Das Archiv bei den Stuttgarter Kickers wird akribisch gepflegt. So konnte auch ausfindig gemacht werden, dass in der Saison 1971/72 sogar schon einmal vier verschiedene Torhüter in einer Saison zum Einsatz kamen. Neben der damaligen Stammkraft Rolf Gerstenlauer waren das die Herren Siegfried Kräter, Gerd Knoblauch und Wolfgang Wolter. In der aktuellen Regionalligasaison kommen die Blauen bisher auf drei eingesetzte Keeper. „So eine Verletzungsmisere bei den Torhütern habe ich noch nie erlebt“, sagt Sport-Geschäftsführer Lutz Siebrecht.
Notstand begann mit Kreuzbandriss
Beim 1:0 am Sonntag beim FSV Frankfurt stand mit David Mitrovic die Nummer vier im internen Torwart-Ranking zwischen den Pfosten. Der Notstand im Kasten begann in der Winterpause mit dem Kreuzbandriss von Stammkraft Felix Dornebusch (30). Der Verein reagierte darauf und lieh Louis Lord (21) vom Drittligisten Erzgebirge Aue aus. Der saß beim ersten Punktspiel 2025 dann aber nur auf der Bank, weil Eigengewächs Leon Neaime (20) in dem engen Zweikampf hauchdünn die Nase vorne hatte.
Pechvogel Louis Lord
Als Neaime nun in Frankfurt wegen einer Hüftprellung nicht spielen konnte, stand Lord nach einem Muskelfaserriss noch nicht wieder zur Verfügung. Statt endlich seine Chance zu bekommen, musste Lord zwangsläufig dem U-19-Keeper David Mitrovic den Vortritt lassen (auf der Bank saß Benjamin Köstel/17). Und der 19-jährige Keeper Mitrovic nutzte seine Chance am Bornheimer Hang ziemlich eindrucksvoll.
Auch von Trainer Marco Wildersinn gab’s ein Sonderlob: „Riesenkompliment an David. Er hat so gespielt, wie es seinem Typ entspricht – ruhig und cool.“ Nachdem der Torhüter die ersten Situationen ohne Wackler überstanden hatte, reagierte er zweimal glänzend und hielt damit die drei Punkte fest. Für Wildersinn ist das auch ein Verdienst von Torwart-Trainer Denis Jercic (35): „Er hat hohe Fachkompetenz und einen sehr guten Umgang mit den Keepern.“ Seine Arbeit mit den jungen Torleuten trägt Früchte. Wildersinn: „Vor einem halben Jahr hätten wir vielleicht noch leichte Bedenken gehabt, David ins Tor zu stellen.“
Kein Durchbruch bei Mainz 05
Wie Neaime war auch Mitrovic 2019 in die Kickers-Jugend gekommen. Er begann in der U 15, entwickelte sich prächtig und bekam früh einen langfristigen Vertrag, mit ähnlichen Plänen wie sie der VfB mit Dennis Seimen verfolgt. Als der 1. FSV Mainz 05 auf Mitrovic aufmerksam wurde, ließen ihn die Blauen 2022 ziehen – gegen eine Ablösesumme im mittleren fünfstelligen Bereich. Im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) des Bundesligisten konnte er sich aber nicht durchsetzen. Im Januar 2024 holten ihn die Kickers zurück.
Die Vereinbarung: Regelmäßiges Training mit dem Profiteam, Punktspieleinsätze bei der U 19. Die fehlende Spielpraxis aus der Mainzer Zeit blieb zunächst nicht ohne Folgen. Auf der Linie reagierte Mitrovic zwar immer top, doch ansonsten benötigte er eine gewisse Anlaufzeit. Die hat er nun längst hinter sich.
Nächster Schritt „Fußballdeutscher“
Nach seinem Schulabschluss absolviert er nun ein Praktikum in einem Fitnessstudio. Der Verein arbeitet derzeit daran, den Kroaten zum „Fußballdeutschen“ zu machen, damit er auch dieses Kriterium der U-23-Regelung im Spieltagskader erfüllt.
Bleibt die Frage, wer bei den Kickers am kommenden Sonntag (14 Uhr) bei Spitzenreiter TSG Hoffenheim II im Tor steht. „Ich weiß es wirklich noch nicht, es wird spannend“, sagt Wildersinn. Fest steht nur: Dornebusch wird es nicht sein, er benötigt noch rund sieben Monate für sein Comeback. Neaime und Lord dagegen könnten bis zum Topspiel im Kraichgau wieder fit sein. „Ich hätte auch kein Problem damit, David wieder ins Tor zu stellen“, sagt Wildersinn. Wird es am Ende doch Louis Lord, dann wäre der Rekord aus der Saison 1971/72 eingestellt.