Streit um Stromnetze Kommunen machen Front gegen die EnBW

Bittet Kretschmann um Beistand gegen EnBW: Freiburgs OB Martin Horn Foto: dpa/Philipp von Ditfurth

Der Streit um Stromnetze mit der EnBW eskaliert: Dutzende Bürgermeister fordern Ministerpräsident Kretschmann nun zum Eingreifen auf. Der landeseigene Konzern sieht das komplizierte Konzessionsrecht als Ursache.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Behindert der landeseigene Energiekonzern EnBW die Energiewende, weil er immer wieder langwierige Prozesse um die Vergabe von Stromkonzessionen führt? Dieser Vorwurf wird jetzt von südbadischen Kommunen, vom Dachverband der Stadtwerke und aus der Landtagsopposition erhoben. Aktueller Anlass ist ein Rechtsstreit um die Vergabe des Stromnetzes in zehn südbadischen Kommunen. Angesichts von drei Dutzend Verfahren um EnBW-Firmen in den vergangenen Jahren, über die das Umweltministerium dem Landtag berichtete, wird das Agieren des Konzerns aber auch grundsätzlich hinterfragt. Die EnBW spricht von Einzelfällen angesichts von hunderten Vergabeverfahren und regt an, das komplizierte Konzessionsrecht zu vereinfachen.

 

In Südbaden verweigert die EnBW-Tochter Naturenergie die Herausgabe des Stromnetzes an die Netztochter des Konkurrenten Badenova (Freiburg). Obwohl die Gemeinden einen jahrelangen Rechtsstreit durch alle Instanzen gewonnen haben, werden sie nun in einen neuen Prozess gezwungen. Der Freiburger Oberbürgermeister Martin Horn – zugleich Aufsichtsratschef von Badenova – und mehr als 50 Bürgermeister wenden sich daher in einem Brandbrief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Im Namen von 100 Städten und Gemeinden bitten sie ihn dringend um Unterstützung. Über die Landesbeteiligung an der EnBW solle er dafür sorgen, dass das Stromnetz rasch übergeben werde.

„Staatliche Gelder im Gerichtssaal verplempert“

In dem Brief äußert sich Horn „fassungslos“ über die Rolle der EnBW-Tochter, deren Verhalten er „befremdlich und absolut inakzeptabel“ nennt. Die „aktive Blockade nach rechtsstaatlichen Urteilen“ sei für die Kommunen eine schwere Belastung. Ihnen entstünden durch die Rechtsstreitigkeiten siebenstellige Kosten, die man lieber in die Energiewende investieren würde. Nachdem alle Gesprächsmöglichkeiten ausgeschöpft seien, könne nur noch Kretschmann helfen. Der Brief ging auch an EnBW-Chef Georg Stamatelopoulos und Umweltministerin Thekla Walker (Grüne).

Unterstützung kommt vom Landesverband Kommunaler Unternehmen (VKU), dem Dachverband der Stadtwerke. Die Bürger dürften „nicht den Eindruck gewinnen, dass staatliche Ebenen gegeneinander kämpfen“, betont der Geschäftsführer Tobias Bringmann. Die Herausforderungen bei der Energiewende seien so gewaltig, „dass alle Akteure konstruktiv zusammenarbeiten müssen“. Juristische Hahnenkämpfe nützten niemandem. „Unnötiges Verplempern staatlicher Gelder in Gerichtssälen“ könne man sich nicht leisten, dadurch werde Vertrauen in staatliches Handeln zerstört. Angesichts der bevorstehenden Kapitalerhöhung für den Landeskonzern erscheine dies „besonders hässlich“, fügt Bringmann hinzu.

SPD-Frau sieht Desinteresse bei Regierung

Die Landtags-SPD sieht dies ähnlich. „Jeder Konzessionsstreit belastet die Dynamik der Energiewende“, sagt die Freiburger Abgeordnete Gabi Rolland. Die Landesregierung müsse ein besonderes Interesse daran haben, dass ihre ehrgeizigen Ziele umgesetzt würden. Per Anfrage hat sich Rolland nach dem Streit um die südbadischen Stromnetze, aber auch nach solchen Streitigkeiten insgesamt erkundigt. Umweltministerin Walker antwortete, die EnBW sei „ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das vollständig im Wettbewerb steht“. Auf das operative Geschäft habe das Land als Großaktionär keinen Einfluss.

Nach ihren Angaben gab es seit 2021 mindestens 39 gerichtliche Rechtsstreitigkeiten um Konzessionsvergaben. In 35 Fällen „tritt bzw. trat ein Netzbetreiber des EnBW-Konzerns als Kläger auf“. Es sei nicht auszuschließen, dass solche Prozesse „Investitionen in die Netzinfrastruktur verzögern können“, so die Ministerin. Die SPD-Frau Rolland bescheinigte der Regierung Desinteresse und forderte, sie solle sich „dringend um diese Frage kümmern“.

EnBW: nur Bruchteil der Fälle landet vor Gericht

Ein EnBW-Sprecher betonte, die verschiedenen Netzbetreiber im Konzern seien „natürlicher Partner von vielen hundert Kommunen im Land“. Kommunale Belange würden „außerordentlich hoch bewertet und beachtet“. Gleichwohl könne es im Einzelfall zu Differenzen über rechtliche Fragen kommen. In zahlreichen Konzessionsverfahren habe man in den vergangenen Jahren sowohl gewonnen als auch verloren.

„Nur ein Bruchteil davon wird irgendwann vor Gericht verhandelt.“ Wenn man unfaire Bedingungen und rechtliche Fehler sehe, sei man verpflichtet, sich zu wehren.

Hintergrund des Streits ist aus Sicht der EnBW die mangelnde Rechtssicherheit bei Konzessionsvergaben. Im Gesetz seien keine klaren Kriterien dafür aufgestellt, sodass nur der Weg über Rügen und Klagen bleibe. Auch bei den Kommunen registriere man „eine erhebliche Verunsicherung und Verärgerung“ über die hochkomplexen Rahmenbedingungen. Die EnBW bemühe sich auf verschiedenen Wegen, diese zu vereinfachen.

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