Woher kommt das, dass Männer zu Popstars am Herd wurden? Was braucht es, dass Frauen in der Gastronomie erfolgreich sein können? Vier Frauen berichten von ihren Lebenswegen und Herausforderungen. Viktoria Fuchs und Kristin Hendricks-Fuchs aus dem Spielweg, Sterneköchin Sarah Hallmann aus Berlin und Gastgeberin Eva Klink von der Wielandshöhe sind zu Gast beim Abend unserer Zeitung.

Freizeit & Unterhaltung: Anja Wasserbäch (nja)

Die Zahlen sind erschreckend: In gerade einmal 14 von insgesamt 322 Restaurants in Deutschland, die mit Sternen ausgezeichnet sind, stehen Küchenchefinnen am Herd. Drei von ihnen kochen in der Liga von Zwei-Sterne-Lokalen: die Grande Dame Douce Steiner in Sulzburg, Julia A. Leitner in Deutschlands Dessertrestaurant Coda in Berlin sowie die Newcomerin Rosina Ostler im Alois in München. Die Gründe für diesen geringen Frauenanteil sind vielschichtig: fehlende Vorbilder, die bekannte Vereinbarkeit von Beruf und Familie, alte Rollenbilder, harte, körperliche Arbeit, rauer Umgangston und Arbeitszeiten, wenn andere frei haben.

 

Dabei kennt fast jeder von zuhause, dass es die Mütter sind, die für die warmen Mahlzeiten im Alltag sorgen, Geburtstage ausstatten und am Wochenende in der Küche am Herd stehen. „Eigentlich kommt das Kochen traditionell von den Frauen, die Männer haben es zum Leistungssport gemacht“, sagt Rosina Ostler aus dem zweifach besternten Restaurant Alois in München. Langsam, sehr langsam zeichnet sich ein Wandel ab: Immer mehr junge Frauen arbeiten in den Küchen der Bundesrepublik, wenn auch häufig noch in der zweiten Reihe.

Früher war die Sterneküche sehr hierarchisch aufgebaut, da wurden Frauen nicht zugelassen. Dabei war es in der gehobenen Gastronomie eine Frau, die Pionierarbeit leistete: Madame Eugénie Brazier war eine der ersten, deren Restaurant mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. 1933 wurde es mit drei Sternen ausgezeichnet, und sie war die erste Person, die sechs Sterne gleichzeitig hielt. Der große Paul Bocuse hat bei ihr gelernt.

Die Vorbildfunktion ist nicht zu unterschätzen

Nicht nur in Frankreich war und ist die Sterneküche männlich geprägt. Und wie überall ist die Vorbildfunktion nicht zu unterschätzen. Viktoria Fuchs, die alle Viki nennen, aus dem Hotel Spielweg im Münstertal im Schwarzwald beginnt ihre Ausbildung bei Douce Steiner im Hirschen in Sulzburg. Erst viel später wird Viki Fuchs klar, dass sie in der zweifach besternten Küche viel mehr gelernt hat als Gargrade und Schnitttechniken, sondern auch „nonverbale Kommunikation und den Umgang mit Mitarbeitenden“, wie sie sagt. Und: Douce Steiner ist das, was man heute als „Role Model“ bezeichnet. Eine Frau in der Gourmet-Küche, Mutter noch dazu. Ihr Mann steht mit am Herd. Die Parallelen liegen auf der Hand.

Viki Fuchs weiß heute, was dieses Vorleben für sie bedeutet hat. Und sie weiß, dass die große Sache, die sich hinter dem Begriff Vereinbarkeit verbirgt, nur funktioniert, wenn das viel zitierte Dorf da ist. Im Spielweg sind das die Eltern, auch die Mitarbeitenden und auch das Vollzeit-Kindermädchen, das sich zu festen Zeiten um den gesamten Fuchs-Nachwuchs kümmert. Genau diesen Punkt unterstreicht auch ihre Schwester Kristin Hendricks-Fuchs: „Wir können unsere Berufe nicht mit einer Teilzeitstelle ausüben, deshalb müssen wir jemanden anstellen, die sich um die mittlerweile vier Kinder kümmert.“

Ihr Traum: Ein Hostel auf Hawaii

Kristin Hendricks-Fuchs ist im Gegensatz zu ihrer knapp zwei Jahre jüngeren Schwester Viki eine, die die Welt sehen will. So zieht es sie „nach der superschönen Kindheit auf diesem riesengroßen Spielplatz Hotel“ hinaus in die Welt, sie jobbt in Kanada und in den Rocky Mountains, reist nach Hawaii und quer durch Afrika. Ihr duales Studium des Hotel- und Gastronomiemanagements absolviert sie im Adler in Asperg. Ihr Ziel: „ein Hostel auf Hawaii“. Sie fängt nach dem Abschluss in Kapstadt im 12 Apostels Hotel an. 2013 kommt sie zurück ins Münstertal, zwei Jahre später ist „die Sache mit Papa“. Der Koch und die Koryphäe der Wildküche in Deutschland, Karl-Josef Fuchs, erlitt eine Hirnblutung mit 55 Jahren. Koma, Reha. Das ist nun fast zehn Jahre her. Kristin rief ihre Schwester Viktoria an: „Papa geht es nicht gut.“ Die Köchin arbeitete zu der Zeit auf Schloss Elmau, einem angesehenen Luxushotel mit Sternerestaurant. Sie packte ihre Sachen und war am nächsten Tag zuhause. „Diese Situation hat eine Krisenenergie freigesetzt“, sagt Kristin. Die zwei Töchter müssen große Verantwortung übernehmen, die eine in der Küche, die andere im Hotel. Damals ist Viki gerade mal 27 und Kristin 29 Jahre alt. Seit 2017 sind sie die Inhaberinnen des Traditionshotels. Eine Herausforderung, die von etablierten männlichen Kollegen zunächst skeptisch beäugt wurde.

Wie das ist, in der Gastronomie aufzuwachsen, das kennt Eva Klink, die Gastgeberin in der Wielandshöhe, sehr gut. 1977 kommt Eva als Tochter von Elisabeth und Vincent Klink auf die Welt, 1978 gibt es den ersten Stern vom Guide Michelin für das Restaurant in Schwäbisch Gmünd. Wahnsinn, wie viel Arbeit das bedeutet. Oma, Onkel, Tanten und die Spülfrau Maria schauen nach dem Nachwuchs, bis Eva dann mit zehn Jahren in ein Internat geht. „Das hat mir gefallen und war rückblickend auch gut für den Wirtsberuf“, sagt sie. Heute kümmert sie sich mit Verve und Schmackes um die Abläufe im Restaurant und den gut ausgestatteten Weinkeller. Nach dem Abitur träumt Eva Klink von Paris, geht nach Frankreich, um die Sprache und Kunstgeschichte zu lernen. Ihr Herz aber schlägt für die Gastronomie, so macht sie im Schlosshotel Friedrichsruhe ihre Ausbildung, als der große Lothar Eiermann das Haus und die Küche leitete. „Das war noch alte Schule“, so Klink. Sie war die erste Frau, die im Service im Gourmetrestaurant arbeitete. Frauen waren weder im Service noch in der Küche erwünscht. „Die hatten Angst, dass sie dann keine dreckigen Witze mehr reißen durften“, so Klink. „Die Hierarchie in der Profiküche ähnelt der eines militärischen Verbandes.“

Ihre Vorbilder: Frauen, die Traktoren fahren und in der Küche stehen

Herd an, Klischees aus. Eine, die besonders auffällt in der Spitzengastrononmie in Deutschland ist Sarah Hallmann aus dem Hallmann & Klee in Berlin-Neukölln. Hallmann wuchs in Großingersheim im Kreis Ludwigsburg zwar nicht in einer Gaststätte, aber in der Nähe des familiären Bauernhofs auf. Ihre Vorbilder: Mutter, Tanten, Oma, die Traktoren fahren und in der Küche stehen. Die Sommer ihrer Kindheit verbringt sie am Rande der Ortschaft auf dem Bauernhof ihres Onkels. Jeden Tag streift sie dort am Liebstöckel vorbei zu ihrem Lieblingsort – dem Garten mit den Erdbeeren, Himbeeren, Brombeeren, Bohnen, Erbsen. „Man hat mich nie am Süßigkeitenschrank gefunden, nur immer beim Obst und Gemüse“, erzählt die Inhaberin und Küchenchefin des Restaurants Hallmann & Klee in Berlin-Neukölln.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Gleichberechtigung sind gerade in der Gastrobranche viel diskutierte Themen. Sarah Hallmann will als Mutter und Arbeitgeberin mit einem guten Beispiel voran gehen. Ihr Team hat eine Vier-Tage-Woche, sie arbeitet fünf Tage. Sie möchte auch Müttern die Möglichkeit bieten, anspruchsvollere Arbeiten zu machen. „Es ist sehr wichtig, dass man danach schaut, ob es dem Gast gut geht – aber auch, ob es dem Team gut geht“, sagt Sarah Hallmann. Sie selbst steht stets tagsüber in der Küche, an den Abenden ist sie dann mit an den Tischen bei den Gästen und wird Teil des Serviceteams. Und so ist Hallmann eine der oben genannten 14 Köchinnen mit Stern.

In der Breite aber zeigen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes ein anderes Bild: Beim Mikrozensus 2022 wurden 285 000 Köchinnen erfasst - deutlich mehr als die 246 000 Köche. Allerdings arbeiten sie mehrheitlich in Schulküchen und Kantinen, nicht auf der glamouröseren Bühne namens Spitzenrestaurant.

Der Abend

Die Personen
Viki Fuchs und Kristin Hendricks-Fuchs:
Die Schwestern aus dem Münstertal führen  seit 2017 in der sechsten Generation die Geschicke des Romantikhotels Spielweg, das 1705 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Viktoria Fuchs macht ihre Ausbildung als Köchin bei Douce Steiner im Hirschen in Sulzburg, ihre Schwester Kristin studiert Hotel- und Gastronomiemanagement, arbeitet überall auf der Welt, um nun im Spielweg für alles außer die Küche zuständig zu sein. 
Sarah Hallmann:
Die 40-Jährige Sarah Hallmann ist Inhaberin und Küchenchefin des Restaurants Hallmann & Klee, das 2024 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. 2008 beginnt sie ihre Lehre im Restaurant Facil am Potsdamer Platz in Berlin. Danach arbeitet sie im Restaurant Margaux. Seit 2016 betreibt sie das Hallmann & Klee, das 2024 mit einem Stern ausgezeichnet wurde. 
Eva Klink:
Die Gastgeberin der Wielandshöhe, Jahrgang 1977, ist ein echtes Gastrokind. Als Tochter von Vincent und Elisabeth Klink lernt sie schon früh, was Genuss und Gastgeben bedeutet. Ihre Ausbildung als Restaurantfachfrau macht sie im Schlosshotel Friedrichsruhe, als Lothar Eiermann die Geschicke und die Küche leitete. 

Der Termin
„Frauen in der Gastronomie“ ist eine Veranstaltung der Stuttgarter Nachrichten und Stuttgarter Zeitung. 
Die Podiumsdiskussion findet statt am Montag, 5. Mai, um 19 Uhr  im Look 21, Türlenstraße 2, 70191 Stuttgart
Fragen an die Frauen auf dem Podium können ab sofort unter chef@stzn.de, Betreff: Frauen in der Gastronomie, eingestellt werden. 

Die Veranstaltung – so melden Sie sich an
Sie können sich über diesen Link www.zeitung-erleben.de/fraueningastro die Veranstaltung anmelden. Halten Sie dafür Ihre Kundennummer bereit. Auf Zeitung erleben können Sie exklusive Veranstaltungen, Veranstaltungen zum Vorteilspreis und vieles mehr buchen.