Mit einem kilometerlangen Trauermarsch hat die Polizei am Freitagmorgen dem Unfalltod eines Polizisten der Stuttgarter Motorradstaffel gedacht. Zum Unfallablauf gibt es neue Erkenntnisse.
Zu Ehren eines tödlich verunglückten Verkehrspolizisten hat das Stuttgarter Stadtzentrum eine 1,3 Kilometer lange neue Fußgängerzone bekommen – wenn auch nur für begrenzte Zeit. Am Freitagmorgen haben etwa 700 Polizeibeamte und Beschäftigte zusammen mit Innenminister Thomas Strobl einen Trauermarsch zwischen Hauptbahnhof und der Domkirche Sankt Eberhard unternommen. Dazu gab es Straßensperrungen rund um den Hauptbahnhof. Der Autoverkehr blieb draußen – zur Erinnerung an den 61-jährigen Motorradpolizisten Thomas Hohn, der am 24. Juni während der Fußball-EM bei einer Eskorte für den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán ums Leben gekommen war.
Der Trauerzug bewegte sich vom Pariser Platz im Europaviertel über den Arnulf-Klett-Platz und die Theodor-Heuss- und Bolzstraße zum Schlossplatz. Damit Autofahrer nicht einmal versehentlich dem Trauermarsch in die Quere kommen konnten, wurden gegen 9 Uhr die Fahrbahnen der Theo-Meile zwischen Rotebühlplatz und dem Hauptbahnhof gesperrt, und auch die Schillerstraße war für den Verkehr vom Gebhard-Müller-Platz her zeitweise tabu. Motorradstaffeln aus Hessen, Bayern und Rheinland-Pfalz bildeten ein beeindruckendes Spalier. In den Staus im Stadtzentrum mussten Verkehrsteilnehmer längstens 22 Minuten warten.
Trauerzug wie auch schon in Mannheim
Der Trauermarsch war der Prolog für einen Trauergottesdienst in der Domkirche Sankt Eberhard, wo am Vormittag 250 geladene Gäste und Polizeibeschäftigte unter anderem den Worten des katholischen Polizeiseelsorgers Georg Hug und des evangelischen Landespolizeipfarrers Albrecht Sautter lauschten – was auch draußen auf dem Schlossplatz in der EM-Fanzone möglich war. Dort hatten bereits am Montag, 1. Juli, zahlreiche Polizisten des Polizeihauptkommissars gedacht, der als Urgestein der Stuttgarter Motorradstaffel und bundesweit anerkannter Experte für manipulierte Fahrzeuge bekannt geworden war. Die Zeremonie ähnelte dem Trauermarsch am 14. Juni in Mannheim, der dem von einem Messerangreifer getöteten Beamten Rouven Laur gegolten hatte. Einen solchen Marsch hatte es in Stuttgart bisher nicht gegeben.
Unter den Trauergästen in der Domkirche war auch der ungarische Generalkonsul András Izsák. Der Unfall am 24. Juni in Degerloch habe „uns schonungslos vor Augen geführt, dass jeder Einsatz, und mutet er auch noch so harmlos und alltäglich an, ein lebensgefährlicher sein kann“, sagte Landesinnenminister Thomas Strobl am Freitag bei der Trauerfeier. Stuttgarts Polizeipräsident Markus Eisenbraun sprach von „tragischen Facetten“. Dem bundesweit bekannten Tuning-Experten Hohn sei es um mehr als nur um die Rechtslage gegangen, „für ihn zählten Verkehrssicherheit und der Schutz der Menschen“, so Eisenbraun. „Er war ein wahrer Hüter der Straßen.“
Was hatte den Unfall ausgelöst? Ungeduld? Ein Missverständnis? Gedankenlosigkeit? „Der Unfall hat Dutzende Opfer hinterlassen“, sagte der Leiter der Verkehrspolizeiinspektion, Michael Saur bei der Trauerfeier. „Die Frage, was hätte anders laufen können, die können wir vergessen. Das führt zu nichts.“
Gutachter in Unfallermittlungen eingeschaltet
Der 61-jährige Thomas Hohn war an jenem 24. Juni auf dem Albplatz in Degerloch ums Leben gekommen. Er hatte zu der Eskorte gehört, die den ungarischen Staatsgast Orbán nach dem Schottland-Spiel zum Flughafen bringen sollte – als aus einer Querstraße eine 69-jährige Autofahrerin in die eigentlich gesperrte Kreuzung fuhr und mit seiner Maschine kollidierte. Ein weiterer Motorradpolizist erlitt schwere Verletzungen. Die Umstände und die Abläufe des Unfalls werden noch vom Polizeipräsidium Ludwigsburg ermittelt. Dazu ist ein Gutachter eingeschaltet, dessen Ergebnisse noch nicht vorliegen.
Derweil liegen unserer Zeitung Zeugenaussagen vor, wonach die mobile Absperrung für den Konvoi auf der B 27 nicht unbedingt ersichtlich gewesen sei. Ein Autofahrer berichtet, er sei ebenfalls in der Warteschlange auf der rechten Spur der Rubensstraße gestanden, ohne dass vorne ein Polizeimotorrad erkennbar gewesen sei. Stattdessen hätten sich Rot- und Grünphasen über längere Zeit abgewechselt. Er selbst habe an einen Unfall geglaubt und überlegt, ob er an Ort und Stelle rangieren und wenden soll. Dann sei von hinten eine Autofahrerin auf die vermeintlich freie linke Abbiegespur ausgeschert und bei Grünlicht in die Kreuzung gefahren. Von links rauschte die Staatschef-Eskorte mit Motorradpolizist Thomas Hohn heran.
Kreuzung „ausreichend abgesichert“
„Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen bestehen keine Zweifel daran, dass der Einmündungsbereich ausreichend abgesichert war“, sagt der Ludwigsburger Polizeisprecher Steffen Grabenstein auf Nachfrage. Es sei ein Polizeibeamter mit einem Polizeimotorrad zur Absperrung eingesetzt gewesen, „was bei den örtlichen Gegebenheiten ausreichend war“. Warum die Autofahrerin an den stehenden Fahrzeugen vorbeifuhr und die von links kommende, bevorrechtigte Fahrzeugkolonne nicht gesehen oder nicht beachtet habe, sei weiterhin unklar.