Matchwinner gegen den 1. FC Heidenheim: Bilal El Khannouss wird für den VfB immer wichtiger, spielt aber auch im Nationalteam Marokkos eine Rolle. Foto: Pressefoto Baumann/Volker Mueller
Der 21-Jährige avanciert immer mehr zum Schlüsselspieler und wird vom VfB wohl fest verpflichtet. Ende des Jahres muss ihn der Club voraussichtlich ersetzen – wie lange, ist offen.
Gelingen bestimmte Aktionen immer wieder, haben sie oft zwei Merkmale: Der Gegner weiß genau, was kommt – und kann es doch nicht verhindern. Arjen Robben perfektionierte das Ganze einst beim FC Bayern München, als er ein ums andere Mal von außen ins Zentrum zog und in die lange Ecke traf. In der laufenden Saison nun ist ein Akteur des VfB Stuttgart auf dem besten Weg, eben diesen Ablauf als sein persönliches Markenzeichen zu etablieren. Dreimal war Bilal El Khannouss auf besagte Weise schon erfolgreich, dreimal konnten ihn mehrere Gegenspieler nicht stoppen. Auch am Sonntag nicht beim goldenen Treffer zum 1:0-Heimsieg gegen den 1. FC Heidenheim.
Natürlich, betonte FCH-Trainer Frank Schmidt im Nachhinein, habe er diese Szenen seinen Profis in der Spielvorbereitung gezeigt. „Trotzdem ist es schwierig zu verteidigen. Er agiert da gut, weil er sieht, dass wir grätschen – und dann eben nicht abschließt, sondern sich den Ball nochmal vorlegt“, sagte der Coach. Der Schuss selbst brach dann zwar keine Geschwindigkeitsrekorde, punktete aber mit Präzision. „Er hat einen sehr überlegten Abschluss mit der Innenseite“, lobte VfB-Trainer Sebastian Hoeneß seinen Schützling: „Drei Tore auf dieselbe Weise – das kann kein Zufall mehr sein.“
Sebastian Hoeneß sieht auch Verbesserungspotenzial bei El Khannouss
Diese Qualitäten überraschen insofern, als dass das Toreschießen bislang nicht zur Kernkompetenz des 21-Jährigen gehört hatte. In der Vorsaison gelangen ihm für Leicester City in 37 Pflichtspielen drei Treffer – diese Marke hat er beim VfB schon jetzt eingestellt. Worin der Unterschied liegt? „Ich folge meinem Instinkt“, sagte El Khannouss, „vergangene Saison war das teilweise anders, da habe ich zu viel nachgedacht.“
Mit seiner neu erlangten Torgefahr avanciert der marokkanische Nationalspieler für den VfB zunehmend zu einem Unterschiedsspieler, der mit kreativen Momenten Partien entscheiden kann – und auch sonst das Stuttgarter Ballbesitzspiel prägt. Mit einer blitzsauberen Technik und engen Ballführung, dazu einer guten Übersicht. Hoeneß verzichtet auf diese Qualitäten praktisch gar nicht mehr, im zurückliegenden Block zwischen den beiden Länderspielpausen stand El Khannouss in fünf von sechs Pflichtspielen in der Anfangsformation im zentralen offensiven Mittelfeld.
Dass er mit seinen 21 Jahren noch kein kompletter Spieler ist, liegt zugleich ebenfalls auf der Hand. Die überbordende Spielfreude überwiegt in manchen Situationen noch zu Lasten der notwendigen Seriosität, auch Hoeneß hat das im Blick: „Die Balance zwischen Risiko und Klarheit stimmt noch nicht immer“, sagte der Stuttgarter Trainer, „es ist der eine oder andere Ballverlust zu viel dabei, weil er es zu schön und zu genial machen möchte. Daran werden wir mit ihm arbeiten.“
Ende Dezember beginnt der Afrika-Cup in Marokko
Unter dem Strich aber, daran besteht kein Zweifel, hat sich die Verpflichtung für den VfB mehr als ausgezahlt – und damit auch der arbeitsreiche finale Tag der Transferperiode Anfang September. Auf den letzten Drücker war El Khannouss als Nachfolger von Enzo Millot vom Premier-League-Absteiger Leicester City gekommen – vorerst per Leihe bis Saisonende, wobei es aber voraussichtlich nicht bleiben wird: Der Vertrag enthält eine Kaufpflicht über rund 20 Millionen Euro, die an niedrige Bedingungen und überschaubare Einsatzzeiten geknüpft ist. Die Wahrscheinlichkeit ist also groß, dass sich das Arbeitspapier von El Khannouss über den Sommer 2026 hinaus verlängert.
Zuvor aber wird der VfB in der laufenden Saison voraussichtlich eine ganze Weile auf seinen Schlüsselspieler verzichten müssen. Stichwort Afrika-Cup. Die kontinentale Meisterschaft im Winter naht und überschneidet sich erneut mit dem Bundesliga-Spielplan. Zwar steht die finale Kader-Nominierung natürlich noch aus – zuletzt aber war El Khannouss stets im Aufgebot Marokkos und hatte bei seiner Vorstellung in Stuttgart vor einem Monat betont: „Für mich ist es eine riesengroße Ehre, für mein Land spielen zu dürfen. Das erfüllt mich mit Stolz.“ Dass der Afrika-Cup dieses Mal in Marokko stattfindet, sorgt für eine zusätzliche spezielle Note.
Bilal El Khannouss im Nationaltrikot Marokkos Foto: IMAGO/NurPhoto
Vieles spricht also dafür, dass der VfB in dieser Saison mehrere Spiele ohne seinen offensiven Kreativakteur bestreiten wird. Wie viele? Am 21. Dezember steigt Marokko gegen die Komoren ins Turnier ein, was sich mit dem Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim an jenem Wochenende überschneidet. Im Januar hängt dann vieles vom Turnierverlauf ab – da Marokko aber zum Favoritenkreis zählt, wäre ein Verbleib im Turnier bis zum Finale am 18. Januar keine Überraschung. Und weil die Bundesliga direkt mit einer englischen Woche ins neue Jahr startet, werden bis dahin schon drei Partien gespielt sein. Ob die Afrika-Cup-Teilnehmer danach von ihren Vereinen eine kurze Auszeit wegen der ausgefallenen Winterpause erhalten, steht zudem noch nicht fest.
Noch ist diese Phase ja aber ein gutes Stück entfernt. Im Hier und Jetzt stehen für Bilal El Khannouss erst einmal zwei Länderspiele mit Marokko an – und dann mit dem VfB die Bundesliga-Partie beim VfL Wolfsburg. Wo er womöglich wieder zu seinem Markenzeichen ansetzen und von außen ins Zentrum ziehen wird.