Er ist der Chefermittler der „Dortmund-Tatorte“. Doch Schauspieler Jörg Hartmann ist auch Autor. Jetzt stellt der 55-Jährige in Fellbach sein Buch „Der Lärm des Lebens“ vor. Im Gespräch äußert er sich auch zu seinen Schauspiel-Anfängen in Stuttgart.

Man kennt ihn aus der TV-Serie „Weissensee“, aber vor allem als eigenwilligen Kommissar Faber in den ARD-„Tatorten“ aus Dortmund. Sein im vergangenen Jahr erschienener, auf eigenen Erlebnissen beruhender Roman „Der Lärm des Lebens“ hat sich zu einem Überraschungserfolg entwickelt. Auf Einladung der Kulturgemeinschaft Fellbach stellt der aus Herdecke im Ruhrpott stammende, mit seiner Familie in Potsdam lebende Jörg Hartmann das Buch am Freitag, 21. Februar, in der Schwabenlandhalle vor. Wenige Tage davor erreichen wir den sympathischen Schauspieler für ein Telefoninterview.

 

Herr Hartmann, ein lockerer Übersteiger zum Einstieg, die Antwort liegt womöglich sehr nahe, vielleicht ist es aber für Sie auch gar keine Entscheidung. Also: Schalke oder Borussia?

Na ja, ich muss zugeben, das Thema Fußball hat für mich keine so ganz große Bedeutung – aber wenn, dann natürlich Borussia. Ich hab eher so ein Fußballertrauma. Als Junge hatte ich zwei linke Füße gehabt und konnte es gar nicht. Das war nicht so leicht, schließlich haben damals alle gekickt.

    Um auf Ihr Buch zu kommen: Der Anlass für „Der Lärm des Lebens“ war die Demenz Ihres Vaters und sein Tod, damit das nicht ins Vergessen gerät?

    Ja, aber ich habe damals natürlich noch nicht an ein Buch gedacht. Das Aufschreiben war wirklich ein tiefes inneres Bedürfnis, es musste regelrecht aus mir raus. Etwa die auch im Buch geschilderte Begegnung, als ich meinen Vater in Herdecke im Heim besucht habe, wie er plötzlich aus dem Bett hochschießt und sich auf einmal doch bewegen kann und mit mir durch den Flur in den Aufenthaltsraum geht. Das hat mich so beschäftigt, dass ich es noch gleich am Abend aufgeschrieben habe. Ich wollte nicht, dass mir das entschwindet. Und ich dachte, ach Gott, ich weiß so wenig, ich hätte noch viel mehr fragen müssen, gerade was die Geschichte seiner Eltern, meiner gehörlosen Großeltern, betraf.

    Dank Ihnen ist jetzt Herdecke jedenfalls in der deutschen Literaturgeschichte verewigt.

    Wow! Nun, so weit würde ich jetzt nicht gehen. Aber immerhin, es ist eine Liebeserklärung nicht nur an meinen Vater oder meine Eltern, sondern auch an die Heimat, von daher haben Sie schon recht: Wenn ich vielleicht in aller Bescheidenheit sagen kann, dass ich dieser Stadt ein kleines Denkmal gesetzt habe, dann habe ich nichts dagegen.

    Was bestimmt nicht allen bekannt ist und uns natürlich interessiert, ist Ihre Stuttgarter Vergangenheit. Sie waren immerhin fast vier Jahre an der Schauspielschule.

    Ja, damals habe ich in Hedelfingen gewohnt, mein Vater hat mir eine Wohnung über seine Handball-Kontakte nach Stuttgart vermitteln können.

    Und wie sind Sie zurechtgekommen, etwa mit dem schwäbischen Dialekt und hiesigen Menschenschlag?

    Och, ich habe das nicht als schwierig empfunden. Für mich als Kind des Ruhrgebiets war das geradezu exotisch. Ich habe zum ersten Mal irgendwo anders gelebt, und das war Stuttgart, das war Süddeutschland, das war ja schon fast Italien, es gibt gute Küche, es gibt Wein – ich habe sogar nach geraumer Zeit morgens beim Bäcker „Grüß Gott“ gesagt, das ist mir locker über die Lippen gegangen. Aber eines muss ich gestehen: Ich habe zwar einen Hang zu Dialekten, arbeite mich gerne über die Sprache an Rollen heran. Aber wahrscheinlich liegt es daran, dass ich als Westfale zu weit weg bin: Alles, was südlich des Mains liegt, wird für mich dann doch schwierig. Ich würde mir nie zutrauen, den schwäbischen Dialekt so zu sprechen, dass man es glaubt.

    Nächste Tatort-Folgen

    • Kein Tatort am Abend der Bundestagswahl, 23. Februar 2025
    • Am 2. März 2025 läuft der Tatort "Charlie". Eine unbekannte Tote wird in einem Militärfahrzeug gefunden. Leitmayr, Batic und Hammermann ermitteln in einem Fall mit Verbindung zu einer Army Base und einem NATO-Manöver.
    • Am 9. März 2025 kommt der Tatort "Colonius". Freddy Schenk und Max Ballauf ermitteln in der Techno-Szene der 1990er Jahre nach dem Mord an einem ehemaligen Szene-Fotografen.
    • Am 14 März.2025 folgt  der Tatort "Das Opfer". Ermittler Karow untersucht den Mord an einem verdeckten Ermittler, den er aus seiner Jugend kennt.
    • Am 16. März 2025 wird "Borowski und das Haupt der Medusa" ausgestrahlt. In diesem Fall geht es um einen Sohn, der seine Mutter Eleonore Frost kurz vor einer geplanten gemeinsamen Reise erwürgt.

      An der Stuttgarter Schauspielschule mussten Sie ja auch manchen Rückschlag verkraften, als der Chef an Ihrem Talent zweifelte oder Ihren riet: „Sie müssen mehr nach innen gehen!“

      Stimmt, in diesem üblichen Gespräch nach einem halben Jahr hat mir der Direktor nahegelegt, ich sollte eventuell den Berufswunsch noch mal überdenken. Das hat mir so einen Schlag versetzt, dass ich gedacht habe, ihr habt sie doch nicht mehr alle, ich zeig’s euch jetzt! Ich war halt überzeugt von mir. Ich hoffe trotzdem, dass ich immer wieder gesunde Zweifel hege, bis heute stelle ich mich immer wieder infrage. Aber so ein Grundvertrauen hatte ich schon.

      Ein Artikel kürzlich in unserer Zeitung über den US-Schauspieler Christopher Walken trug in der Überschrift das Zitat: „Die Typen, die ich spiele, mag ich oft nicht“.Könnten Sie das nicht auch sagen, wenn man an den Stasi-Offizier Kupfer oder den Kommissar Faber denkt?

      Aber nein, das trifft auf mich gar nicht zu. Ich persönlich als Jörg, wenn ich so einen wie den Falk Kupfer kennenlernen würde, würde ich ihn hassen. Aber wenn ich ihn spiele, muss ich ihn mögen, sonst mache ich eine Abziehfigur und es wird irgendein Bösewicht. Ganz entscheidend ist, dass man die Figuren, die man spielt, liebt – kann ich von mir so sagen. Das ging so weit, dass ich gar nicht mehr begriffen habe, wenn alle gesagt haben: Mensch, dieser böse Kerl, der macht so schlimme Dinge – und ich dachte: Nein, wieso, was meint ihr denn? Und auch wie anfangs viele über den Faber geschimpft haben, was das für ein Arschloch sei – und ich immer gedacht habe: Wieso seht ihr denn nicht seine Not, was der für einen Sack mit sich herumträgt, der arme Mann. Also, ich muss schon Zugang finden, dass ich zumindest Verständnis habe für diese Menschen. Und ich glaube, das gilt beim Schreiben genauso. Und das wird noch viel mehr sein, wenn ich an einem Roman arbeite, egal wie die Figuren sind, dass ich ein Verständnis mitbringe, sonst werden das Schwarz-Weiß-Bilder.

      Und es gibt eine Verlängerung mit Faber für weitere drei Jahre?

      Ja, ich denke jetzt erst mal nicht daran, mit Faber aufzuhören. Natürlich zweifelt man immer mal und denkt, jetzt mache ich das eigentlich länger, als ich anfangs gedacht hatte. Aber solange ich da Dinge einbringen kann oder das Gefühl habe, die Figur ist noch nicht auserzählt, geht’s weiter. Wir haben ja diese horizontale, serielle Erzählweise. Und gerade beim nächsten Tatort, der am 30. März gesendet wird, hoffe ich, dass der beim Publikum gut ankommt. Den mag ich besonders, weil er zeigt, was speziell der Dortmunder Tatort kann, nämlich Fährten aufnehmen, die man irgendwann gelegt hat. Da durfte ich auch seinerzeit Ideen einbringen, die in diesem Teil zu einer Auflösung führen, und so etwas macht einfach Spaß. Und dann weiß ich auch, warum ich diesen Faber und diesen Dortmunder Tatort weitermache.

      TV-Kommissar in Dortmund

      Ruhrgebietsjunge
      Am 8. Juni 1969 in Hagen geboren, wächst Jörg Hubert Hartmann In Herdecke auf. Nach der Schauspielschule in Stuttgart hat er feste Theaterengagements in Meiningen, Mannheim und insbesondere an der Berliner Schaubühne – aktuelles und stets ausverkauftes Stück dort: „Changes“. Seit 2012 verkörpert er den Dortmunder Kriminalhauptkommissar Peter Faber in den WDR-Tatorten.

      Lesung
      Auf Einladung der Kulturgemeinschaft Fellbach liest Jörg Hartmann am Freitag, 21. Februar, um 19 Uhr im Uhlandsaal der Schwabenlandhalle aus seinem Buch „Der Lärm des Lebens“. Karten im Vorverkauf beim i-Punkt im Fellbacher Rathaus und, sofern vorhanden, an der Abendkasse. Davor gibt es noch Lesungen in Baden-Baden (19. Februar) und Tübingen (20. Februar).