Der Stuttgarter Illustrationsprofessor Florian Bayer Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt
Ein illustrierter Erwachsenenroman auf der Bestsellerliste? Florian Bayer von der Stuttgarter Merz Akademie macht’s möglich. Für Ewald Arenz’ „Katzentage“ hat er sogar Katzen studiert.
Swantje Kubillus
09.10.2025 - 13:56 Uhr
Es ist Anfang Oktober, und die Semestereinführungen an der Merz Akademie sind in vollem Gange. Studierende streifen durch die Gänge, während Florian Bayer (44) gerade von einer der ersten Veranstaltungen zurückkommt. Doch nicht nur das akademische Leben geht wieder los: Der Professor für visuelle Kommunikation hat zurzeit allen Grund, sich zu freuen: Seit kurzem steht der Roman „Katzentage“, für den er die Illustrationen gemacht hat, auf der Spiegel-Bestsellerliste; ein schönes Buch voller starker Bilder, in allen Farben. Ganze Seiten umfassend schmücken sie den neuesten Roman von Ewald Arenz („Alte Sorten“, „Der große Sommer“). Es ist selten, dass ein Erwachsenenroman so umfangreich bebildert ist. Bei Kinder- und Jugendbüchern sei das normal, doch hier ist es etwas Besonderes, erzählt er.
Macht man das Buch auf, miaut die kleine schwarze Katze auf der ersten Seite einem beinah ins Gesicht, so lebendig kommt sie daher. Das treibt die Leselust schon mal an. Im Roman geht es um eine Ärztin und einen Juristen, die Kollegen und mehr sind. Während einer Dienstreise und nach einer gemeinsamen Nacht stranden sie in Würzburg und beginnen, Fragen zu ihrer Beziehung und zum Leben zu stellen – begleitet von der Katze.
Bayer hatte vorher keinen Bezug zu Katzen
„Ich habe sehr viele Skizzen von Katzen gemacht“, erzählt Bayer, „obwohl ich vorher nichts mit Katzen zu tun hatte“, und lacht. So musste er sich den tierischen Gefährten anders aneignen, nachdem der Verlag bei ihm angefragt hatte – mit jeder Menge Fotos und Modellstudien. Der Schauplatz Würzburg war für ihn zumindest vertraut. Dort hat er studiert und später auch gelehrt. Für seine Illustrationen durfte er mal wieder in die fränkische Stadt, besuchte dort die Schauplätze. Unter anderem fand er das Häuschen, in das die Protagonisten, Paula und Peter, behelfsmäßig ziehen.
Ein Blick ins Buch Foto: Dumont Verlag
„Ich arbeite wie ein Detektiv, wenn ich zeichne“, erzählt der studierte Kommunikationsdesigner. Für seine Recherchen setzt er Marker auf Google Maps und erkundet anschließend die Orte. So entgeht ihm nichts. Dabei interpretiert er manche Dinge sehr genau, während er anderen Raum lässt. So harmonieren auch die Bilder im Roman mit der Fiktion. Bayers naturalistischer Stil verbindet sich mit szenischem Erzählen, was seine Bilder sehr real wirken lässt.
„Guardian“, „Vanity Fair“ oder „11 Freunde“
Als Illustrator hat Bayer schon vieles erreicht: Er arbeitete für den „Guardian“, „Vanity Fair“ oder Mercedes-Benz, gewann bedeutende Preise. Für das Magazin „11 Freunde“ zeichnete er eine Reportage, die sich mit Berichten von Aussteigern aus der Neonazi-Szene im Fußball beschäftigt, und als er einige Jahre in Berlin lebte, hat er ein Projekt zur wild-verrufenen U-Bahn Linie 8 gemacht. Erst kürzlich kamen seine Illustrationen mit Motiven zum Stuttgarter Feuersee heraus. Lange Weile scheint eher nicht Teil seines Lebens zu sein.
Zur Illustration kam Bayer, der in Tübingen geboren und in Esslingen aufgewachsen ist, durch seinen Großvater, einen Holzbildhauer. Mit ihm verbrachte er viele Stunden und zeichnete einfach. Eine schöne Erinnerung für ihn. Dort lernte er zum Beispiel, dass Hände größer sein müssen, und wie man den Stift richtig hält. Es blieb haften. „Es ist einfach das Schönste für mich, in Ruhe dazusitzen und zu zeichnen“, sagt er, und scheint tatsächlich die Ruhe in Person zu sein. Die Sichtbarkeit, die er jetzt durch so ein Buchprojekt bekommt, würde vielleicht nicht nur seinem Opa imponieren.
Vielleicht noch das Cover für den „New Yorker“?
Als Professor beschäftigt sich Bayer im kommenden Semester mit dem Thema Comic als sequenzieller Erzählkunst, und damit, wie Studierende lernen, Erlebtes in Bildern umzusetzen – ein Leben für die Kunst.
Und was kommt als Nächstes? Da gibt es zwar schon etwas, wird aber noch nicht verraten. Und gibt es für den Illustrator noch etwa zu erreichen? „Das Cover für den ‚New Yorker‘, wäre schon noch was“, sagt er nach längerem Zögern – es sei aber auch okay, wenn er das nicht gemacht hat.