Die einen sagen, sie sieht aus wie ein Panzerübungsplatz, die anderen finden sie einfach nur ekelhaft und für wieder andere ist sie die Lebensader ihres Bezirks. Unsere Autorin hat sich auf die Suche nach den Schandflecken und Schönheiten der Schwabstraße gemacht.

Stadtkind: Tanja Simoncev (tan)

Die Schwabstraße soll hässlich und ekelhaft und „total assi“ sein. So steht’s in den Kommentarspalten unter Beiträgen unserer Zeitung. What?! Diese Straße ist Legende und Leben pur, betonen nicht nur die Menschen, die wie ich, in Stuttgart-West wohnen. Oder vielleicht doch?!

 

Man muss sie tatsächlich öfter als einmal erlebt haben, auf ihr spaziert und in die angesagten Spots der Stadt hineingestolpert sein, die sich an ihr nur so entlang reihen, um ein Gefühl für sie zu bekommen.

Schwabstraße Stuttgart: Wirklich nur „hässlich und assi“?

Denn von diesen angesagten Spots gibt es in der Schwabstraße in Stuttgart-West gar nicht mal so wenige. Ganz im Gegenteil! Lässt man sich vom Schwabtunnel „hinunterrollen“, fällt man von einem coolen Café ins andere, begibt sich auf kulinarische Weltreise, wenn man so will, und kann hier seine Italiensehnsucht mehr als stillen. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Ihr merkt: Ich liebe und fühle diese Ecke der Stadt sehr.

Sie ist mein Zuhause, hier kenne ich mich aus, ziehe mein Kind groß und weiß zu schätzen, was sie alles zu bieten hat – meine „Schwabi“. „Viele können nicht verstehen, was ich an ihr finde“, wusste nicht nur Max Herre in „1ste Liebe“ zu rappen. Nein, auch ich kenne das Gefühl.

Und natürlich muss ich zugeben, gibt es Momente, da bin richtig sauer, dass es hier manchmal abgeht wie im Mittelalter, dass die Leute herumschreien und überall hinpinkeln, wann und wo ihnen gerade danach ist.

Problemzonen im Kiez: Was an der Schwabstraße stört

Ich witzele dann mit den Café-Baristas und Kiosk-Betreiber:innen meines Vertrauens darüber, dass die Kids, die hier aufwachsen, direkt abgehärtet werden für ihren obligatorischen Umzug nach Berlin (und zurück). Naja. Das beste Gefühl hat man dabei nicht.

Was ist zum Beispiel auch mit dem Parkhaus beim Penny, warum stinkt es dort immer so übel nach Urin? Da hat man gerade noch den leckeren Phô-Duft vom Senasia in der Nase und zwei Meter weiter dann die volle Pipi-Keule.

Warum riecht es hier immer nach Urin? Foto: Stadtkind Stuttgart/Tanja Simoncev

Auch der Anblick des Bismarckplatzes tut manchmal weh. Die Schwabstraße wirkt hier wie ein Dorn im Auge, weil sie den Platz ganz brachial in zwei Hälften schneidet. Und die rechte Seite – von der S-Bahn-Haltestelle kommend – wirkt irgendwie total verwahrlost. Das ist einfach sehr schade! Vor allem, weil hier lange die Sonne scheint, bis in den Abend hinein.

Schade, dass der Bismarckplatz kein richtiger Platz ist. Foto: Stadtkind Stuttgart/Tanja Simoncev

Kulinarische Vielfalt: Angesagte Spots in Stuttgart-West

Aber auf der anderen Seite – und das ist wortwörtlich gemeint – findet einfach das beste Leben überhaupt statt. Zum Beispiel beim Fragola, wo ich am Wochenende mit Cappuccino und Croissant in den Tag starte. Italien-Vibes pur. Mit dem ganzen Kitsch und Sammelsurium an Menschen, das hier zusammenkommt: bellissimo.

Auch die Metzgerei, das Gustav, Lumen und Wyld dürfen nicht unerwähnt bleiben, die guten Kaffee mit idyllischer Atmosphäre kombinieren. Zum Beispiel der Hinterhof im Gustav: Ist der nicht ein Träumchen?

Die beste Buslinie der Stadt fährt auf der Schwabstraße. Foto: Stadtkind Stuttgart/Tanja Simoncev

Es gibt frische Blumen zu kaufen, die beste Buslinie der Stadt – 42 – fährt hier entlang und vom Hölderlinplatz – dem „besseren Westen“ – müssen wir gar nicht erst anfangen. Schöner wird’s nicht.

Obwohl... da wäre noch Stuttgarts hübschester Kinderbuchladen: das Buchstäbchen. Daneben der Allesraum. So herrliche Orte, um Geschenke zu finden und besondere Kleinigkeiten für Kind und Kegel.

Ein besonderer Ort: Das Buchstäbchen! Foto: Stadtkind Stuttgart/Tanja Simoncev

Die Schwabstraße vereint bestimmt zwei Seiten – und das natürlich auch wortwörtlich – miteinander. Aber unterm Strich ist sie Dreh- und Angelpunkt und die pulsierende Lebensader des Stuttgarter Westens.

Dass der erste Eindruck, wenn man von der S-Bahn-Station empor steigt, mit Schreihälsen und Wildpinklern nicht gerade der beste ist, kann ich komplett nachvollziehen. Aber wie so oft im Leben gilt doch: Gib der Schwabstraße eine zweite Chance, sie verdient nichts anderes!