An Unterstützung aus dem Berufsstand mangelt es nicht: Zuversichtlich posieren am Morgen etwa 15 Friseurinnen und Friseure vor dem Gerichtssaal zum Gruppenfoto. Und gebannt verfolgen sie in den nächsten Stunden die Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart, vor dem einer von ihnen, der Heidenheimer „City-Friseur“ Holger Schier, gegen die Rückforderung der Corona-Soforthilfe geklagt hat.
15 000 Euro hatte Schier zunächst erhalten, später machte die L-Bank einen Rückzahlungsbedarf von 10 424,21 Euro geltend. Der Kampf gegen die Widerrufs- und Erstattungsbescheide der L-Bank elektrisiert eine ganze Branche. Daher zeigt auch die Initiative Friseure für Gerechtigkeit Präsenz: Mittlerweile hat sie mehr als 3000 Mitglieder, wie einer ihrer Sprecher, der Münchner Friseur Bernhard Ries, schildert. Die Initiative sammelt zudem Geld, um die Vorreiter im juristischen Konflikt zu unterstützen.
Gastronom soll die gesamte Summe von 15 000 Euro zurückzahlen
Das Gericht verhandelt in einem Durchgang, formal getrennt, allerdings noch einen weiteren Fall aus der Hotel- und Gaststättenbranche, die vom Lockdown in der Zeit von März bis Mai 2020 ebenso massiv betroffen war. Dabei verlangt die Förderbank von einem Lauchheimer Hotel Restaurant die gesamte Soforthilfe-Summe von 15 000 Euro zurück. Nachdem zahlreiche Vertreter vor allem dieser Branchen vor Gericht gezogen, wurden die meisten Klagen ruhend gestellt, bis über die von den Gerichten definierten Musterverfahren entschieden ist.
Schnell stellt sich in den Verhandlungen vor der 15. Kammer heraus, dass es allein um das Corona-Soforthilfeprogramm des Landes für Soloselbstständige und kleine Firmen mit bis zu 50 Erwerbstätigen gehen soll – also um die allerersten Hilfen auf Grundlage einer Richtlinie vom 22. März 2020. Diese Fälle machen auch das Gros der beim Verwaltungsgericht eingegangenen Klagen aus. Etwas anders stellt sich demnach die Rechtslage beim folgenden gemischten Programm von Bund und Land auf Basis einer Verwaltungsvorschrift vom 8. April 2020 dar. Diese Unterscheidung ist zentral, weil die Bedingungen seinerzeit verschärft wurden.
Zugesichert wurde ein Zuschuss – kein Darlehen
Zu klären ist nun die Frage, ob der Heidenheimer Friseur und der Lauchheimer Hotelier von den anfänglichen Angaben ausgehen konnten. Holger Schier macht jedenfalls noch einmal deutlich, dass von den Regierenden in Land und Bund ein Zuschuss angekündigt worden sei – von einem Darlehen sei anfänglich keine Rede gewesen. Beispielsweise war auch noch in einem FAQ von L-Bank und Wirtschaftsministerium mit Stand vom 25. März 2020 dezidiert von einem „Zuschuss“ die Rede, „der nicht zurückgezahlt werden muss“.
Zunächst hatte es zudem geheißen, dass der Zuschuss zur – vermeintlich punktuellen – Überwindung einer existenzbedrohlichen Wirtschaftslage und von Liquiditätsengpässen oder Umsatzeinbrüchen dienen sollte. Später, im Rückmeldeverfahren, verband die L-Bank mit der Förderung die Intention, Liquiditätsengpässe über einen Zeitraum von drei Monaten – gerechnet vom Tag der Antragstellung an – zu überbrücken. Die Empfänger sollten mit dem Geld die laufenden Verpflichtungen (Betriebsausgaben wie Miete, Energie und ähnliches – nicht jedoch die Personalkosten, die bei Friseuren mehr als 60 Prozent des Umsatz ausmachen) zahlen. „Wir reden hier nicht über einen Eins-zu-eins-Ausgleich für entgangenen Umsatz“, betont Karsten Klein, der Bereichsleiter Recht bei der L-Bank, der sich bei der Konkretisierung der Bedingungen auf den Landtag aus Fördermittelgeber beruft.
Zweck der Soforthilfe für die Empfänger hinreichend erkennbar?
Wann genau liegt ein Liquiditätsengpass vor? Was die Bank Ende März 2020 als Voraussetzung der Hilfe in einem Satz ausdrückte, wurde Ende April auf einer Seite dargestellt. Mussten die Hilfsempfänger über all die Wochen verfolgen, wie sich die Konditionen verändern? Die Anwälte der Kläger bestreiten dies. Auch das Gericht äußert seine Zweifel daran, dass der Zweck der Soforthilfe für die Empfänger hinreichend erkennbar war. „Faktisch haben Sie aus einem Zuschuss ein Darlehen gemacht“, sagt die Vorsitzende Richterin Ulrike Göppl an die Adresse von Klein. Dass der Staat als Zuschussgeber generell Geld zurückfordern darf, wenn er seine Vorgaben nicht eingehalten sieht, macht sie mit Verweis auf die Steuermittel auch klar. „Sonst würde er sich der Untreue schuldig machen.“
Nachdem das Gericht eine Vielzahl kritischer Fragen an die Beklagten des Landes gestellt und „gewisse Bauchschmerzen“ in diversen Punkten geäußert hat, kann seine vorläufige Rechtsauffassung nicht mehr überraschen: Dass es die Widerspruchs- und Erstattungsbescheide der L-Bank als nicht rechtmäßig ansehen könnte. Das Gericht wird nach der Beratung nun rasch einen sogenannten Tenor seiner Entscheidungen hinterlegen, bevor es binnen zwei Wochen ausformulierte Urteile spricht. Schon in Freiburg hatte die L-Bank in erster Instanz verloren. Möglich ist, dass in Stuttgart wiederum wegen grundsätzlich bedeutsamer Punkte eine Berufung zugelassen wird. Dann würde es auch in diesen Fällen vor dem Verwaltungsgerichtshof in eine neue Runde gehen.