US-Autobauer mit großen Plänen Underdog mit saudischem Geld: Wie Lucid Mercedes und Co. angreifen will

Das Modell Air Sapphire von Lucid wurde von Fachjournalisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz kürzlich zum „Car of the Year“ der Kategorie Sportwagen gewählt. Foto: Lucid/Dominic Fraser

Der US-Hersteller Lucid will luxuriöse E-Autos verkaufen, auch wenn es dafür bisher kaum einen Markt gibt. Europachef Lawrence Hamilton setzt auf das Verbrennerverbot.

Automobilwirtschaft/Maschinenbau : Veronika Kanzler (kan)

Die Basisversion des elektrischen Lucid Air kostet rund 85 000 Euro, die Topvariante mehr als 200 000. Konkurrenten wie der Porsche Taycan und der Mercedes EQS verkaufen sich schleppend. Warum sollte es dem Newcomer besser ergehen, fragen wir Lucid-Europachef Lawrence Hamilton.

 

Herr Hamilton, Lucid ist eine junge Firma mit einer Jahresproduktion von zuletzt rund 10 000 Autos, will aber im Premiumsegment Firmen wie Mercedes und Porsche herausfordern. Wie wollen Sie das schaffen?

Wir haben mit unserem ersten Auto in kurzer Zeit schon viel erreicht. Das Modell Air beweist, dass wir unserem Anspruch, das beste Auto der Welt zu bauen, gerecht werden. Elektroautos sind in punkto Energieeffizienz, Fahrdynamik, Geschwindigkeit, Komfort und Raumnutzung Autos mit Verbrennungsmotoren überlegen. Der Air Sapphire ist das Serienauto mit den weltbesten Aerodynamikwerten, hält Rekorde bei Reichweite und Beschleunigung. In Deutschland wurde es gerade zum „Car of the Year“ der Kategorie Sportwagen gewählt.

In Deutschland wurden von Januar bis August nur 136 Lucid zugelassen. Wie wollen sie die Zahl steigern?

Die Zeit wird für uns spielen. Bisher haben nur drei Prozent aller Autofahrerinnen und -fahrer eigene Erfahrungen mit Elektroautos gemacht. Die anderen 97 Prozent wissen noch gar nicht, um wie viel leistungsstärker, leiser und luxuriöser sie fahren können. Unser Vorteil ist, dass wir uns ganz auf Elektroautos konzentrieren können und nicht gleichzeitig noch alte Technologien bauen. Ein Vergleich: Traditionelle Hersteller von Mobiltelefonen haben sich sehr schwer getan, als die Ära der Smartphones begann und neue Hersteller eine grundlegend neue Technologie auf den Markt brachten. Das gilt sicher auch für die Elektromobilität. Zu unserer Story gehört außerdem, dass wir im saudi-arabischen Staatsfonds, der 60 Prozent an Lucid hält, einen Hauptanteilseigner mit langem Atem haben.

Lucid-Europachef Lawrence Hamilton glaubt an die technische Überlegenheit von Elektroautos. Foto: Lucid

Bisher ist das Luxussegment bei E-Autos kaum existent – auch in China nicht, wo die Elektromobilität schneller wächst als in Europa. Was macht Sie sicher, auf das richtige Pferd zu setzen?

Erstens unterscheiden wir uns als ehemaliges Start-up aus dem Silicon Valley, das sich vom Batteriespezialisten zum Autohersteller gewandelt hat, deutlich von der Konkurrenz und bringen viel eigenes Wissen mit. Außerdem wird die europäische Gesetzgebung den ganzen Markt verändern. Wenn ab 2035 keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden, wird logischerweise auch das Premiumsegment elektrisch.

Die europäischen Hersteller arbeiten in Brüssel aber massiv auf ein Aufweichen der Regularien hin ...

Das wäre ein großer Fehler, im Sinne des Klimaschutzes, aber auch ökonomisch. Das Letzte, was die Autobranche braucht, ist weitere Unsicherheit für die Planung. Alle haben Milliarden von Euro investiert, um ihre Fabriken umzurüsten und Lieferketten für die Elektromobilität aufzubauen. Das Geld wäre verschwendet, wenn die EU ihre Klima- und Industriepolitik jetzt wieder in Frage stellt. Deshalb drängen wir die EU, an den Regeln festzuhalten.

Das zweite Lucid-Modell ist ein SUV namens Gravity. Foto: Lucid

So oder so – für Lucid ist es zum Erfolg ein weiter Weg. Wie wollen Sie ihn bewältigen?

Nach der Limousine Air, mit der wir unsere Leistungsfähigkeit gezeigt haben, bringen wir mit dem Gravity ein Modell für die stark nachgefragte SUV-Klasse auf den Markt, zudem in einigen Jahren ein Auto für das mittlere Segment. Wichtig ist außerdem, unsere Sichtbarkeit zu steigern. Wir sprechen derzeit mit größeren Händlergruppen über Kooperationen. In Deutschland beispielsweise gibt es derzeit vier Lucid Studios in München, Düsseldorf, Frankfurt und Hamburg. In den nächsten zehn Monaten sollen zehn bis elf in Zusammenarbeit mit den Händlergruppen hinzukommen.

Auch in Stuttgart?

Stuttgart ist auf jeden Fall ein interessanter Markt.

Lucid Motors

Unternehmen
Lucid Motors mit Sitz in Newark/Kalifornien ging 2016 aus dem Batterieproduzenten Atieva hervor. Zu den Gründern gehörten ehemalige Tesla-Führungskräfte, seit 2019 ist der saudische Public Investment Fund Hauptanteilseigner. 2024 verkaufte Lucid gut 10 000 Autos, der Umsatz lag bei 777 Millionen US-Dollar. Es entstand ein Jahresverlust von fast drei Milliarden Euro.

Fabriken
Gefertigt wird in Casa Grande (Arizona), in Saudi-Arabien gibt es ein Montagewerk, das zu einer zweiten Produktionsstätte ausgebaut werden soll.

Europachef
Lawrence Hamilton (54) ist seit Dezember 2024 Europa-Präsident von Lucid mit Sitz in Amsterdam. Davor war der britische Manager unter anderem für Genesis, Hyundai, Kia und Mitsubishi tätig.

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