Starregisseur aus Sindelfingen Roland Emmerich: „Trump? Was für ein Hochstapler!“
Der Schwabe, der Hollywood neu erfand: Roland Emmerich liebt Popcornkino mit Botschaft, verabscheut Trump und die AfD und feiert jetzt seinen 70. Geburtstag.
Der Schwabe, der Hollywood neu erfand: Roland Emmerich liebt Popcornkino mit Botschaft, verabscheut Trump und die AfD und feiert jetzt seinen 70. Geburtstag.
Er hat das Weiße Haus in die Luft gejagt, einen Tsunami New York City verwüsten lassen, in Filmen wie „Independence Day“, „The Day After Tomorrow“ oder „2012“ ist der Weltuntergang immer nah. Am 10. November wird Roland Emmerich, der einst in Sindelfingen das Hollywood-Kino neu erfand, 70 Jahre alt. Zum Start von Jo Müllers Dokumentarfilm „Meister der Apokalypse“ haben wir mit Emmerich über Katastrophenfilme mit Botschaft, Donald Trump und die Freiheit, schwul zu sein, gesprochen.
Herr Emmerich, wenn Ihr Leben ein Film wäre – welches Genre hätte er?
Eine Komödie wäre es sicher nicht. Ich habe zwar Humor, aber meine Filme leben eher vom Spektakel. Vielleicht wäre mein Leben eine Mischung aus Abenteuer- und Science-Fiction-Film – mit einer Prise Drama. Ich habe in den letzten Jahrzehnten so viele Welten erschaffen, vom zerstörten New York in „The Day After Tomorrow“ bis zum antiken Ägypten in „Stargate“. Aber ich habe auch Filme gemacht wie „The Patriot“, „Anonymous“ oder „Stonewall“. Ich interessiere mich heute sehr für gesellschaftliche Themen. Und dann habe ich zusammen mit Marco Kreuzpaintner dieses große europäische TV-Serien-Epos „Those About To Die“ gemacht.
Sie sind aber vor allem berühmt für Ihre Katastrophenfilme. Haben Sie trotz allem noch Hoffnung, dass die Welt besser wird?
Absolut, ich bin Optimist. Die Geschichte verläuft in Wellen – es geht mal auf, mal ab. Als Barack Obama Präsident wurde, dachte ich: Wow, das ist ein Wendepunkt. Ich wurde damals sogar amerikanischer Staatsbürger, so begeistert war ich.
Doch dann kam eine Katastrophe, mit der selbst Sie nicht gerechnet haben.
Ja, Donald Trump! Was für ein Hochstapler! Seine TV-Show „The Apprentice“ hat ihm den Ruf des erfolgreichen Geschäftsmanns eingebracht, dabei war er mehrfach bankrott. Das war ein gigantischer Bluff.
Haben Sie es je bereut, Amerikaner geworden zu sein?
Ja, ehrlich gesagt schon. Als Trump gewählt wurde, dachte ich: Mist, jetzt kann ich gar nicht mehr einfach weg. Wenn man den amerikanischen Pass hat, ist man steuerlich und politisch an dieses Land gebunden. Ich liebe Amerika, aber manchmal ist es schwer, dieses Land zu verstehen.
In Jo Müllers Dokumentarfilm „Meister der Apokalypse“ sieht man Sie als kleinen Jungen vor dem Weißen Haus stehen. Hätten Sie damals geahnt, dass Sie irgendwann einmal das Weiße Haus in die Luft jagen würden – im Film natürlich?
Nein, bestimmt nicht! Aber bei „Independence Day“ war schnell klar: Wir müssen das Weiße Haus sprengen. Ich hatte mit meinem Co-Autor Dean Devlin lange diskutiert: Kapitol oder Weißes Haus? Ich sagte: Das Weiße Haus – da lebt der Präsident, das ist das Herz Amerikas. Das Studio wollte es uns verbieten: „Ihr könnt doch nicht das Weiße Haus in die Luft jagen!“ Aber wir haben zwei Versionen des Trailers gemacht – mit und ohne Explosion. Und nach den Reaktionen des Publikums war sofort klar: Die Szene mit der Explosion ist ikonisch. Ohne sie wäre „Independence Day“ nicht „Independence Day“.
Angefangen hat alles damit, dass Sie im Jahr 1984 in einer ehemaligen Waschmaschinenfabrik in Maichingen den Science-Fiction-Film „Das Arche Noah Prinzip“ gedreht habe. Welchen Tipp würden Sie Ihrem damaligen Ich heute geben?
Mach einfach weiter! Ich war ja dann ein paar Jahre später mit meinem Film „Moon 44“ auf der Berlinale, als mich Mario Kassar anrief. Der Produzent von „Terminator 2“ hatte meinen Film gesehen und war davon begeistert, was ich mit nur sieben Millionen Mark hinbekommen hatte. Und während ich bei der Berlinale-Pressekonferenz 20 oder 30 Journalisten gegenübersaß, die mit dem Film gar nichts anfangen konnten, dachte ich: Das habe ich nicht nötig. Ich bin zu meiner Schwester gegangen und habe gesagt: „Pack alles ein, wir gehen nach Amerika!“ Das war eine der besten Entscheidungen meines Lebens – und ich hätte sie vielleicht noch früher treffen sollen.
Seit „Independence Day“ erzählen Ihre Blockbuster immer auch vom Zustand unserer Gesellschaft. In „The Day After Tomorrow“ warnen Sie vor dem Klimawandel …
Genau. Und „2012“ war für mich eigentlich eine bitterböse Satire, nur mit sehr großen Effekten. Ich wollte zeigen, wie sich eine privilegierte Gesellschaft rettet, während der Rest der Menschheit untergeht – und wie sich trotzdem einfache Menschen durchschmuggeln. Viele haben das gar nicht als Satire erkannt. Aber ja, ich will mit meinen Filmen immer etwas sagen. Ich bin ein Popcorn-Regisseur, aber mit Haltung.
Sie sprechen inzwischen auch offen über Ihre Homosexualität. Zu Beginn Ihrer Karriere haben Sie sich das noch nicht getraut.
Als ich in den 1970ern auf die Filmhochschule in München ging, war es undenkbar, offen schwul zu sein. Ich hatte Angst, dass mir das schadet. Zwanzig Jahre später war das in den USA kein Thema mehr – dort hat es niemanden interessiert. Heute ist die Gesellschaft viel weiter, auch wenn es Rückschritte gibt. Selbst wenn jetzt in den USA jemand wie Trump an der Macht ist oder es hier in Deutschland für diese Nazi-Partei immer mehr Wählerstimmen gibt, darf man nicht vergessen, was wir trotzdem schon erreicht haben.
Vermissen Sie eigentlich manchmal Ihre schwäbische Heimat?
Vor allem meine Freunde. Viele leben inzwischen aber in Berlin oder München. Aber ich bin in Stuttgart geboren und in Sindelfingen aufgewachsen. Ich bin durch und durch Schwabe. Diese Bodenständigkeit hilft mir bis heute, auch in Hollywood.
Während Sie bei Ihrem Abschlussfilm an der Münchner Filmhochschule das Budget um ein Vielfaches überschritten haben, haben Sie die schwäbische Sparsamkeit mit nach Hollywood gebracht?
Ja, meine Filme kosten meist 20 bis 30 Millionen Dollar weniger als vergleichbare Produktionen. Das ist mein Geheimnis. Nach „Independence Day“ konnte ich erstmals verhandeln – und ich habe eine Umsatzbeteiligung bekommen, die mit dem Erfolg mitwuchs. Am Ende waren es 22,5 Prozent. So kam das Geld – aber nicht durch Verschwendung, sondern durch Effizienz.
Und wie sieht es mit Ihrem Filmprojekt „Exodus“ aus, bei dem es ja erneut um den Klimawandel gehen soll?
„Exodus“ liegt momentan auf Eis. Es ist ein sehr ambitioniertes Projekt, braucht große Namen, eine starke Besetzung. Aber die Stimmung in der Branche ist im Moment schwierig. Es gibt viele Filme, die dumm sind und trotzdem Geld bringen. Wenn man etwas mit einer echten Botschaft erzählen will, wird es kompliziert und du musst sehr, sehr vorsichtig sein.
Person
Roland Emmerich wird am 10. November 1955 in Stuttgart geboren und wächst in Machingen auf. Sein Abschlussfilm an der Münchner Filmhochschule war „Das Arche Prinzip“ (1984). „Universal Soldier“ (1992) war sein Hollywooddebüt. Es folgten Blockbuster wie „Stargate“ (1994), „Independence Day“ (1996), „Godzilla“ (1998), „The Day After Tomorrow“ (2004) oder „White House Down“ (2013). Emmerich wohnt in Los Angeles, London und Berlin.
Porträt
Der Filmjournalist Jo Müller hat Roland Emmerich über einen Zeitraum von fast 40 Jahren begleitet. Aus Unmengen an Material hat er für den SWR einen Film zusammengestellt, in dem Emmerich auch sehr privat zu erleben ist. Der Dokumentarfilm „Meister der Apokalypse – Roland Emmerich“ ist in der ARD Mediathek verfügbar.