Verbände zu XXL-Landtag Auch der Frauenrat will ein Limit für den Landtag

Schon heute übervoll: der Plenarsaal Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Selbst die Befürworter der Wahlrechtsreform möchten nicht, dass diese zu einer Aufblähung des Parlaments führt. Sie appellieren an die Fraktionen, dies zu verhindern.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Ist der Landesfrauenrat mit „schuld“, wenn der nächste Landtag noch mehr Abgeordnete zählt, womöglich bis zu 100 über der Sollgröße von 120? Diese – ziemlich zugespitzte – Frage könnte man stellen, denn der Dachverband von 50 Frauenorganisationen im Südwesten war eine treibende Kraft bei der Wahlrechtsreform, die zur Aufblähung des Parlaments führen könnte. Seit seiner Gründung im Jahr 1969 kämpft er für eine paritätische Besetzung mit Frauen und Männern unter anderem in den Parlamenten.

 

Die Wahlrechtsreform mit Zwei-Stimmen-Wahlrecht und Landeslisten verbessert für die Vize-Vorsitzende Verena Hahn „die Chancen, dass Frauen gewählt werden können“. Derzeit seien im Landtag nur 32,5 Prozent der Abgeordneten weiblich. Mit den neuen Instrumenten könnten die Parteien auf Geschlechterparität hinwirken – was die Grünen indes schon mit dem alten Wahlrecht geschafft haben. Dies sei zu unterscheiden von der Diskussion über die Größe des Parlaments, betont Hahn; da werde „unter dem Schlagwort ,Bürokratieabbau‘ gerade massiv und auch häufig unsachlich Stimmung gemacht“. Der Landesfrauenrat plädiere für eine „differenzierte Debatte“.

„Diskussion über Begrenzung nachholen“

Die Gefahr einer „Aufblähung“ des Landtags sieht das Verbändebündnis auch. Bei der Reform des Wahlrechts habe sich die Parlamentsmehrheit jedoch nicht für eine der Maßnahmen zur Begrenzung der Mandate entschieden: dies könne etwa über eine Reduzierung der Zahl der Wahlkreise oder über eine Begrenzung von Überhang- und Ausgleichsmandaten wie im Bundestag geschehen. Hahn: „Diese Diskussion wird nun hoffentlich sachlich und differenzierte nachgeholt, was der Landesfrauenrat begrüßen würde.“

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Baden-Württemberg gehörte einst zu den Befürwortern der Wahlrechtsreform. Man stehe „ohne Wenn und Aber zu dem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit“, sagt sein Vorsitzender Kai Burmeister. Die Parteien müssten endlich dafür sorgen, dass mehr Frauen in den nächsten Landtag kämen. Ein deutlich größer werdender Landtag wäre für Burmeister „nicht vermittelbar“. Die Beschäftigten erwarteten von der Landespolitik, dass ihre Alltagsprobleme gelöst würden. Ein aufgeblähtes Parlament stünde „im starken Widerspruch“ zur knappen Personaldecke in Kitas, Ämtern oder Kliniken. Die Warnungen von Fachleuten vor einem zu stark wachsenden Landtag „verlangt noch mal ein genaues Überprüfen“, sagt der DGB-Landeschef.

Handwerk ruft nach Überprüfung

Wie andere Wirtschaftsverbände hätte auch der Handwerkstag Baden-Württemberg kein Verständnis für einen übergroßen Landtag. „Mehr Abgeordnete bedeuten nicht nur Millionen an zusätzlichen Ausgaben, sondern auch mehr Beamtenstellen, also noch größere Verwaltung und langsamere Prozesse“, warnt der Hauptgeschäftsführer Peter Haas. Es sei „nicht vermittelbar und auch nicht erklärbar, warum eine simple Begrenzung der Mandate nicht machbar“ sein solle. Gerade in Krisenzeiten, da Unternehmen Standorte schließen und Arbeitsplätze abbauen, dürfe „die Politik nicht den Anschein erzeugen, sich abzusichern“. Wenn Parteien mit weniger Stimmen gleich viele Sitze erhielten, nähre das die Politikverdrossenheit. Haas: „In diesen Zeiten wäre eine Überprüfung des neuen Wahlrechts ein Beleg staatsmännischer Verantwortung.“ Eine Verkleinerung des Landtags wäre „ein noch deutlicheres Zeichen an die Bürger.“

Auch der Beamtenbund Baden-Württemberg dringt auf eine rasche Überprüfung der Wahlrechtsreform. Es sei „nicht einzusehen“, warum damit „bis nach der Landtagswahl gewartet werden soll“; sagt der Landesvorsitzende Kai Rosenberger. Wenn es dann tatsächlich bis zu 220 Abgeordnete gäbe, würden sich die zusätzlich wohl kaum für eine Reduzierung der Sitze bei der nächsten Wahl, 2031, einsetzen – sie könnten davon schließlich „persönlich betroffen“ sein.

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