Die Krüge hoch! So heißt es nicht mehr überall in den Zelten. Champagner und Wein bieten dem Bier Paroli. Und auch der Brunnenwirt erobert das Frühlingsfest. Ein Streifzug.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Die Brauereien klagen über sinkende Umsätze. Selbst auf dem Cannstatter Wasen wird immer weniger Bier getrunken – denn die Konkurrenz der Winzer schläft nicht. Das Frühlingsfest ist kein reines Bierfest mehr. Wirt Karl Maier (Göckelesmaier) nennt einen Grund dafür: „Viele, nicht nur Frauen, wollen nicht mehr als eine Maß trinken.“ Die Wertmarken, die der Mindestverzehr vorsieht, werden nach dem ersten Bier zunehmend für Wein oder Sekt genutzt.

 

Über dem Hofbräu-Zelt steht erstmals „Beim Benz“ in großen Lettern. Marcel Benz hat seinen langjährigen Vorgänger Hans-Peter Grandl abgelöst, der mit Verlegerin Karin Endress vor über 20 Jahren den Trachtentrend nach Stuttgart brachte. Wirkt sich der Modewandel auf die Getränkeauswahl aus? Je mehr schicke Dirndl, je mehr Publikum vom Killesberg, desto größer die Nachfrage nach Schampus, Wein und Drinks. Ist das die Formel fürs Frühlingsfest?

Der Umsatz der alkoholfreien Biere steigt, ist aber immer noch gering

Gleichzeitig setzt sich der Trend zum alkoholfreien Feiern fort. Die Wirte berichten zwar von steigenden Umsätzen bei alkoholfreien Bieren. Aber deren Anteil sei im Vergleich zu traditionellen Bieren sehr gering.

Marcel Benz freut sich, dass der Namenswechsel von Grandl zu Benz zu keinem Rückgang der Reservierungen führt. Der neue Mann will mit neuen Ideen punkten. Auf Sylt, sagt er, lassen die Gäste die Nächte gern bei Champagner und Currywurst ausklingen. An diesem Vorbild orientiert er sich und und holt sich erstmals den Brunnenwirt ins Zelt – dort, wo Kessler Sekt ausschenkt.

Brunnenwirt goes Wasen – erstmals im Hofbräu-Zelt von Marcel Benz. Foto: Anton Richter

Die Kultlocation versammelt in der Altstadt bis in den frühen Morgen die soziokulturelle Vielfalt der Stadt– hier trifft sich alles, vom Vorstandschef bis zum Pförtner. Eine kleine Bude steht beim Benz im Zeltinneren ganz am Rand – dort, wo die neue Kessler-Bar ziemlich schick geworden ist. Das Original-Personal des Brunnenwirts grillt in der Wasen-Zweigstelle, die um 21 Uhr öffnet. Die legendäre Currywurst kostet fünf Euro, nicht viel mehr als am Stammsitz im Leonhardsviertel. Das neue Angebot ist ein Renner, freut sich Marcel Benz.

Ein Party-Hotspot des Frühlingsfestes vibriert auf der Empore der Almhütte Royal. Bei den Spitzbuben, so heißt die Bar von Tim Berkemer (Hi-Life) und Lorenz Grohe (Malo), läuft viel Techno, wenig Ballermann. „Bisher waren wir jeden Tag komplett ausgebucht“, berichtet Berkemer. „wir sind absolut happy.“ Von Konsumzurückhaltung spüre er bei seinen Gästen nichts, die kaum Bier bestellen, dafür umso mehr Wein, Longdrinks und Champagner. Werden Flaschen geordert, die 100 Euro oder mehr kosten, entzünden die Kellner ein kleines Feuerwerk und lassen Glitter regnen. Je später die Nacht, desto öfter funkelt es.

Es muss nicht immer Bier auf dem Wasen sein. Der Sektumsatz steigt beim Frühlingsfest. Foto: Anton Richter

Die Spitzbubenbar beflügelt die königliche Riesenhütte von Wirtin Nina Renoldi, die sich dazu noch über den neuen Standort freut. Sie darf erstmals näher an den Wasenparkplatz rücken, näher an die anderen Zelte. Thema auf dem Wasen ist, versteht sich, der frühe Volksfest-Ausstieg des Fürstenberg-Wirts Moritz Haake nach zwei Jahren, in denen er eine Million Euro „verbrannt“ hat. „Auch ich habe am Anfang Verluste gemacht“, sagt Renoldi, „man braucht einen langen Atem.“ Das Beispiel zeige, dass der Wasen trotz hoher Bierpreise keine Gelddruckmaschine sei, weil die Kosten immer weiter steigen und werktags oft wenig los ist.

Vor dem Zelt des Wasenwirts bildet sich schon nachmittags eine lange Schlange. Foto: ubo

Vor den Eingängen des Wasenwirts sind die Schlangen meist die längsten des ganzen Frühlingsfests. Juniorchef Norman Weeber freut sich, dass sein Zelt bei jungen Leuten so gut ankommt. Sein Publikum konsumiert vor allem Bier (das ist billiger als in allen anderen Zelten), so gut wie kein Schampus. Manche Gäste „glühen“ vor, um nicht mehr als den Mindestverzehr investieren zu müssen. In dieser Saison hat der Wasenwirt den Sender SWR 3 vor die Tür gesetzt, der bisher DJs geschickt hat.

In Radiokreisen heißt es, jahrelang hätten die Leute aus Baden-Baden das Zelt gefüllt und bekannt gemacht. Jetzt, da der Wasenwirt brummt, brauche man SWR 3 nicht mehr. Neuer Medienpartner ist Radio Energy – weil dieser Sender mehr junge Hörer hat?

Wer sich bei den drei Zeltwirten und der einen Zeltwirtin umhört, stößt überall auf Optimismus trotz schwieriger Zeit. Die Osterfeiertage seien zwar nicht so gut gelaufen, weil viele Menschen im Urlaub waren, doch jetzt gingen die Reservierungen erfreulich nach oben. Spiele das Wetter mit, werde es ein gutes Frühlingsfest, auf das man also anstoßen kann – ob mit Bier oder Schampus.