich so nicht stehen lassen kann.“
Die Frage, ob Alina Astafei tatsächlich den Rechtsweg beschreiten würde, wenn die Stadt Stuttgart bei ihrer Haltung bleibt, lässt sie offen. Klar ist nur, dass das letzte Wort in diesem Fall noch nicht gesprochen ist.