Was haben Kabarettist Christoph Sonntag, Winzer Thomas Diehl und Magier Thorsten Strotmann gemeinsam? Sie machen mit beim Abstinenz-Trend Dry January und verzichten im ersten Monat des Jahres auf Alkohol. Was sagt die Ärztin und Bestseller-Autorin Lisa Federle dazu?

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Der Dry Gin hat so gut wie gar nichts mit dem Dry January zu tun. Auch um trockenen Humor und trocken Brot geht es dabei nicht. Der Dry January, also der trockene Januar, stammt aus England, wo es eine Gesundheitskampagne gab, die dazu aufrief, das neue Jahr ohne Alkohol zu beginnen und 31 Tage lang durchzuhalten. Der gesamte Januar soll Gelegenheit bieten, seine Gewohnheiten zu hinterfragen.

 

Der britische Abstinenz-Trend greift auch in Stuttgart um sich. Man muss nicht lange suchen, um Menschen zu finden, die sich vornehmen, im Januar auf Alkohol zu verzichten. Mindestens ebenso viele lehnen dies aus verschiedenen Gründen auch ab.

KabarettistChristoph Sonntag hat „in einem Anfall von Mut und Selbstvertrauen“ mit seiner Tochter Salome Sonntag den Dry January verabredet. Einen Monat lang werden die beiden abstinent bleiben, was der Vater für wichtig hält: „Wir alle wissen, dass Alkohol schon in kleinen Mengen Schaden im Körper anrichtet.“ In seinem Fall sei dies seit über vier Jahrzehnten der Fall.

Sonntag traut sich zu, dass er es vier Wochen ohne Promille aushält: „Das schaff ich!“ Hoffnung machen ihm die Forschung des britischen Professors David Nutt, der einen Stoff isoliert habe, der „wohlige Effekte wie Alkohol erzeugt – ohne Nachteil für die Gesundheit“. Sein Getränk heißt Sentia. Angeblich fühlt man sich damit betrunken, ohne dass es dem Körper schadet. „Gleich morgen muss ich herausfinden, wo man das Zeug kaufen kann“, sagt der Kabarettist.

Magier Thorsten Strotmann macht mit beim Dry January, den er als „Anstoß“ sieht, „seinen Lebensstil zu reflektieren“. Doch warum sollte nur ein Monat „trocken“ bleiben, fragt er: „Wäre es nicht sinnvoller, das gesamte Leben zu sehen?“ Würde man ein millionenschweres Rennpferd besitzen, sagt der Zauberer, würde es man es auch nicht mit Tabak, Zucker und Junkfood füttern.

Magier Thorsten Strotmann Foto: Strotmanns Magic Lounge

Bewusster Umgang mit Genussmitteln sorgt für „besseres Wohlbefinden“

Wenn sich ein Weingutbesitzer wie Thomas Diehl aus Rotenberg in den Dry January einreiht, fragt man sich, ob das nicht seinem Geschäft schadet. Ihm geht es darum, sagt er, über den „bewussten Umgang mit Lebens- und Genussmitteln“ langfristig zu einem „besseren Wohlbefinden“ zu kommen.

Der Januar biete sich „perfekt“ dazu an, „weil weniger Veranstaltungen anstehen“. So bleibe mehr Zeit, sich auf den eigenen Körper zu konzentrieren – etwa durch bewusste Ernährung, mehr Bewegung oder durch das Weglassen von Alkohol, der auch Kalorien enthält. Bewusster Genuss und gelegentlicher Verzicht fördere die „Wertschätzung“ und helfe mit, „im Alltag besser die Balance zu halten“, sagt Diehl. Dabei stehe Wein mit Alkohol „selbstverständlich im Mittelpunkt unseres Geschäfts“, sagt der Betreiber eines Weinguts. Trotzdem sei es wichtig, Alternativen wie alkoholfreien Wein anzubieten. Dann könne jeder – egal, ob er sich für oder gegen Alkohol entscheidet – Teil eines geselligen Erlebnisses sein.

Welid Hossen, der im Management von Coca Cola arbeitet, freut sich darauf, nach einem Dezember mit vielen Feiern, bei denen so manches getrunken wurde, alkoholfrei zu leben. Viel Sport und eine gesunde Ernährung seien ihm wichtig. Dies gelinge ohne Alkohol besser. Weinhändler Pino Sassano sagt, er habe 2019 sechs Wochen ohne Alkohol und ohne Kohlenhydrate gelebt, das Ergebnis sei für seinen Körper „unglaublich gut“ gewesen. Beruflich müsse er Wein verkosten und will sich „ausgewogen“ ernähren. Sein Tipp: „Alkohol nur am Wochenende – dann passt es. Man muss es aber wollen.“

„Ich trinke nicht mehr jeden Quatsch“, sagt der Ginstr-Chef

Moderator Alexander „Sandy“ Franke sagt, er habe als Mitinhaber von Ginstr gelernt, „bewusster zu trinken“, schon allein aus Respekt vor der Arbeit für ein Produkt. Beim Dry January macht er zwar nicht mit, sagt aber: „Ich trinke nicht mehr jeden Quatsch, sondern nur gute Produkte.“ Es sei wie bei allem im Leben: Es komme nicht auf die Quantität, sondern auf die Qualität an.

Arbeitgeberpräsident Stefan Wolf hält sich als Christ an die Fastenzeit

Stefan Wolf, der Arbeitgeberpräsident für Gesamtmetall, ist kein Freund „von neumodischem Zeug“, wie er sagt: Als Christ bleibe er bei der Fastenzeit von Aschermittwoch bis Ostern. „Wir müssen uns auf traditionelle Grundwerte besinnen“, findet er. Auch DJ Robin lebt im Januar nicht enthaltsam. Auf Alkohol verzichte er stets nach Fasching. „Zweimal Fastenzeit muss nicht sein.“

Deniz Sever, Mitinhaberin der Altstadtbar L’Hommage, plädiert für Toleranz: „Jeder sollte es machen, wie er mag und fühlt – und damit sein Maß kennen und halten.“ Sie selbst nimmt sich keine Abstinenz vor: „Ich trinke, wenn ich Lust habe, auch mal mittags mein Glas Crémant. Und manchmal habe ich wochenlang gar keine Lust. Es gibt keine falsche Zeit, nur einen falschen Umgang.“

Federle: Am besten ist es, wenn man den Verzicht nicht als solchen empfindet

Der frühere Cavos-Chef Hiki Ohlenmacher hat jahrelang seinen Januar trockengelegt, wie er sagt. Seit er sich aus der Gastronomie zurückgezogen habe, müsse er dies nicht mehr tun. Der Januar 2025 sei kein guter Monat für Alkoholverzicht: „Da feiert Janina von Essen die Eröffnung ihrer Weinbar Ve im DoQu. Da muss man dabei sein.“

Bestsellerautorin Lisa Federle, Deutschlands bekannteste Notärztin, hat über Alkoholismus promoviert. Alkoholverzicht sei wichtig für den Körper, sagt sie: „Die Leber kann sich in vier Wochen gut erholen, wenn sie nicht zu sehr geschädigt ist.“ Auch wenn sie es „generell gut“ findet, mal Pause beim Alkohol zu machen, da der Übergang zum Alkoholismus „fließend“ sei und oft „lange Zeit unbemerkt“ bliebe, will sie ohne erhobenen Zeigefinger klarmachen: „Grundsätzlich ist es am besten, immer mal wieder darauf zu verzichten, ohne es als Verzicht zu empfinden.“ Genau dies mache den Unterschied zur Abhängigkeit, sagt Federle.

Willkommen im Nachdenkmonat Januar! Nachdenken schadet niemals – erst recht nicht, über sich selbst.