Gleich zweimal war die Richterin Eva Voßkuhle – Ehefrau des höchsten Verfassungsrichters – mit dem Staufener Fall befasst: Vor Jahren verurteilt sie den Täter, 2017 schickte sie das Kind zur Mutter zurück.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Angehörige von Richtern spielen in Pressemitteilungen der Justiz normalerweise keine Rolle. Doch als sich Eva Voßkuhle 2008 als Direktorin des Amtsgerichts Lörrach verabschiedete, um Vize am Landgericht Freiburg zu werden, war das anders. Ihr neues Amt habe „nichts mit der Berufung des Ehemanns Andreas Voßkuhle an das Bundesverfassungsgericht zu tun“, stellte das Gericht klar. Als die Juristin 2011 Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Karlsruhe wurde, schrieb die Lokalzeitung, sie folge ihrem inzwischen zum Präsidenten beförderten Mann, zumindest räumlich.

 

Voßkuhle – dieser Name lässt aufhorchen. Das war bei den Beförderungen so, und das ist jetzt wieder so, da die Frau des höchsten deutschen Richters wegen ihrer doppelten Befassung mit dem Staufener Missbrauchsfall in den Schlagzeilen ist. Sie war es, die als Strafrichterin den Täter 2010 wegen Vergewaltigung eines Mädchens und Besitz von Kinderpornografie ins Gefängnis schickte – ihm aber die Sicherungsverwahrung ersparte. Und ihr Familiensenat war es, der 2017 die Entscheidung der ersten Instanz bestätigte, der betroffene Junge solle zurück zur Mutter. Zu den Urteilen äußert sich Voßkuhle, wie es bei Richtern üblich ist, nicht selbst. Aber die Pressestelle des Oberlandesgerichts in Karlsruhe spricht wohl auch für sie, wenn sie betont, man bedauere das „schreckliche Leid“ des Jungen: „Sein Schicksal macht alle an dem Verfahren Beteiligten betroffen.“ Dass ausgerechnet Voßkuhles Senat das Martyrium des Kindes verlängerte, wird in Kollegenkreisen lebhaft diskutiert. In der Justiz genießt sie schließlich einen guten Ruf: Wenn „selbst sie“ gegen eine solche Fehleinschätzung nicht gefeit sei – wer dann, wird gefragt. Andere Richter meinen, der OLG-Präsident selbst hätte sich schützend vor die Senatsmitglieder stellen und dies nicht den Pressesprechern überlassen sollen.

„Sein Schicksal macht alle Beteiligten betroffen“

Tatsächlich hatte die Juristin, die ihre Laufbahn in der bayerischen Justiz begann, reichlich Erfahrung mit Familiensachen. Nach dem Wechsel 2001 nach Baden-Württemberg wurde sie zunächst zur Erprobung an einen Familiensenat abgeordnet, von 2002 bis 2006 war sie dann als OLG-Richterin in einem Familiensenat tätig. Den Vorsitz bei dem Freiburger Senat übernahm sie nach den Stationen beim Amtsgericht und dem Landgericht bereits 2011. Kollegen schildern sie als hochintelligent und überaus effizient, allerdings auch stets karriereorientiert.

Spielte Effizienz eine Rolle im Verfahren?

Zu effizient womöglich? Wurde auf die Anhörung des Kindes und einen Verfahrensbeistand vielleicht verzichtet, um das Verfahren schneller durchzuziehen? Die Frage, ob Effizienzüberlegungen im Fall Staufen eine Rolle gespielt hätten, beantwortet die Pressestelle so: „Richter sind in ihren Entscheidungen ausschließlich dem Gesetz unterworfen und entscheiden allein nach den rechtlichen Vorgaben.“

Inzwischen wird in der Justiz bereits spekuliert, wie sich der Fall auf Voßkuhles weitere Karriere auswirken könnte. Nach Jahren als Senatsvorsitzende wäre sie eigentlich an der Reihe, Präsidentin eines größeren Landgerichts zu werden. Ob das nun noch klappe? Beim Justizministerium wird jedenfalls bekräftigt, was schon in der Lörracher Pressemitteilung stand: Personalentscheidungen in Bezug zu Eva Voßkuhle „wurden stets unabhängig von der beruflichen Stellung ihres Ehemannes getroffen“.