Vermieter aus Stuttgart berichten „Die Kaution müsste 10.000 Euro betragen“ – Wenn Mieter zum Problem werden

Die Mieter verlassen seine Wohnungen oft in einem schlechten Zustand, beklagt Vermieter Thomas Kärcher. Foto: KI/Midjourney/Montage: Ruckaberle

Zwei Vermieter aus Stuttgart beklagen: Auf die Mieter von heute sei kein Verlass mehr. Sie schildern Erfahrungen, die sie „viel Geld und Nerven“ gekostet hätten.

Architektur/Bauen/Wohnen: Andrea Jenewein (anj)

Die beiden Männer sitzen am Tisch. Sie sind Nachbarn, leben in bester Halbhöhenlage im Stuttgarter Osten direkt am Waldrand. Sie sind beide über 60 und vor allem eint sie eins: Sie vermieten beide Wohnungen. Über dieses Thema können sie sich stundenlang unterhalten – oder vielmehr schimpfen. Denn das Vermieten, so sagen beide, sei inzwischen zu einem nervenaufreibenden Unterfangen geworden, es sei ein „hartes Geschäft“.

 

Thomas Kärcher, dem der Tisch und das Haus gehören, an und in dem das Treffen an diesem Tag stattfindet, ist deshalb auch noch immer erzürnt über das Interview, das Rolf Gaßmann, der Vorsitzende des Mietervereins Stuttgart, im August 2025 unserer Zeitung gab.

Darin prangerte Gaßmann den hohen Leerstand in Stuttgart an. „Der sollte erst mal selbst eine Wohnung vermieten, um zu sehen, mit was wir Vermieter uns rumschlagen müssen“, sagt Kärcher. Er wolle zwar den Leerstand nicht verteidigen, aber doch die Gründe aufzeigen, die seiner Meinung nach dazu führten, dass immer weniger Wohnungsbesitzer gewillt sind zu vermieten.

Das Vermieten sei ein „Theater“

Er selbst vermietete bis vor einiger Zeit insgesamt sechs Wohnungen: eine in Hemmingen im Kreis Ludwigsburg, eine in Leinfelden, zwei in Bietigheim und zwei in seinem eigenen Haus im Stuttgarter Osten. Außer die beiden letzteren hat er inzwischen alle verkauft. „Meine Frau meinte irgendwann, das Theater wolle sie nicht mehr mitmachen“, sagt Kärcher. Und von dem Theater weiß er weitschweifig zu erzählen.

Im Jahr 2013 kaufte er die Wohnung in Hemmingen: 117 Quadratmeter groß, 800 Euro Miete wollte er dafür. Ein durchaus preisgünstiges Angebot, selbst für damalige Zeiten. Es habe sich ein Bäcker bei ihm gemeldet, dieser hatte drei Kinder und verdiente 1650 Euro. „Er hat mich inständig gebeten, die Wohnung an ihn zu vergeben, da er mit drei Kindern dringend eine große und bezahlbare Wohnung benötige“, sagt Kärcher. Die Miete komme vom Jobcenter. Kam sie auch, zumindest zu Beginn. Irgendwann teilte das Jobcenter Kärcher dann aber mit, dass das Geld für die Miete fortan aus Datenschutzgründen an den Mieter ginge, der es dann an Kärcher weiterüberweisen müsse.

Damit habe die Misere angefangen. Erst sei die Miete unregelmäßig, am Schluss dann gar nicht mehr gekommen. Zudem habe der Bäcker noch zwei weitere Kinder bekommen. Die Mieterin, die unter der Familie wohnte, habe sich bei Kärcher über den Lärm beschwert, wie auch über das Gerümpel, das er im Keller abgestellt habe. „Da bist Du nur am vermitteln und gehst abends mit all dem im Kopf ins Bett“, sagt Kärcher. 2019 ging er dann vor Gericht, um den Bäcker und seine Familie raus zu klagen – er bekam recht. „Das hat mich aber viel Geld und Nerven gekostet.“

Schlechte Erfahrungen mit den „neuen“ Mietern

Schlaflose Nächte kennt auch sein Nachbar Timo L., der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Er vermietet acht Wohnungen, schon seine heute über 90-jährige Mutter habe Wohnungen vermietet. Damals sei das noch einfach gewesen. „Da zogen dann Paare ein, gründeten eine Familie, und wenn die alten Leute nach 50 Jahren ins Heim umzogen, war alles picobello“, sagt er.

Mit den Mietern, die er heute selbst ausgewählt habe, gäbe es viel mehr Probleme, obwohl er diese überhaupt nur zur Besichtigung einlüde, wenn sie selbst eine Wohnungssuchanzeige in der Zeitung geschaltet hätten. „Wenn Du selbst eine aufgibst, hast Du innerhalb von einem Tag 50 Interessenten“, sagt er.

In solch einem Zustand, klagt Thomas Kärcher, hinterlassen viele Mieter die Küche, wenn sie ausziehen. Foto: privat

Trotz der sorgsamen Auswahl habe er mit den „neuen“ Mietern oftmals schlechte Erfahrungen gemacht. Ein Mieter etwa habe vor dem Auszug alles Wände frisch gestrichen. Eigentlich super, doch habe er dafür eine Sprühpistole benutzt und gleich auch alle Türen, Bodenleisten und Steckdosen mit angesprüht. Da habe auch die 500 Euro Kaution nichts gebracht: „Wenn Du alle Schäden mitberücksichtigen würdest, die so entstehen, müsste die Kaution 10 000 Euro betragen“, sagt er. Zwei Studentinnen hätten in einer Wohnung die Wände mit Heizkörperlack gestrichen. „Bis Du das alles wieder abgekratzt hast, das dauert“, sagt Timo L.

Zu dem Ärger mit den Mietern kommen aber noch andere Probleme hinzu, wenn man Wohnungen vermiete. Timo L. verweist etwa auf Sanierungen, die immer wieder fällig würden: „Ich habe kürzlich eine meine Wohnungen renoviert, alles neu gemacht. Das hat mich 60.000 Euro gekostet. Bis ich das Geld wieder drin habe, dauert es mindestens zehn Jahre“, sagt Timo L.

Und dann stehe auch schon wieder die nächste Sanierung an. „In meinem Alter habe ich – in die Zukunft gedacht – nur wenig davon. Ich habe mir durchaus schon überlegt, das es wesentlich leichter und einfacher wäre, das Geld auf der Bank liegen zu haben, als in Immobilien zu investieren.“ Dennoch glaubt er an die Immobilie als Anlageobjekt und will einige der Wohnungen nun an die nächste Generation weitergeben, an seinen Sohn. „Der soll sich dann drum kümmern.“

Gestiegene Kosten blieben an den Vermietern hängen

Thomas Kärcher wühlt in einem Haufen mit Rechnungen, der vor ihm liegt, und zieht die mit der Grundsteuer raus. „Im Jahr 2024 habe ich noch 415 Euro Grundsteuer bezahlt, in diesem Jahr sind es jetzt 1850 Euro. Die Erhöhung möchte ich jetzt aber nicht an meine Mieter abwälzen, da fresse ich halt die Kröte“, sagt er. Auch die Rechnungen der Handwerker, die er immer wieder rufen muss, um Mängel in seinen Mietwohnungen zu beheben, hätten sich merklich erhöht. Für die Beseitigung einer Rohrverstopfung habe er 2018 noch 136 Euro gezahlt, der gleiche Handwerksbetrieb knöpfte ihm 2023 für die selbe Leistung 317 Euro ab, sagt er. „Das bleibt alles bei uns Vermietern hängen.“ Kärcher stellt die Frage: „Wer will da schon noch vermieten?“

Darum wundert die beiden Vermieter der hohe Leerstand in Stuttgart auch nicht wirklich. „Wenn du es dir leisten kannst, dann vermietest du besser nicht. Vor allem, wenn die Mietwohnungen sich im eigenen Haus befinden. Denn da musst du mit den Leuten eng auf eng zusammenleben“, sagt Kärcher. Timo L. ist gegen Leerstand, aber gleichfalls gegen Strafen und Bußgelder dafür. „Ich finde, die Stadt sollte für die Wohnungsbesitzer lieber Anreize schaffen, ihre Immobilie zu vermieten“, sagt er.

Thomas Kärcher hat gerade eine seiner Mietwohnungen leer stehen. Aber die nächsten Mieter sind bereits gefunden. Bis sie einziehen, putzen Kärcher und seine Frau noch alle Räume. Wieder einmal muss vieles ersetzt werden, alle Töpfe, das Backblech und auch die Glasscheibe am Herd. Die möblierte Dreizimmerwohnung mit 63-Quadratmetern und Blick auf Stuttgart vermietet Kärcher für 900 Euro, inklusive Nebenkosten. „Viele von uns wollen gar nicht möglichst teuer vermieten, sondern wir wollen einfach gute Mieter“.

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