In Stuttgarts größtem Gewerbegebiet arbeiten 28 000 Menschen. Seit Jahren wird überlegt, wie sich ein Verkehrskollaps verhindern lässt. Eine neue Erhebung zeigt: Es hat sich etwas getan – vor allem bei einem Verkehrsmittel.
Schlagworte wie Verkehrskollaps und Parkplatznot gehören seit Jahren zu Stuttgarts größtem Gewerbegebiet. Aktuell arbeiten rund 28 000 M enschen im Synergiepark Vaihingen/Möhringen, Tendenz steigend. Etwa die Hälfte der Pendler ist laut Schätzungen pro Weg eine Stunde unterwegs, viele kommen mit dem Auto. Das führt zu Problemen.
Eine neue Erhebung zeigt aber auch: In den vergangenen Jahren hat sich etwas verändert. Die beiden Männer, die davon erfreut berichten, sind Günter Sabow und Jörg Schönharting; beide kennen den Synergiepark wie ihre Westentasche, beide überlegen schon lang, wie das Gewerbegebiet von der Verkehrsverstopfung befreit werden könnte.
Erkenntnisse auch für andere Gewerbegebiete in Stuttgart
Ende November 2024 ist ihr Projekt „KISS“ zu Ende gegangen. Die vier Großbuchstaben stehen für „Klimaschutz-Impulse für den Synergiepark Stuttgart“. Das Volumen betrug eine Viertelmillion Euro. Den Großteil haben sie aus dem Klima-Innovationsfonds der Stadt Stuttgart bekommen – weil man sich auch Erkenntnisse für andere Gewerbegebiete erhofft.
Projektträger von KISS ist die Wirtschafts- und Industrievereinigung (WIV). Sabow war 35 Jahre Vorsitzender der WIV, seit Oktober ist er ihr Ehrenvorsitzender . Schönharting ist der Geschäftsführer der TRC GmbH, einem Unternehmen, das Konzepte und Modelle für den Verkehr in einer klimafreundlichen Zukunft entwickelt. Die Firma aus dem Synergiepark war neben der Uni Stuttgart und den Stadtwerken Stuttgart Projektpartner.
In Zusammenarbeit mit rund zwei Dutzend Firmen haben sie 2023 erhoben, wie die Menschen anreisen. „Die Hauptveränderung ist beim Radverkehr“, sagt Schönharting. Waren von 5500 erfassten Pendlern 2019 noch 2,8 Prozent mit dem Rad gekommen, waren es 2023 bereits 7,5 Prozent. Die Steigerung erklären sich die beiden Männer mit verschiedenen Faktoren.
E-Bike ist beliebter geworden
Zum einen ist das E-Bike beliebter geworden. Zum anderen hätten Firmen Dinge angepasst: Manche hätten Duschen und Umkleiden eingebaut, damit sich Radfahrer vor dem Arbeitsantritt frisch machen können. Manche hätten Abstellmöglichkeiten für die – teils teuren – Räder verbessert. Das wirkt offenbar.
Die Zahl der Autopendler ist allerdings konstant geblieben (rund 50 Prozent), die der ÖPNV-Nutzer zurückgegangen (von 37 auf 30 Prozent); dazu muss man aber sagen: Die Erhebung war in Coronazeiten, vor dem Homeoffice – und vor der Einführung des Deutschlandtickets. Dieses würden die meisten Unternehmen im Synergiepark inzwischen standardmäßig bezuschussen, sagen sie.
Beim Radverkehr sehen Sabow und Schönharting weiteres Potenzial, doch es wäre dafür aus ihrer Sicht nötig, dass die Stadt mehr mithilft. Zum Beispiel bei Radwegen oder mit Zuschüssen für Unternehmen, die für radelnde Kollegen umbauen. Hilfreich wäre es, wenn die Zersplitterung der Zuständigkeiten beim Klimaschutz innerhalb der Stadtverwaltung kleiner wäre. Und sie sprechen von einem wahren Förderdschungel von Stadt- über Landes- bis zur Bundesebene.
Mit den Erkenntnissen, die sie in dem Gebiet auf den Fildern gesammelt haben, haben sie jetzt eine Regieanleitung vorgelegt, die anderen helfen kann auf dem Weg zur Emissionsfreiheit. Was sie zusammenfassend sagen können: Wenn die Anstrengungen nicht nachlassen und die E-Mobilität an Fahrt gewinnt, würde Stuttgarts größtes Gewerbegebiet beim Verkehr das Klimaziel 2035 erreichen. Die Stadt Stuttgart will bekanntlich bis in zehn Jahren klimaneutral sein. Ob das auch gelingt, ist noch nicht ausgemacht.