In ungewöhnlich vielen Bädern im Kreis Esslingen ist in den vergangenen Monaten Chlorgas ausgetreten. Es kam zu Evakuierungen und Großeinsätzen der Feuerwehr. Zuletzt gab es in Beuren mehrere Verletzte.
Eine Evakuierung im Fildorado in Filderstadt, Großeinsätze der Feuerwehr in Wernau und Filderstadt-Plattenhardt, das Wendlinger Freibad wird ganztags gesperrt: In den vergangenen Monaten hat es ungewöhnlich viele Chlorgasalarme in Schwimmbädern im Kreis Esslingen gegeben. Häufig wurden Badegäste und Mitarbeitende evakuiert, Verletzte gab es zuletzt nur in Beuren.
Am Mittwochnachmittag sorgte dort eine überhöhte Chlorkonzentration in einem Außenbecken der Therme für einen größeren Einsatz von Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr - ersten Erkenntnissen zufolge wegen eines technischen Defekts. Zwölf Menschen sollen leichte Verletzungen erlitten haben, darunter Atemwegsreizungen. Was ist da los?
Ausgelöst wurden die Alarme in den Bädern aus unterschiedlichen Gründen:
- Ende September bemerkt eine Zeugin im Hallenbad in Filderstadt-Plattenhardt Chlorgas-Geruch. 50 Einsatzkräfte der Feuerwehr rücken an und entdecken: einen undichten Schlauch. Das Bad blieb einen Tag geschlossen.
- Mitte September alarmieren die Sicherheitssysteme im Fildorado noch vor offiziellem Einlass die Feuerwehr. 30 Beschäftigte müssen das Gebäude verlassen. „Ursache war der Wechsel einer Chlorgasflasche, bei dem eine geringe Menge Gas im Technikraum austrat“, heißt es von der Verwaltung des Filderstädter Bades.
- Anfang September gibt es einen Großeinsatz der Feuerwehr im Neckartal-Freibad in Wernau. Den Vormittag über bleibt das Bad gesperrt. Der Grund: Beim Wechseln einer Chlorgasflasche ist einem Beschäftigten ein Bedienfehler unterlaufen.
- Mitte August bleibt das Wendlinger Freibad einen Tag lang gesperrt. Mutmaßlich wegen eines technischen Defekts sei es zu einem zeitweiligen Austritt des Chlorgases gekommen, heißt es von der Feuerwehr, die mit einem Großaufgebot vor Ort war.
- In Nürtingen schlägt Mitte Juli eine Warnanlage an, nachdem laut Polizei beim Austausch von Chlorgasflaschen Gas ausgetreten war.
Wie gefährlich ist Chlorgas in Schwimmbädern?
„In letzter Zeit gab es tatsächlich gehäuft Chlorgasalarme im Kreis“, sagt Nicolas Berger, Fachberater Chemie für den Landkreis Esslingen. Seit 25 Jahren ist er in dem Bereich tätig. „Normalerweise sind es nur zwei bis drei Alarme im Jahr.“ An sich ist Chlorgas nicht ungefährlich. Während des Ersten Weltkriegs wurde die Substanz als Kampfmittel eingesetzt, heute wird das aggressive Gas als Desinfektionsmittel gegen Bakterien, Algen oder auch Pilze im Wasser verwendet.
Für Besucherinnen und Besucher der Schwimmbäder sowie die Umwelt seien die Vorfälle dennoch kaum gefährlich, sagt Berger. Die Großaufgebote der Feuerwehr rührten daher, dass bei Chlorgasalarmen immer die Alarmstufe ausgerufen wird, bei der ein Gefahrgutzug mitfährt. „Im Normalfall tritt das Chlorgas in einem Kellerraum unter dem Schwimmbad aus. Die Hauptkonzentration bleibt also im Raum“, erklärt der Experte. Doch auch hier gibt es Ausnahmen, wie der Fall in Beuren zeigt: Nach Angaben der Polizei wurden die zwölf Betroffenen vor Ort vom Rettungsdienst versorgt. Drei von ihnen brachten die Einsatzkräfte zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus.
Die ungewöhnlich vielen Alarme in den vergangenen Monaten bezeichnet Berger als Zufall. „Ich will nicht sagen, dass die Anlagen veraltet sind. Das kommt halt mal vor. Sie werden regelmäßig überprüft.“ Das aggressive Gas greife die Chlorgasflaschen und Gewinde an. Auch persönliche Fehler beim Hantieren mit Chlorgas „können trotz Schulungen und großer Sorgfalt bei diesem Vorgang nicht vollständig ausgeschlossen werden“, heißt es von den Verantwortlichen nach dem Großeinsatz in Wernau. In der Regel passiert die Arbeit an den Flaschen außerhalb der Bad-Öffnungszeiten.
Anzeichen für Chlorgas erkennen
Im Zweifelsfall rieche man das Gas sehr schnell, sagt Berger: Ein stechender Geruch und „dann bleibt einem erst ein Mal die Luft weg“. Er selbst habe aber noch nie gefährliche Lungenverletzungen nach einem Chlorgas-Vorfall erlebt. „Einmal gab es einen Hausmeister, der erneut in den Raum mit Gas ist. Der hatte danach Rötungen auf der Haut – aber nicht mehr“, erzählt der Experte. Bei den Einsätzen sei immer ein Notarzt dabei.
Trotzdem hat die Freiwillige Feuerwehr Neuffen zusammen mit dem DLRG und dem Rettungsdienst kürzlich eine realitätsnahe Großübung im dortigen Höhenfreibad mit zahlreichen Statisten durchgeführt, um im Falle eines Chlorgasaustritts vorbereitet zu sein. Das Fazit der Übung: überwiegend positiv, heißt es von der Feuerwehr.
Feuerwehr im Kreis Esslingen
Neuer Gerätewagen
Seit September dieses Jahres gibt es im Kreis Esslingen einen neuen Gerätewagen Messtechnik. Alarmiert wird er für besondere Einsatzlagen, gemessen werden Gefahrstoffe, Emissionen bei Bränden, Gasausströmungen oder Gefahrgutunfälle. Das Fahrzeug und die dazugehörige Messgruppe sind bei der Feuerwehr in Ostfildern-Nellingen stationiert.Der „GW-Mess“ gehört allerdings dem Landkreis und kann überall verwendet werden.
Organisation
In Baden-Württemberg ist jede Gemeinden für eine eigene Feuerwehr zuständig. Die allgemeine Aufsicht liegt allerdings beim jeweiligen Landratsamt. Im Landkreis Esslingen betrifft das 44 Gemeinde- und 6 Werkfeuerwehren, heißt es vom Landratsamt. Das Amt unterstütze die Feuerwehren „z.B. bei der Beschaffung von Fahrzeugen, bei der Aus- und Fortbildung, bei der überörtlichen Alarm- und Ausrückeordnung oder bei feuerwehrtechnischen Fragen aller Art“.