Mitarbeiter werfen dem Dönerhersteller Birtat vor, sie zum Austritt aus der Gewerkschaft gedrängt zu haben. Das Unternehmen weist die Vorwürfe zurück.

Ludwigsburg : Anna-Sophie Kächele (ask)

Während Kunden ihre vollen Einkaufswägen eilig durch die Eingangshalle des Ludwigsburger Kauflands schieben, platzt der kleine Gastraum des Dönergeschäfts Inter Kebap aus allen Nähten. Um Tische herum sitzen bis auf wenige Ausnahmen Männer, vor ihnen Pide mit Spinat und Ei. Die Luft ist warm – auch wegen des rotierenden Dönerspießes.

 

Es gibt angenehmere Gesprächssituationen, und dennoch scheint es für das Anliegen der Menschen genau der richtige Ort zu sein. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hat gemeinsam mit Mitarbeitern von Birtat Meat World SE, einem der größten Dönerspießhersteller Deutschlands mit Hauptsitz in Murr, zu einem Gespräch mit Presse und Politik eingeladen. Seit sie das Unternehmen im Februar zu Tarifverhandlungen aufgefordert haben, hat sich nichts an Arbeitsbedingungen und dem Gehalt geändert – aber sehr wohl am Arbeitsklima.

Wird der Gewerkschaftsaustrittbelohnt?

Während sich am Verhandlungstisch die Fronten verhärten, kommen schwerwiegende Vorwürfe auf, zu denen die Verantwortlichen von Birtat Stellung nehmen. Ihnen wird von Mitarbeitern vorgeworfen, die Beschäftigten in persönlichen Gesprächen eingeschüchtert zu haben, um sie zur Aufgabe ihrer Gewerkschaftsmitgliedschaft zu bewegen. Auch zu öffentlichen Diffamierungen einzelner Mitarbeiter soll es gekommen sein. „Bei denen, die in der Gewerkschaft bleiben, steht die Kündigung im Raum“, sagt einer der Mitarbeiter am Dienstagabend. Gerade auf die Kollegen, die sich im Betriebsrat engagieren, werde massiv psychischer Druck ausgeübt. Das Schreiben an die Mitarbeiter, denen eine Prämie von 200 Euro angeboten wird, sollten sie sich nicht an einem vollen Streiktag beteiligen, liegt der Redaktion vor. Die Geschäftsführerin der NGG-Region Stuttgart und Verhandlungsführerin Magdalena Krüger beobachtet zudem, wie seit Wochen die Gewerkschafts-Mitgliederzahlen sinken – „nicht in dem Ausmaß, dass die Tariffähigkeit gefährdet ist, aber es ist dennoch beunruhigend“.

Die Forderung: 375 Euro mehr. Die Geldscheine, die man solidarisch unterschreiben kann, werden am 24. Juni bei einer Protestaktion in der Stuttgarter Innenstadt verteilt. Foto: Simon Granville

Dabei auffallend: Angeblich werden den Birtat-Mitarbeitern immer wieder vorgefertigte Kündigungsschreiben für den Gewerkschaftsaustritt vorgelegt. Der Redaktion liegen mehrere davon vor. Es scheint, als ob die Mitarbeiter nur noch ihre NGG-Mitgliedsnummer eintragen und unterschreiben müssen – mehrere dieser Austritte sollen gesammelt an die NGG verschickt worden sein.

Cihan Karaman, Geschäftsführer von Birtat, weist die Vorwürfe zurück. Es sei zu keiner Zeit versucht worden, gewerkschaftlich organisierte Mitarbeitende durch unlautere Maßnahmen wie Einschüchterungen, Erzeugen von Drucksituationen und Androhung nachteiliger Folgen für das Arbeitsverhältnis oder für die Vergütung zur Aufgabe ihrer Gewerkschaftsmitgliedschaft zu bewegen. Zum Streikbonus und den vorgefertigten Kündigungsschreiben will sich das Unternehmen nicht äußern.

Mitarbeiter fordern höhere Löhne

Birtat fordert laut eigenen Aussagen, nicht mit der Gewerkschaft, sondern mit dem Betriebsrat verhandeln zu können. Die NGG verfolgt derweil energisch ihre Forderungen. Ursprünglich wollte die Gewerkschaft eine tarifliche Regelung und ein Einstiegsgehalt von 3000 Euro brutto. Doch je mehr Zeit verstreicht, in der mit Birtat keine Einigung erzielt wird, „desto dringlicher der Entlastungsbedarf der Mitarbeiter, die durch die Preisanstiege der letzten Jahre unter erheblichem finanziellen Druck stehen“, so Magdalena Krüger.

Monatelange Wartezeiten könnten sich die Beschäftigten einfach nicht leisten. Im Raum steht nun deshalb eine Anhebung aller Löhne und Gehälter um einen Pauschalbetrag von 375 Euro. Aus Sicht von Birtat sind die Forderungen nicht umsetzbar.

„Die Erbringung der Tätigkeiten bei der Birtat Meat World SE erfordert grundsätzlich keinerlei Vorbildung. Gleichwohl erhalten die Mitarbeitenden der Birtat Meat World SE eine Vergütung deutlich oberhalb des Mindestlohns“, so Geschäftsführer Cihan Karaman. Das Einstiegsgehalt liege bei 2600 Euro. Zudem würden die Mitarbeitenden mit weiteren Benefits, wie beispielsweise einer günstigen Personalwohnung, unterstützt.

Birtat: Können gerade keine Gehaltserhöhungen auszahlen

„Auch gewährte die Birtat Meat World SE ihren Mitarbeitenden in den vergangenen Jahren regelmäßig Gehaltserhöhungen; eine solche Gehaltserhöhung war auch für das Jahr 2025 im März geplant“, so Karaman.

Aufgrund des Auftretens der NGG sei diese allerdings bislang unterblieben und könne – jedenfalls während der andauernden Verhandlungen mit der NGG – auch vorerst nicht umgesetzt werden, sondern aufgrund der derzeitigen Situation allenfalls Verhandlungsergebnis sein. Langjährige Mitarbeiter hatten schon mehrfach gegenüber unserer Redaktion berichtet, in mehr als zehn Jahren nur zwei Erhöhungen von jeweils 100 Euro bekommen zu haben.

Birtat-Mitarbeiter haben im Inter Kebap im Kaufland Ludwigsburg zu einem Döner eingeladen. Foto: Simon Granville

Bei etwaigen Gehaltserhöhungen müsse auch die Zukunftsfähigkeit des Betriebs im Blick behalten werden, so Geschäftsführer Cihan Karaman – bei Umsetzung der Forderungen der NGG könne der Fortbestand und die Zukunftsfähigkeit des Betriebes nicht gewährleistet werden.

Am 4. Juli ist die nächste Verhandlungsrunde angesetzt. „Bisher nehmen wir eine deutliche Verzögerungstaktik und Blockadehaltung wahr“, sagt Verhandlungsführerin Magdalena Krüger. Auch wenn nicht alle dem Druck standhalten würden, bei den entschlossenen Mitarbeitern werde der Zusammenhalt immer stärker, sagt ein Mitarbeiter. „Uns geht es um Respekt, um Augenhöhe, um Mitbestimmung und darum genug Geld für unsere Familien zu haben.“