Stichtag für Einschulung in Stuttgart Wer entscheidet, ob ein Kann-Kind in die Schule darf?

Nicht immer fällt der Schulanfang leicht. Wer entscheidet, wann und wo ein Kind in die Schule kommt? Foto: dpa/Uwe_Zucchi

Seit der Vorverlegung des Stichtags für die Einschulung, melden mehr Eltern in Stuttgart ihren Nachwuchs frühzeitig an der Schule an. Wer entscheidet, ob das Kind aufgenommen wird? Und was passiert, wenn die Wunschschule voll ist?

Familie/Bildung/Soziales: Alexandra Kratz (atz)

Wenn das Kind den ersten Milchzahn verliert, ist es schulreif. So sagt es der Volksmund. Aber natürlich spielen ganz andere Faktoren eine Rolle, nämlich der geistige und körperliche Entwicklungsstand sowie das Sprachvermögen. Noch vor einigen Jahren wurden in Baden-Württemberg regulär auch Fünfjährige eingeschult, denn der Stichtag war der 30. September. Alle Kinder, die bis zu diesem Datum sechs Jahre alt wurden, sollten in die erste Klasse kommen. Um dem entgegenzuwirken, starteten Eltern im Jahr 2019 eine Petition für eine Vorverlegung des Stichtags auf den 30. Juni – letztlich mit Erfolg. Weil eine Verschiebung des Stichtags um mehrere Monate auf einen Schlag die Kommunen überfordert hätte, kam es zu einer schrittweisen Änderung, der 30. Juni gilt seit dem Schuljahr 2022/2023.

 

Wer ist ein sogenanntes Kann-Kind?

Kinder, die nach dem Stichtag geboren sind und bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres das sechste Lebensjahr vollenden, sind sogenannte Kann-Kinder. Eltern können für diese die Schulpflicht auslösen, indem sie ihren Nachwuchs an einer Grundschule anmelden. Von dieser Möglichkeit haben Eltern in Stuttgart seit der Vorverlegung des Stichtags häufig Gebrauch gemacht. Die Zahlen im Überblick:

  • im Schuljahr 2019/20 wurden 213 Kann-Kinder angemeldet
  • im Schuljahr 2020/21 waren es 207 Kann-Kinder
  • im Schuljahr 2021/22 waren es 356 Kann-Kinder
  • im Schuljahr 2022/23 waren es 415 Kann-Kinder

Seit dem Schuljahr 2023/2024 ist die Zahl der angemeldeten Kann-Kinder wieder rückläufig. So waren es:

  • für das aktuelle Schuljahr 358 angemeldet Kann-Kinder und
  • für das kommenden Schuljahr 341 angemeldete Kann-Kinder.

Diese Zahlen nennt das Staatliche Schulamt Stuttgart auf Anfrage unserer Zeitung. Allerdings seien am Ende jeweils deutlich weniger Mädchen und Jungen tatsächlich eingeschult worden.

Dürfen Kann-Kinder an der Wunschschule abgelehnt werden, weil sie voll ist?

Nein. Wenn Eltern ihr Kind an der Grundschule angemeldet haben, so darf die Schule diese nur ablehnen, wenn das Kind noch nicht schulreif ist oder wenn schulorganisatorische Gründe gegen eine Aufnahme sprechen. Letzteres meint, dass die Schule voll ist, also mehr Kinder angemeldet sind, als Klassen gebildet werden können. Dann kommt es zur sogenannten Schülerlenkung – einige der künftigen Erstklässler müssen also auf umliegende Schulen verteilt werden. Dafür gelten bestimmte Kriterien, die aber nichts mit der Ausgangslage „Kann-Kind“ oder „schulpflichtiges Kind“ zu tun haben.

Welche Kriterien gelten für die Schülerlenkung?

Grundsätzlich müssen Kinder an der örtlichen Grundschule angemeldet werden, also in ihrem Schulbezirk. Wer eine andere Schule bevorzugt, muss einen Wechsel beantragen. Wenn diese Schule dann aber zu voll ist, werden solche Anträge grundsätzlich abgelehnt. Das zweite Kriterium betrifft Geschwisterkinder, sie haben Vorrang. Im dritten Schritt prüfen die Schulen die Adressen der angemeldeten Mädchen und Jungen und versuchen, die Familien für andere Grundschulen zu gewinnen, für die der Weg zumutbar ist.

Die Schuleignungsprüfung ist verpflichtend. Foto: dpa/Stefan Puchner

Wer entscheidet, ob ein Kann-Kind schulreif ist?

Das Prozedere wird in Paragraf 74 des Schulgesetzes geregelt, der Anfang dieses Jahres im Zuge der Bildungsreform angepasst wurde. Demnach entscheidet grundsätzlich die Schule darüber, ob ein Kind schulreif ist. Im Gesetzestext heißt es wörtlich: „Die Entscheidung über den Antrag trifft die Schule; bestehen Zweifel am hinreichenden geistigen und körperlichen Entwicklungsstand des Kindes, zieht die Schule ein Gutachten des Gesundheitsamtes bei.“ Die Teilnahme an dieser pädagogisch-psychologischen Prüfung (Schuleignungsprüfung und Intelligenztest) ist verpflichtend.

Ändert sich mit den Juniorklassen auch was für Kann-Kinder?

Im Zuge der Schulreform führt das Land sogenannte Juniorklassen ein. Sie betreffen aber nicht die Kann-Kinder, sondern Kinder, die schulpflichtig sind, die aber noch das ein oder andere Defizit haben – zum Beispiel, weil Deutsch nicht ihre Muttersprache ist. Sie sollen künftig nach der Kita zunächst ein Jahr lang eine Juniorklasse besuchen. Ab dem Schuljahr 2028/29 rechnet das Ministerium mit einem flächendeckenden Ausbau. Dann soll an etwa jeder dritten Grundschule eine Juniorklasse eingerichtet sein. Bis dahin ist der Besuch freiwillig, danach verpflichtend.

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