Das Video beginnt typisch mit einem musikalisch unterlegten Intro. Dann folgt die Begrüßung. „Hey-hey und herzlich willkommen bei ,Chemie gecheckt!’. Ich freue mich, dass Du wieder dabei bist“, sagt Florian Schweizer, der Mann vor der Kamera. Er ist Lehrer für die Fächer Chemie und Naturwissenschaft und Technik am Kirchheimer Ludwig-Uhland-Gymnasium – und seit ein paar Monaten mit seinem Kanal „Chemie gecheckt!“ auch auf der Plattform Youtube aktiv.
Dass es dazu kam, passe eigentlich zu seiner Laufbahn als Lehrer, sagt Schweizer. Vor etwa dreieinhalb Jahren, mitten in der Coronapandemie, kam er ans Ludwig-Uhland-Gymnasium. Auch ein großer Teil seines Referendariats fiel in die Zeit der Lockdowns und der leeren Klassenzimmer. Und in der Zeit machte er dann auch die ersten Erfahrungen mit Lehrvideos. „Zusammen mit zwei Kollegen habe ich Versuche für die Schüler abgefilmt“, erzählt der 30-Jährige. Vorerfahrung habe er keine gehabt.
Fast 20 Videos gibt es bereits
Mittlerweile hat er auf seinem Kanal fast 20 Videos veröffentlicht. Doch gerade in den Naturwissenschaften ist der Markt eigentlich gesättigt, es gibt einige große Kanäle, die zum Teil auch deutschsprachige Inhalte veröffentlichen. Wieso also noch mehr Videos beisteuern?
Eine Schwierigkeit bei den meisten Chemievideos ergebe sich aus den Fachbegriffen, erklärt Schweizer. „Ich zeige auch gerne Videos im Unterricht, aber ich kann kaum eines verwenden und die Begriffe einfach so stehen lassen“, sagt der Chemielehrer. Von vielen Kollegen erhalte er ähnliches Feedback. Ein Klassiker sei es, auf Teilchenebene vom Gas Sauerstoff zu sprechen, obwohl eigentlich das Sauerstoff-Atom gemeint ist. „Im Lernraum Schule ist es wichtig, das zu trennen“, sagt Schweizer. Im Studium werde zwar gerne über solche Sachen hinweggesehen, in der Schulklausur werde es jedoch als Fehler angestrichen.
Der Umstand, dass Bildung Ländersache ist, bietet dem Kanal „Chemie gecheckt!“ ein Alleinstellungsmerkmal. „Ich versuche, den Bildungsplan speziell für Baden-Württemberg abzudecken“, sagt Schweizer. Seit Dezember vergangenen Jahres erscheinen deshalb Videos zum ersten Lehrjahr in Chemie in chronologischer Reihenfolge.
„Inhaltlich hat alles bislang mit Stoffen und deren Eigenschaften zu tun“, erklärt Schweizer. So gibt es Videos zur Stoffklasse der Metalle, zu flüchtigen Stoffen oder zu Aggregatszuständen auf Teilchenebene. Mithilfe von Aufnahmen einzelner Experimente und Bildern versucht Schweizer, die Videos möglichst anschaulich zu gestalten. So habe er inmitten der Vielzahl an ähnlichen Youtube-Kanälen zumindest momentan seine Nische gefunden. Im Moment hänge er seinem Ziel, den Bildungsplan im ersten Lehrjahr abzubilden, allerdings noch etwas hinterher, da er erst drei Monate nach Beginn des Schuljahrs angefangen habe. Um Schritt halten zu können, sei es wichtig, wenn möglich jede Woche aber mindestens alle zwei Wochen ein Video zu veröffentlichen.
Mehrwert für die Schüler
Für sein Hobby kommen so etwa sechs bis sieben Stunden Arbeitsaufwand pro Woche zusammen, sagt Schweizer. Vor allem der Nutzen für die Schüler rechtfertige dies aber. „Ich denke, es hat einen großen Mehrwert für sie. Wenn ich den nicht sehen würde, würde ich den Aufwand auch nicht betreiben“, erklärt Schweizer.
Der Mehrwert setze sich aus verschiedenen Aspekten zusammen. Zum einen könnten Schüler, die beispielsweise aufgrund von Krankheit mehrere Tage Unterricht verpasst hätten, durch ein kurzes Video eher wieder den Anschluss finden. Zum anderen könnten die Videos dabei helfen, vor einer Klausur ein schwieriges Thema noch einmal anschaulich darzustellen oder etwas aus dem Unterricht zu wiederholen. „Wichtig ist aber, dass die Inhalte eine Ergänzung zum Unterricht und zum Lernen sind, sie ersetzen das nicht“, betont Schweizer.
Sein Engagement wird belohnt. „Ich bekomme durchweg von Kollegen und Schülern Feedback. Sie wissen es wirklich zu schätzen“, sagt Schweizer. Auch über Stadt- und Kreisgrenzen hinaus habe er Zuschauer. „Dadurch, dass die Videos auf Youtube sind, kann jeder in Baden-Württemberg sie nutzen.“ Das Feedback spiele auch eine große Rolle für die Motivation, sich wöchentlich nach dem Unterricht noch vor die Kamera zu stellen.
Bei all der Reichweite und dem positiven Feedback sieht sich Schweizer jedoch nicht als Youtuber oder Influencer. „Ich mache Bildungscontent und stelle zusätzliches Material zur Verfügung, ich ,influence’ ja nicht“, sagt er. Es sei für ihn lediglich eine Art Hobby. „Derzeit sehe ich mich ausschließlich als Lehrer“, betont Schweizer.
Digitale Angebote an Schulen
Ausblick
Neben Atombau und Molekülen, dem Aufbau der Stoffe, will Florian Schweizer in diesem Jahr auch noch chemische Reaktionen, die Veränderung der Stoffe, in Videos behandeln. Dann sei das komplette erste Lehrjahr in Chemie abgedeckt.
Digitalisierung
Am Gymnasium würden immer häufiger Tablets und Laptops genutzt, auch Fortbildungen für Lehrkräfte und Schüler zum Thema Künstliche Intelligenz seien geplant, erklärt Martin Roll, Schulleiter des Ludwig-Uhland-Gymnasiums. Schon jetzt würden viele Schüler vermehrt digitale Angebote zur Unterstützung des Lernens nutzen, sagt er.
Digitalkompetenz
In der heutigen Zeit sollte eine gewisse Digitalkompetenz zum Repertoire eines Lehrers gehören, erklärt Roll. Die meisten jungen Kollegen, die mit dem Internet aufgewachsen sind, brächten vieles davon bereits in den Beruf mit. Doch auch die, die nicht damit groß wurden, würden digitale Angebote nutzen und sich weiterbilden.