Unnötig oder kluge Voraussicht? Die Gemeinde Murr (Kreis Ludwigsburg) hat zwar noch 30 Millionen Euro auf der hohen Kante, erhöht aber die Gewerbesteuer.
Auf den ersten Blick wirkt die Gemeinde Murr immer noch wie ein Krösus. In den Rücklagen hat die 6500-Einwohner-Kommune rund 30 Millionen Euro geparkt. Aber vom Ersparten will sie nicht leben. Die Entwicklung der kommunalen Haushalte zwingt die relativ reiche Gemeinde zum Handeln: Erstmals seit 1996 erhöht sie die Sätze für die Gewerbesteuer. Die Gründe dafür sind offenbar nicht in Murr selbst zu suchen.
Es ist der Blick nach Ludwigsburg, der dem Murrer Bürgermeister Torsten Bartzsch die Sorgenfalten auf die Stirn treibt. „Wir müssen jährlich 420 000 Euro mehr für die Kreisumlage zahlen.“ Die 3,5 Prozentpunkte mehr für die Umlage schmerzen. Der kräftige Anstieg muss offenbar sein, weil das Landratsamt im Jahr zuvor die Kommunen noch verschont hatte, jetzt aber die steigenden Kosten etwa für die Kliniken oder die Flüchtlingsunterbringung zu Buche schlagen. „Wir fühlen uns fremdbestimmt“, sagt Bartzsch, der am Dienstag den Gemeinderat für eine Erhöhung der Gewerbesteuersätze von 330 auf 350 Prozentpunkte gewann.
Bartzsch selbst spricht von einer „dramatischen“ Entwicklung der kommunalen Haushalte und bezieht sich auf entsprechende Äußerungen des Landkreistages. Noch immer hätten sich das Land und die kommunalen Spitzenverbände nicht auf einen Finanzausgleich verständigt. Der Gemeinde Murr drohe im Jahr 2025 ein Minus im Haushalt. Aus diesem Grund wolle die Verwaltung sukzessive die Gebühren und Steuern in den kommenden Wochen erhöhen.
Die höhere Gewerbesteuer bringt der Gemeinde nach bisherigen Kalkulationen rund 210 000 Euro mehr Einnahmen pro Jahr. „Von diesen Einnahmen bleibt aber nur etwa ein Viertel in der Gemeinde – das hängt mit dem Ausgleich des Landes zusammen“, erklärt Bartzsch. Bluten musste die Gemeinde auch durch den Zensus, in dem rund drei Prozent weniger Bevölkerung gezählt wurde. „Wir verlieren damit rund 150 000 Euro jährlich.“
Die Murrer Gewerbesteuer bleibt im Vergleich niedrig
Ein Trost bleibt den Murrer Gewerbetreibenden: Die Gemeinde zähle auch mit dem neuen Satz von 350 Prozentpunkten zu den günstigsten im Kreisgebiet, betont Torsten Bartzsch. Der Durchschnitt im Landkreis Ludwigsburg liege bei etwa 380 bis 390 Punkten. „Wir werden jetzt auch nicht ständig an der Schraube drehen.“