Viele fragen sich, wie ein Wettanbieter auf der stolzen VfB-Brust zu den viel beschworenen Werten des Traditionsclubs aus Bad Cannstatt passt. Ein Vertreter einer Branche, deren Geschäftsmodell das oftmals leichtfertig verspielte Geld anderer Leute ist.
Zwar zählten auch schon in der Vergangenheit Anbieter wie Betway oder Betano zum Sponsoren-Portfolio. Ein Hauptsponsor ist aber eine andere Kategorie. Nun könnte man den VfB einen Nachzügler nennen, schließlich hat die Sportwettenbranche den deutschen Profifußball längst fest im Griff. Nur die wenigsten Clubs weisen aktuell keine Sponsorenpartnerschaft mit einem privaten Wettanbieter auf – ob sie nun Tipwin, Tipico oder Betwin heißen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) selbst ist mit der Marke Bwin rund um die Nationalmannschaft und den DFB-Pokal omnipräsent.
9,4 Milliarden Euro Umsatz in Deutschland
Das Ganze ist ein Milliardengeschäft. 9,4 Milliarden Euro betrug zuletzt der Jahresumsatz des gesamten Glücksspielmarktes – in Deutschland. Nicht eingerechnet die Summen, die international verzockt werden. Vor allem in Asien, wo Glücksspiel in den meisten Ländern offiziell verboten ist. Experten zufolge gilt die dortige Branche bestenfalls als halbseiden, schlechtestenfalls als hochkriminell. Dessen ungeachtet unterhalten viele Bundesligisten über zwischengeschaltete Vermarktungsagenturen „strategische Partnerschaften“ mit Firmen wie Neo.bet oder Chillybets, deren Handelsregisternummern und Anschriften fast ausnahmslos in Steueroasen wie Malta liegen.
VfB-Vorstandschef Alexander Wehrle nahm kürzlich selbst den „chinesischen Wettanbieter“ in den Mund, als er lächelnd versicherte, welche Art von Unternehmen ihm als neuer Sponsor auf keinen Fall ins Haus komme. Nun ist es ein französischer Wettanbieter geworden. Einer, der bisher vor allem in Frankreich und Spanien aktiv war und der nun den deutschen Markt erobern will. Wehrle und VfB-Marketingvorstand Rouven Kasper preisen Winamax als seriös. Doch was heißt das?
Anti-Sportwetten-Bündnis kritisiert VfB
Nach Auskunft des Bündnisses gegen Sportwettenwerbung ist das Unternehmen mit Sitz in Paris bislang „noch nicht negativ aufgefallen“. Was auch damit zusammenhängen könnte, dass es erst seit Kurzem in Deutschland wirkt. Winamax wirbt mit seinem Angebot für Sportwetten und Poker. Zumindest für Letzteres liegt laut Glücksspielbehörde der Länder noch keine Erlaubnis für Deutschland vor.
„Fair Play und Verantwortung prägen unsere Werte“, beteuert Winamax-Vorstandschef Alexandre Roos. Der VfB weist auf die im Glücksspielstaatsvertrag formulierten Anforderungen zum Spieler- und Jugendschutz hin. Auch der DFB zielt auf Anfrage auf besagte Vereinbarung ab: „Die regulierte Marktöffnung und eine Kanalisierung des Sportwettenangebots weg von illegalen und hin zu legalen Angeboten wurden durch den DFB immer unterstützt.“
Schutzmechanismen gegen Spielsucht können leicht umgangen werden
Beim Bündnis gegen Sportwettenwerbung ist man – gelinde gesagt – skeptisch. „Vereine, die ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden wollen, dürfen sich nicht an der Verharmlosung von Sportwetten beteiligen“, kritisiert Markus Sotirianos namentlich den VfB und Hertha BSC. Letzterer läuft neuerdings mit Crazy Buzzer auf der Brust auf. Die Berliner Fans laufen bereits Sturm gegen Präsident Kay Bernstein, der ein solches Bündnis vor einem Jahr noch ausgeschlossen hatte.
Das Stuttgarter Unternehmen Chargeback24, ein Rechtsdienstleister, der Kunden hilft, Verluste aus illegalem Glücksspiel zurückzuholen, hat angekündigt, den neuen VfB-Sponsor „genau unter die Lupe zu nehmen“. Geschäftsführer Florian Friederich will Winamax nicht vorverurteilen. Er weist jedoch darauf hin, dass die 8,5 Millionen Euro, die das Unternehmen an den VfB pro Jahr überweist, ja irgendwo herkommen müssen. Friederich sagt: „Jeder Anbieter verspricht Spielerschutz. Winamax wäre der erste, der sich daran hält.“ Als Beispiel nennt er das gesetzlich vorgeschriebene Einzahlungslimit von 1000 Euro im Monat. Es könne problemlos umgangen werden, denn zu einer kontrollierten Aufsicht seien die Behörden gar nicht in der Lage, so Friederich. „Mehrere Hunderttausend Euro pro Monat einzusetzen ist selbst bei lizenzierten Anbietern problemlos möglich.“
Ist Bierwerbung besser?
Nun lässt sich angesichts von 1,4 Millionen Spielsüchtigen in Deutschland und noch mehr Alkoholabhängigen ein gewisser Widerspruch nicht leugnen: Bierwerbung erfährt unter Fans breiten Konsens, Wettanbieter werden verdammt. Das Sponsoringvolumen der beiden Branchen erfährt aber seit Jahren eine gegenläufige Entwicklung. Tipico und Co. haben Brauereien in ihrer Omnipräsenz längst abgelöst – ob im Stadion oder Fernsehen.
Absetzbewegungen existieren hierzulande nur vereinzelt. Der FC St. Pauli hat als einziger Club angekündigt, keine Verträge mehr mit Wettanbietern abzuschließen. Um auf den „schnellen Taler zu verzichten“, wie Präsident Oke Göttlich sagt. Dafür erwägt die englische Premier League, nicht gerade bekannt für verantwortungsvollen Umgang mit Geld, nach spanisch-italienischem Vorbild ein Verbot von Wettanbietern als Trikotsponsor.
Auf die Frage, ob es ähnliche Überlegungen auch in Deutschland gibt, ging der DFB nicht ein. Stattdessen gilt die Bundesliga als neuer Boommarkt. Oder, um mit Winamax-Chef Roos zu sprechen: „Wir sehen den VfB als perfekten Partner für unsere Wachstumsstrategie.“