Traum vom Eigenheim platzt Familien geben Bauplätze in Tübingen wieder zurück

Hier im Tübinger Stadtteil Bühl hätte das Einfamilienhaus der Familie Hofsäß stehen sollen, doch der Traum vom Eigenheim ist geplatzt. Foto: Verwaltungsstelle Bühl/Andreas Kälble

Den Traum vom eigenen Haus haben viele Familien. Wer einen Bauplatz ergattert, gibt ihn meist nicht mehr her. In Tübingen aber blieb mehreren Familien nichts anderes übrig. Ein Betroffener erzählt.

Baden-Württemberg: Florian Dürr (fid)

Zelten vor dem Rathaus, im Verein vor Ort engagieren – keine Anstrengung scheint angehenden Häuslebauern zu viel zu sein, um andere Mitbewerber auszustechen und einen Bauplatz für den Traum vom Eigenheim zu ergattern. Geschichten wie diese hört man immer wieder. Wer all das auf sich genommen hat, lässt sich den mühsam erkämpften Bauplatz nicht mehr nehmen – sollte man meinen. Anders in Tübingen, wo gleich sieben von 33 Grundstückskäufern ihren Bauplatz wieder zurückgegeben haben.

 

Eine fünfköpfige Familie muss den Traum vom Eigenheim aufgeben

Und das obwohl das Baugebiet im etwas außerhalb gelegenen Tübinger Stadtteil Bühl von der Lage her genau das ist, was sich die meisten unter einem Haus für die ganze Familie vorstellen: Kindergarten und Grundschule im Ort, die schöne Altstadt von Tübingen mit dem Bus schnell erreichbar, Wald und Wiesen vor der Haustür, der Neckar ist auch nicht weit – was will man mehr?

Doch mehreren Familien blieb gar keine andere Wahl, als den Bauplatz wieder zurückzugeben. „Angesichts der extrem gestiegenen Baukosten und dem Zinsanstieg hat mich das nicht überrascht“, sagt der Ortsvorsteher Gerhard Neth. Die sieben zurückgegebenen Baugrundstücke werden nun in einem weiteren Vergabeverfahren neu ausgeschrieben.

Unter den Betroffenen ist Steffen Hofsäß mit seiner Frau und seinen drei Kindern. Von einem Mehrgenerationenhaus mit einer Einliegerwohnung für seine Mutter hatte die fünfköpfige Familie geträumt. Sie standen bereits mit einem Architekten und mit einer Fertighaus-Firma in engem Kontakt, doch heute sagt Steffen Hofsäß: „Es war wirtschaftlich die beste Entscheidung, den Bauplatz zurückzugeben.“

Steffen Hofsäß und seine Frau hätten bis an ihr Lebensende gezahlt

Hatten sie anfangs noch mit 750 000 Euro für das Bauvorhaben kalkuliert, wurden daraus bei Nachberechnungen mehr als eine Million Euro. Auch der Zinsanstieg hätte enorme Mehrkosten bedeutet. Zudem sei die staatliche Förderung für nachhaltiges Bauen nicht sicher gewesen, das ökologische Zertifikat bekomme man erst, wenn das Haus steht, sagt Hofsäß. „Ohne Förderung wäre die Finanzierung unmöglich geworden.“

Selbst er als Teamleiter in einem Industriebetrieb und seine Frau, medizinische Fachangestellte an der Uniklinik Tübingen, hätten bis zu ihrem Lebensende den Kredit abbezahlt – oder sogar ihren Kindern Schulden vererbt. „Wir verdienen beide gut, haben lange darauf gespart, aber das ist einfach nicht stemmbar. Ich frage mich, wie sich das Leute mit schlechter bezahlten Jobs leisten sollen. Das ist wirklich schade“, sagt Hofsäß. Ein Einfamilienhaus in Tübingen-Bühl zu bauen, sei nur noch was für „Reiche“, sagt der 38-Jährige.

Die Familie ist froh, der Fertighaus-Firma rechtzeitig die Absage erteilt zu haben. „So haben wir nicht ganz so viel Geld in den Sand gesetzt“, sagt Hofsäß. Jeweils 2000 Euro für das Bodengutachten und den Architekten seien es gewesen, andere Familien habe es schlimmer getroffen. Die Hofsäß’ aber hatten Glück, dass sie wenige Tage nach ihrem Rückzug ein schönes Altbauhäuschen im Ort zur Miete angeboten bekommen haben. Der Traum vom Haus für die ganze Familie ist also doch noch wahr geworden – auch wenn es ihnen nicht selbst gehört.

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