Sie haben die Zeit eingefroren: im Krieg wie Gerda Taro und Hans Hildenbrand, im Weinberg wie Friedrich Eisele und als Produzenten wie Kodak und Kino-Bauer. Eine Ausstellung im Stadtpalais erkundet die reiche Fotografiegeschichte Stuttgarts.

Es ist makaber und blutrünstig – und heute unvorstellbar. In einer Vitrine liegen die Reste einer Kaugummischachtel, eine Sammlerkarte von 1938: „Wahre Geschichten aus dem modernen Krieg.“ Darauf ist zu sehen, wie ein Panzer die Stuttgarter Fotografin Gerda Taro überrollt.

 

In Philadelphia berühmt, in Stuttgart unbekannt

Die erste weibliche Kriegsberichterstatterin starb 1937 während des Spanischen Bürgerkriegs. In Philadelphia bei Gum Incorporated war dieser frühe Tod der „hübschen Gerda Taro“ ein Verkaufsargument. In Stuttgart war sie kaum bekannt, das hat sich geändert. Und so sind in der Ausstellung „Klick – Blicke in die bemerkenswerte Stuttgarter Fotogeschichte“ im Stadtpalais auch die Reportagen in der „Volks-Illustrierten“ und „Regards“ mit ihren Fotos zu sehen.

Der Tod von Gerda Taro als Sammelbild Foto: Archiv Stadtpalais

Das sei natürlich keine Frage gewesen, sagen Ulrich Gohl, Inken Gaukel und Klaus Enslin von der Arbeitsgemeinschaft Stadtgeschichte. Alle zwei Jahre gestalten sie eine Ausstellung im Stadtpalais, dieses Mal also die Fotografie. Wegen der immensen Bedeutung, man denke nur an Kodak, aber auch weil die Historiker aus den Stadtbezirken viel beitragen können. Ihr Anliegen ist nicht die Bedeutendsten der Bedeutenden zu zeigen, sondern einen Querschnitt durch die Stadt. Viele verschiedene Teile, die sich zu einem Bild zusammensetzen sollen. So wie es der spätere Hoffotograf Friedrich Brandseph 1868 gemacht hat. Damals freute man sich in Degerloch über eine reiche Traubenernte. Der 7. Oktober wurde zum Festtag erklärt. Brandseph gestaltete deshalb ein Foto mit 370 Degerlochern. Schon damals war es so, dass man seinen Augen nicht trauen durfte beim Anblick eines Fotos. Das 30 mal 40 Zentimeter große Bild war eine Montage. Brandseph hatte Gruppe für Gruppe einzeln im Studio fotografiert, dies dann zusammengeklebt und Zwischenräume und Hintergrund ausgemalt. Fürs Rathaus in Degerloch entstand eine Kopie von 100 mal 125 Zentimetern. Sie ist zu sehen. Das Original ist im Stadtarchiv.

Eine Reportage mit Fotos von Gerda Taro und Robert Capa Foto: Regards
An der Front Foto: Hans Hildebrand

Weiter weg zog es Hans Hildebrand. Er war einer der Pioniere der Farbfotografie und hatte sich von den Autochrome-Platten der Bruder Lumière begeistern lassen. Während des Ersten Weltkriegs war er einer von 19 offiziellen Kriegsfotografen des Deutschen Heeres – und der einzige, der in Farbe arbeitete. Nach dem Krieg reiste er, war auf dem Balkan, in Afrika, war Haus-und-Hof-Fotograf von „National Geographic“.

Rebflurbereinigung Foto: Friedrich Eisele

Zu Hause blieb Friedrich Eisele. Er war Wengerter in Uhlbach – und wenn er in den Weinberg ging, hatte er die Kamera stets dabei. So dokumentiert er nach dem Krieg über Jahrzehnte hinweg den Wandel im Ort, von dörflichen Strukturen hin zu einer Schlafstadt für Angestellte und Arbeiter, vornehmlich natürlich beim Daimler. Und er war dabei, als die Mauern rausgerissen wurden, die Terrassen entfernt, die Rebflur bereinigt wird, damit man mit Maschinen schaffen kann.

Arbeiterkinder beim Sonnenbaden Foto: Eugen Heilig

Dennoch, die Arbeit bleibt hart. Eugen Heilig kennt sich damit aus. Der Sohn eines Bierbrauers lernte, Druckstöcke herzustellen. Viel lieber aber fotografierte er: auf der Walz, heimlich im Ersten Weltkrieg. Er gründete die KPD-Ortsgruppe in Stuttgart mit, fotografierte in Fabriken, dokumentierte das Leben der Arbeiter, schmuggelte seine Kamera mit hinein, um in Reportagen die schlechten Bedingungen zu dokumentieren. Er war sozusagen ein früher Wallraff. Seine Fotos erschienen in der „Arbeiter-Illustrierten-Zeitung“, für die Heilig später hauptberuflich arbeiten sollte. Er geriet ins Visier der Nazis, wurde mehrfach verhört, zog nach dem Krieg in die DDR, wo er 1975 starb.

Ein Unfall anno 1950 Foto: Polizeimuseum

Natürlich darf Kodak nicht fehlen, auch die Hauff’sche Fabrik in Feuerbach, Ludwig Windstoßer und Robert Bothner, lange Jahre Leiter der Landesbildstelle, die ersten Farbaufnahmen aus Cannstatt, die Internationale Ausstellung „Film und Foto“ des Werksbundes von 1929 werden gewürdigt. Und auch das Polizeimuseum beteiligt sich: mit Fotos von Verkehrsunfällen. Doch keine Sorge, die sind nicht blutrünstig, es sind nur Blechschäden zu sehen.

Die Ausstellung „Klick“

Öffnungszeiten
Die Ausstellung „Klick – Blicke in die bemerkenswerte Stuttgarter Fotogeschichte“ ist im Stadtpalais noch bis zum 26. Januar zu sehen. Der Eintritt ist frei. Geöffnet ist von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, freitags von 10 bis 21 Uhr.