Das Theater unter der Dauseck hat am Samstag in Marbach im Kreis Ludwigsburg ein Stück auf die Bühne des Schlosskellers gebracht, das aktuelle Bezüge aufweist und bei dem einem an einer Stelle fast das Lachen vergehen konnte.
So unterhaltsam kann die Welt in die Apokalypse taumeln. Mit „Friedas Weltuntergang“ präsentierte das Theater unter der Dauseck am Samstagabend im Marbacher Schlosskeller eine schwarze Komödie im besten Sinn, ein Schauspiel voller Witz, das nicht an der Oberfläche blieb. Das sechsköpfige Ensemble aus Oberriexingen, allesamt erfahrene Mimen gemeinsam mit professionell ausgebildeten Schauspielern, zeigte in einem Stück voller Tempo weit mehr als Klamauk, es entlarvte menschliche Schwächen in Krisen, mit aktuellen Bezügen.
Geschrieben hat diese Revue Walter Menzlaw, seit Jahrzehnten aktiv als Theaterpädagoge, Regisseur und Autor. Vorlage war ein Stück aus den 1930er-Jahren: „Der Weltuntergang oder Die Welt steht auf kein’ Fall mehr lang“ von Jura Soyfer, einem jüdischen Ukrainer. Das Werk wurde 1936 in Wien uraufgeführt, aber bald abgesetzt, es erregte politischen Anstoß. Soyfer wurde 1938 verhaftet, geriet in die Fänge der Gestapo. Er starb 27-jährig 1939 im Konzentrationslager Buchenwald. Menzlaw hat den Text verändert und neu geschrieben. Es geht um den drohenden Weltuntergang, dem aber keiner in die Augen sieht. Im neuen Stück löst eine alte Dame die Katastrophe aus.
Barbara Scheyda spielt mit burschikoser Energie diese Frieda, die genug davon hat, von Nachbarn, Verwandten, Ämtern und Ärzten gegängelt und schikaniert zu werden. Dabei kümmert sich keiner wirklich um sie. Ihr einziger Freund ist der ebenfalls Frieda genannte Papagei, komödiantisch gekonnt gespielt von Fabian Friedl. Die alte Frau verflucht ihre Mitmenschen: Die Welt soll untergehen. Dafür lässt sie den Papagei frei. Der verwandelt sich in einen Kometen, der in drei Wochen „die Erde von den Menschen befreien soll“.
Die meisten wiegeln ab und bagatellisieren
Doch die reagieren kaum. Frieda, die ihren Fluch schon bald bereut, versucht vergeblich, die Menschen aufzurütteln. Günter Hanauer als betulicher, pflichtbewusster Polizist will die alte Dame zunächst in ein Heim verfrachten lassen. Ein etwas zögerlicher Professor namens Weiß, gespielt vom Bühnen-Chef Bernd Schlegel, steht ihr bei und versucht, das Unheil abzuwenden. Doch die meisten wiegeln ab, bagatellisieren – bekannte Verdrängungsmechanismen. Ein fantastisch aufgemotztes Paar, Friedl mit der sehr wandlungsfähigen, ekstatischen Deborah Hösch – „Weltuntergang, das ist existenzielle Power!“ – versucht, Riesen-Geschäfte zu machen. Möglichst jeder Erdenbürger soll einen „Weltglobus“ kaufen, „20 Prozent sind für den Wiederaufbau!“.
Die Bühne wird vollends zum Kabarett, als Professor Weiß an die EU in Brüssel verwiesen wird. Eine fröhlich schwadronierende Dame, Susanne Zehender, macht ihm rasch klar, dass das Verfahrens- und Vorschriftendickicht Europas die Apokalypse schon kleinkriegen wird: Mit Kommissionen und Prüfungen, allerdings, „das dauert schon ein paar Monate.“
Der Komet soll in Stuttgart einschlagen
Dann eine Szene, bei der einem das Lachen fast vergeht: Die Nachricht, dass der Komet „hier in Stuttgart“ einschlagen wird. Alles im Umkreis von 2000 Kilometern wird vernichtet. Alle werfen hektisch ihre wichtigste Habe in schäbige Köfferchen, bis weitere Schreckensnachrichten sie vollends lähmen. „Alle Grenzen Europas sind zu“, Flug- und Bahnverkehr zusammengebrochen, alle Straßen verstopft. Die Verzweifelten haben schnell den Schuldigen: Sie wollen den Professor lynchen, „der hat das mit dem Kometen in die Welt gesetzt“. Eine beklemmend aktuelle Szene.
Die überraschende Rettung bringt der Komet selber. Er hat sich vom Fluch seiner Herrin emanzipiert, hat sich im Anflug ein paar Gedanken gemacht. „Die Menschen sind gar nicht so schlecht.“ Und so fliegt er einfach vorbei. Friedl schwärmt in einer eindrucksvollen emotionalen Ode an den Planeten Erde von dessen Schönheiten, findet ihn freilich auch gefährdet, „gesegnet und verdammt“ zugleich. Wie schön, wenn sich auch wirklich drohende Apokalypsen mit so viel Vernunft verhindern oder zumindest abmildern ließen.
Das Publikum erlebte an diesem Abend erstklassige Unterhaltung und bekam etliche Anstöße zum Nachdenken.
Weitere Termine im Februar
Viele Auftritte
Seit der Premiere im vergangenen Jahr ist das Theater unter der Dauseck auf verschiedenen Bühnen 18-mal glücklich am Weltuntergang vorbeigeschrammt.
Dreimal am Stück
Das Theater unter der Dauseck spielt „Friedas Weltuntergang“ noch jeweils am 7., 8. und 9. Februar auf seiner „Stammbühne“ im Möbelhaus Schmids Domino Sachsenheim. Infos und Reservierungen unter www.theater-dauseck.de.