Studie zu Stuttgarter Kaufhof-Filiale Der Kaufhaus-Rohbau hat Potenzial
Zwischennutzung, Abriss, Neubau? Eine nun vorgestellte Studie nimmt die Bausubstanz der Kaufhof-Filiale in der Eberhardstraße unter die Lupe. Ihr Fazit ist eindeutig.
Zwischennutzung, Abriss, Neubau? Eine nun vorgestellte Studie nimmt die Bausubstanz der Kaufhof-Filiale in der Eberhardstraße unter die Lupe. Ihr Fazit ist eindeutig.
Zuletzt war hier im Dezember was los. Ende vergangenen Jahres machte das Stuttgarter Theaterkollektiv Lokstoff die ehemalige Kaufhof-Filiale an der Eberhardstraße zur Bühne und brachte dort die düstere Atmosphäre von Kafkas „Verwandlung“ mit der Tristesse des verlassenen Konsumtempels zusammen. „Vorher/nachher“ heißt die Lokstoff-Parabel auf die Veränderung der Welt.
Der Titel des Kafka-Abends passt perfekt zur aktuellen Situation des Gebäudes. Als Kaufhaus gebaut und viele Jahrzehnte so genutzt, geht es nach der Übernahme durch die Stadt Stuttgart um die Frage, was künftig mit und in dem Gebäude passieren soll. Immerhin kostete diese Ecke samt angrenzendem Parkhaus an der Steinstraße 58,5 Millionen Euro. So viel hat die Stadt dem inzwischen insolventen und inhaftierten Immobilienunternehmer Benko und seinem in Konkurs befindlichen Signa-Imperium bezahlt.
Ein Gutachten im Auftrag der Stadt sollte den Zustand die Bausubstanz der Kaufhof-Filiale untersuchen. Die Ergebnisse dieser Bestandsuntersuchung unter der Regie der Immobilienberatung Albrings + Müller AG liegen vor. Peter Holzer, der Leiter des Hochbauamts, stellte sie nun im Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik Stadträten vor.
Die wichtigsten Erkenntnisse: Die Bausubstanz ist in gutem Zustand und bietet, was Geschosshöhen, Traglast der Decken und ihr Stützenraster angeht, Potenzial für künftige Nutzungen. Die dann höheren Anforderungen an die Erdbebensicherheit scheinen durch Eingriffe in den Rohbau möglich. Ein Restrisiko stellt ein Wassereintritt im Keller des Gebäudes dar, der eine vertiefte Planung erfordert.
Das Fazit der Studie fasst Holzer am Telefon so zusammen: „Die Substanz ist aus unserer Sicht erhaltenswert“, sagt der Hochbauamtsleiter. „Der Rohbau ist damit quasi gratis.“ Mehr als der Rohbau, folgt man Holzer, wird vom Kaufhaus nicht bleiben. „Die Gebäudehülle hat mit klimaneutralem Bauen nichts zu tun“, sagt er: „Die Gebäudetechnik ist veraltet und nicht mehr betreibbar. Das Haus wurde auf Restlaufzeit betrieben.“ Das lecke Dach werde gerade mit einer Notabdeckung abgedichtet.
Weil auch die Sprinkler- sowie die Brandschutzanlage nicht mehr richtig funktionierten und die Rolltreppen einen Luftraum durchs ganze Haus schnitten, beschränke sich eine mögliche Zwischennutzung, wie Holzer erklärt, auf die zwei Erdgeschosszonen entlang der Schaufenster hin zur Eberhardstraße und der Breiten Straße. Die fünf Geschosse darüber scheiden für temporäre Projekte aus. „Das Gebäude ist als Kaufhaus genehmigt“, sagt Holzer. „Für alles andere braucht man eine neue Baugenehmigung. Diese würde ohne große bauliche Investitionen kaum erteilt werden. Damit ist auch eine temporäre Nutzung in den Obergeschossen kaum machbar.“
Für den Hochbauamtsleiter drängt sich deshalb eine schnelle Lösung auf: „Damit das ein lohnendes Projekt wird, sollte schnell klar sein, was hier reinsoll.“ Auch eine schnelle Bespielung der Erdgeschosszonen empfiehlt Holzer: „Ich glaube, dass alle etwas von einem belebten Gebäude haben.“ Der Erhalt des Kaufhaus-Rohbaus würde nicht nur sogenannte graue Energie sparen und die Umwelt schonen. An einem Querschnitt des Gebäudes zeigt Holzer die beeindruckenden Dimensionen des insgesamt 10-stöckigen Gebäudes, das mit drei unterirdischen Geschossen tiefer als der benachbarte Stadtbahn-Tunnel liegt. Dessen Standsicherheit und auch die benachbarter Gebäude würde ein Abriss bis in diese Tiefen beeinträchtigen; zudem könnte man auf die Mineralwasserzone treffen.
Beim Kaufhof-Parkhaus wird in der Bestandsuntersuchung dagegen zumindest ein Teilabriss empfohlen. Es weiterzubetreiben, gilt wegen seines auffallend schlechten Verhältnisses von Rampen und Nutzflächen als keine angeratene Lösung. Oberirdisch ließe sich hier durch einen Neubau eine hochwertigere Nutzung und ein größeres Bauvolumen realisieren, zeigt die Studie auf.
Die unterirdischen Geschosse seien in ihrer Substanz durch Wasser und Streusalzeintrag zwar „massiv geschädigt“, sie werden wegen sicherheitsrelevanter Mängel im Brandschutz aber auch gar nicht als Parkflächen genutzt. Ihr Abriss sei dennoch zu diskutieren, unterstreicht Holzer, da die Durchfahrt zu benachbarten Garagen garantiert und für die Zeit des Rückbaus Ausweichlösungen gefunden werden müssten.
Geschichte
Der berühmte Schocken-Vorgängerbau von Erich Mendelsohn mit dem abgerundeten Treppenhaus wurde 1960 abgerissen. Der Merkur-Neubau in der Eberhardstraße wies die markante Eiermann-Fassade mit den typischen Waben auf. Hortenkachel heißen sie nach dem Unternehmer, der die Warenhauskette 1953 übernommen hatte. Später wurde die Fassade teilweise geöffnet, die Eiermann-Elemente 1982 entfernt. Im Januar 2023 wurde die Kaufhof-Filiale geschlossen.
Dachgrün
Der empfohlene Abriss des Parkhauses in der Steinstraße würde auch den Streit über sein Dach beenden. Auf Initiative der Grünen im Gemeinderat wurde auf dem obersten Parkdeck im vergangenen Sommer in einen Minigarten investiert. Aus Sicherheitsgründen war dieser „Pocket Park“ aber nicht öffentlich zugänglich. Im Oktober wanderten die Pflanzen ins Winterquartier, ohne dass sie jemand gesehen hatte. In diesem Sommer soll der Park zurückkehren, Ende des Monats entscheiden die Stadträte über eine Vorlage der Verwaltung. In der Kritik waren neben fehlendem Zugang die hohen Kosten: 2024 lag die Planung bei 80 000 Euro für Pflanzen, Pflege und Wachdienst.