Helena Reich ist oft umgezogen, hat drei Berufe und schreibt spannenden Prag-Krimis.

S-Ost - Dr. Magdalena Axamit ist Rechtsmedizinerin, Mutter, attraktiv, sozusagen zurückgekehrte Exil-Tschechin – und sie hat eine traumhafte Wohnung in Prag. Nachdem das Rätsel um eine Mumie, das in einer Mordserie endet, gelöst ist, trinkt sie auf der nicht weniger traumhaften Terrasse mit Kommissar David Andel ein Glas Sekt – und gibt dem schönen Mann den ersten zärtlichen Kuss. Das ist das Happy End des ersten Prag-Krimis von Helena Reich mit dem Titel „Nasses Grab“. Die Wohnung samt Terrasse musste sich die jetzt im Stuttgarter Osten lebende Schriftstellerin nicht ausdenken. „Die Wohnung gibt es wirklich“ – es war ihre eigene, als sie in Prag lebte. Am Freitag ist Helena Reich Premierengast bei der neuen Lesungsreihe „Text & Extra“ im Muse-O in Gablenberg. Dabei stellt sie ihren dritten Prag-Krimi vor, zeigt von ihr selbst künstlerisch verfremdete Bilder von den tschechischen Originalschauplätzen und wird sicher auch Geschichten aus ihrem bewegten Leben erzählen.

 

Die Frau, die sich mit einem kurzen „Reich“ vorstellt, heißt in Wirklichkeit Nicole Jäger-Koydl wurde 1965 in Böhmen, also in der damaligen Tschechoslowakei, geboren. Aufgewachsen ist sie in München, weitere Stationen waren Bonn, Berlin und Prag, bevor sie vor fast genau drei Jahren nach Stuttgart kam. Der Grund für die relativ häufigen Umzüge war ihr Mann. Martin Jäger war einst der Pressesprecher des damaligen Außenministers Frank Walter Steinmeier, wechselte vor drei Jahren vom Auswärtigen Amt zu Daimler und ist jetzt dort selbst sozusagen der Konzern-Außenminister, der Leiter Global External Affairs and Public Policy.

Die Krimi-Terrasse gibt es wirklich

Den Umzugstermin weiß die Schriftstellerin, die Mutter von zwei Kindern ist, noch auf den Tag genau. „Das war zwei Tage nach Winnenden, das merkt man sich“, sagt sie. Sie hat Politik, Amerikanistik und Geschichte studiert, als Journalistin unter anderem für die Süddeutsche Zeitung und The Prague Post gearbeitet und hat auch eine abgeschlossene Ausbildung zur Heilpraktikerin, acht Jahre lang arbeitete sie in Berlin „als klassische Homöopathin“, erzählt sie, die auch gerne im Medizinjournalismus gearbeitet hätte. „Ich fand es aber spannender, das zu machen, als darüber zu schreiben“.

Die Idee zu ihrem ersten Prag-Krimi hatte sie auf eben jener Terrasse, mit der „Nasses Grab“ endet. „Ich hatte während des Jahrtausendhochwassers in Prag im Jahr 2002 eine kleine Zeitungsmeldung gelesen. „Darin stand, dass das Wasser Särge aus der Prager Metro gespült hätte.“ Sie recherchierte die Geschichte für die Zeitung. Dort wollte den Text aber niemand, „weil die Zitate fehlten“. Keiner ihrer Ansprechpartner hatte seinen Namen in der Zeitung lesen wollen. Die Geschichte ließ sie aber nicht mehr los. Als sie das Manuskript fertig hatte, schickte sie es an ihren jetzigen Verlag, Blanvalet in der Verlagsgruppe Random House, die zu Bertelsmann gehört. Neun lange Monate gab es keinerlei Reaktion. Dann klingelte eines Tages ihr Telefon, ihre jetzige Lektorin war dran und sagte: „Wir würden Ihnen gerne einen Vertrag anbieten, allerdings unter einer Bedingung: Wir wollen mehr davon.“

Stammkundin in der Ostend-Buchhandlung

Die Reihe um Kommissar David Andel und die Pathologin Magda Axamit umfasst mittlerweile drei Bände, auf „Nasses Grab“ folgten „Engelsfall“ und kurz vor Weihnachten 2011 „Reinen Herzens“. Aus diesem letzten Band wird Helena Reich am Freitag im Muse-O lesen. Die Lesung bildet den Auftakt einer Veranstaltungsreihe mit dem Titel „Lesung & Extra“, die der Museumsverein zusammen mit der Ostend-Buchhandlung organisiert. In dieser Mischung aus Lesung und anderen Kunstformen sollen künftig bis zu fünfmal im Jahr Autorinnen und Autoren Texte vorstellen, die im weitesten Sinne etwas mit dem Stuttgarter Osten zu tun haben.

Der Kontakt zu Helena Reich kam über ihre Vermieterin zustande, die ihre Bücher immer in der Ostend-Buchhandlung kauft. Dort gehört Helena Reich inzwischen auch zu den Stammkunden – und sie freut sich schon auf Freitag. „Ich lese für mein Leben gern vor“, sagt sie. Das macht sie täglich für ihre acht und zwölf Jahre alten Kinder. Kürzlich war sie bei der Leipziger Buchmesse und am Sonntag wird sie im Rahmen des Krimifestivals München bei einer „Böhmischen Kriminacht“ im Restaurant Kranz lesen.

Mitten in der europäischen Zivilisation

Helena Reich fühlt sich da zuhause, „wo ich meinen Mantel aufhänge, wo Menschen sind, die ich gerne mag“. In Stuttgart fühlt sie sich wohl, nicht nur, weil es hier wie in Prag Weinberge mitten in der Stadt gibt. „Eines der erstaunlichsten Dinge hier ist, dass Stuttgart sehr sauber ist“, stellt sie nach ihren Berlin- und Prag-Erfahrungen fest. „Es gibt kaum Hundehaufen, kaum Graffiti.“ Und man werde hier nicht so angepflaumt, wie etwa in Berlin. Noch viel wichtiger ist ihr aber etwas anderes: „Hier hat man viel mehr als in Berlin das Gefühl, mitten in der europäischen Zivilisation zu sitzen.“ Frankreich sei nah, Italien, das Mittelmeer. „Hier weiß man gar nicht, wo man noch überall hin kann.“

Die Autorin hat gerade eine Kurzgeschichte fertig geschrieben, für eine Anthologie ihrer Kollegin Gudrun Weitbrecht mit dem Arbeitstitel „Mörderische Adventszeit“, die vermutlich im Spätherbst erscheinen wird. Ideen für ihren vierten Prag-Krimi hat sich auch schon, die müssen aber noch reifen. Und ein Sachbuch will sie auch einmal schreiben. Eines scheint aber fast sicher zu sein: Den Beruf wird sie so schnell nicht mehr wechseln. Helena Reich: „Schriftsteller ist schwer zu toppen.“

Lesung Helena Reich liest aus ihrem neuen Krimi „Reinen Herzens“ am Freitag, 23. März, 19 Uhr, im Muse-O, Gablenberger Hauptstraße 130, Eintritt 6 Euro (www.muse-o.de)