Erweiterungen der Hauptschlagader erhöhen das Risiko, dass das größte aller Blutgefäße reißt – mit lebensgefährlichen Folgen. Das Robert-Bosch-Krankenhaus startet nun eine Studie zur besseren Früherkennung von Veränderungen der Aorta.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Nora Göbel spritzt etwas Gel auf den Diagnosekopf des Ultraschallgeräts und fährt langsam über den Brustkorb von Uwe Hellmann. Auf dem Monitor erscheint das Bild, das mithilfe der reflektierten Schallwellen erzeugt wird. Die Ärztliche Leiterin des Aortenzentrums am Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) zeigt mit dem Finger auf eine Stelle in der Mitte des Bildschirms, auf dem man als medizinischer Laie nur undeutliche Schemen erkennen kann: „Das hier ist die Aorta.“

 

Göbel zieht auf dem Monitor einen grünen Strich zwischen den Gefäßwänden, um die Dicke des größten aller Blutgefäße zu messen. „31 Millimeter – das ist ein unauffälliger Wert“, sagt die Medizinerin, bevor sie sich der Untersuchung der Aorta im Bauchraum widmet. Hellmann dreht sich dazu von der Seite auf den Rücken. Auch in diesem Abschnitt seiner Hauptschlagader entdeckt Göbel keine bedenklichen Veränderungen.

Die Untersuchung dauert 15 Minuten

Hellmann ist einer der ersten Probanden, deren Aorta im Rahmen einer Studie am RBK untersucht wird. Seine Frau habe ihm gesagt, dass so eine Untersuchung in seinem Alter sinnvoll sei, erzählt der 74-Jährige. Nun ist er froh, dass mit seiner Hauptschlagader alles in Ordnung ist. Draußen warten schon die nächsten Studienteilnehmer auf die Untersuchung, die rund 15 Minuten dauert.

Die Studie, die am Mittwoch begonnen hat, soll Aufschluss darüber geben, wie verbreitet Erkrankungen der Aorta in der Bevölkerung von Stuttgart und Umgebung sind und wie ein Programm zum Aorten-Screening bei der Früherkennung helfen könnte. Konkret suchen die Mediziner nach sogenannten Aneurysmen, die im Ultraschall als Verdickungen der Aorta sichtbar sind.

Diese Erweiterungen oder Aussackungen erhöhen das Risiko, dass das Blutgefäß aufreißt oder platzt. Dabei tritt in kürzester Zeit ein bedrohlicher Blutverlust auf, der in vielen Fällen zum Tod führt. „Die Sterblichkeitsrate bei einem geplatzten Aneurysma liegt zwischen 80 und 90 Prozent“, erklärt Göbel. Sie vermutet zudem, dass geplatzte Aneurysmen in vielen Fällen gar nicht als Todesursache erkannt werden, weil hierzulande nur relativ wenige Obduktionen vorgenommen werden. Deshalb sei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen.

Entdeckung oft nur durch Zufall

Das Tückische an einem Aneurysma der Aorta ist, dass es in aller Regel keine Beschwerden hervorruft und deshalb oft unerkannt bleibt. In vielen Fällen kämen gefährliche Veränderungen der Hauptschlagader nur durch Zufall bei anderen Untersuchungen zum Vorschein, sagt Göbel.

Die Häufigkeit von Aorten-Aneurysmen nimmt mit dem Alter zu. Weitere Risikofaktoren sind Bluthochdruck und Rauchen sowie in seltenen Fällen das erbliche Marfan-Syndrom, das unter anderem zu einer Gefäßschwäche führt. Auf Basis bisheriger nationaler Screening-Programme gehe man davon aus, dass bei bis zu fünf Prozent der Bevölkerung eine Erweiterung der Bauch-Aorta vorliegt, sagt Göbel. Männer sind demnach etwa viermal häufiger davon betroffen als Frauen. Der Anteil behandlungsbedürftiger Fälle liege in der Gesamtbevölkerung ungefähr bei einem Prozent.

Zur Häufigkeit von Aneurysmen der Aorta im Brustraum liegen laut Göbel deutlich weniger Daten vor als bei jenen im Bauchraum. Bislang gehe man davon aus, dass zwischen einem und zehn Prozent der Bevölkerung betroffen seien, so Göbel. Der Anteil von Männern und Frauen dürfte dabei ähnlich hoch liegen – „aber genau wissen wir das nicht“.

Bessere Früherkennung als Ziel

Das Screening-Programm am Robert-Bosch-Krankenhaus, für das derzeit noch Teilnehmer gesucht werden, soll dabei helfen, die dürftige Datenlage zu verbessern. Die Studie ist langfristig angelegt – nach fünf und zehn Jahren sollen die Ergebnisse analysiert werden. Die gewonnenen Daten sollen auch dazu beitragen, Aortenerkrankungen frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig zu behandeln, sagt Nora Göbel: „Früherkennung rettet Leben.“

Die bisherigen Programme zur Früherkennung von Aneurysmen sind allerdings recht lückenhaft. Aktuell tragen die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland nur bei Männern ab 65 Jahren die Kosten eines Ultraschall-Screenings zur Früherkennung von Aneurysmen der Aorta im Bauchraum. Für die Brustraum-Aorta sowie für jüngere Versicherte gibt es kein derartiges Programm.

Wird ein gefährliches Aneurysma rechtzeitig entdeckt, kann die Hauptschlagader beispielsweise mit Gefäßstützen verstärkt werden, um ein Platzen zu verhindern. Falls erforderlich, lassen sich einzelne Abschnitte auch komplett durch Prothesen ersetzen. Bei vorbeugenden Operationen seien die Überlebensraten viel höher als bei Notfalloperationen infolge eines geplatzten Aneurysmas, sagt Göbel, die schon viele dieser Eingriffe vorgenommen hat.

Teilnahme an der Studie

Voraussetzungen
 Die Teilnehmer müssen mindestens 18 Jahre alt und einwilligungsfähig sein. Vor der Untersuchung müssen sie eine Einwilligungserklärung unterschreiben. Darin stimmen sie auch der anonymisierten Verwendung der Ergebnisse im Rahmen der Studie zu. Die Teilnahme ist kostenlos.

Termine
Die Ultraschalluntersuchungen finden immer mittwochs zwischen 8 und 16 Uhr im Aortenzentrum des Robert-Bosch-Krankenhauses statt. Interessierte melden sich im Sekretariat (Raum 9831). Eine Voranmeldung ist nicht erforderlich. Bei Bedarf können auch individuelle Termine vereinbart werden. Die Teilnehmer erhalten die Ergebnisse direkt im Anschluss an ihre Untersuchung.

Risiko
Eine Ultraschalluntersuchung gilt als risikolos. Im Gegensatz zu vielen anderen bildgebenden Verfahren wie Röntgen oder Computertomografie ist sie mit keinerlei Strahlenbelastung verbunden.