Der Wirt des Teehauses in Stuttgart darf draußen keine Tische und Stühle aufstellen, weil der Konflikt mit dem Nachbarn auch nach einem Jahr bis zu diesem Saisonstart nicht gelöst wurde.
Die Freiluftsaison der Gastronomie ist in vollem Gange, die Innenstadt einladend möbliert. Eine herbe Enttäuschung erlebt dagegen, wer hinauf zum Teehaus im Weißenburger Park strebt und nicht fassen kann, was er antrifft: Gähnende Leere dort, wo seit Jahrzehnten verlässlich Tische und Stühle ein sonniges Plätzchen boten bei Kaffee, Kuchen oder was auch immer beliebt. Was ist hier los? Der Wirt Tadija Zelenika lächelt auf solche Fragen nur gequält und zuckt mit den Schultern: „Anweisung von der Stadt.“
Kaum nahte der Start der Sommersaison, setzte man ihn von der Auflage in Kenntnis, es dürfe im Freien nicht aufgestuhlt werden. Das kann doch nicht sein, protestieren die Gäste. Soll das für den ganzen Sommer gelten? Ungewiss. Angeblich bis auf Weiteres. Mehr Informationen hat der Wirt auch nicht. Dafür weiß er vermutlich bis auf die letzte Kommastelle genau, welche Umsatzeinbußen ihm diese geschäftsschädigende Einschränkung bringt.
Denn die meisten Gäste wollen weder drinnen im Pavillon noch im Schatten unter den Arkaden sitzen und ziehen wieder ab. Weil die Stadt offenbar nicht imstande war, im letzten halben Jahr einen Nachbarschaftskonflikt über eine der beliebtesten Stuttgarter Freiluftadressen zu lösen und die Gastronomie im Teehaus auf ein rechtssicheres Fundament zu stellen. Der endlosen Geschichte muss damit ein weiteres Kapitel angefügt werden.
Die Gastronomie ist rechtlich nicht abgesichert
Wie mehrfach berichtet, traktiert ein Nachbar, der sein Haus oberhalb des Teehauses 2016 bezog, den Wirt seit Jahren mit Beschwerden über die angebliche Lärmbelästigung und macht auch keinen Hehl daraus, dass er nichts anderes anstrebt als das endgültige Aus für den gastlichen Betrieb. Als Grundlage dafür hatte er offenbar eine rechtliche Lücke entdeckt: Als im Teehaus 1961 anlässlich der Bundesgartenschau der Südmilchpavillon eingerichtet wurde, hatte es die Stadt, seit 1956 im Besitz des Weißenburger Parks und der Anwesen, versäumt, die Gastronomie baurechtlich abzusichern. Was als Defizit erst zum Problem wurde, als es diesen einen Nachbarn munitionierte.
Die Stadt war im Zugzwang, Leidtragende sind der Förderverein Alt-Stuttgart als Pächter und Tadija Zelenika als Unterpächter. Ihm brachte der letzte Sommer schon erste Einschränkungen: Statt wie früher warme Sommernächte hier bis 23 Uhr genießen zu können, mussten die Gäste nun um 22 Uhr aufbrechen. „Um den Konflikt kurzzeitig zu mildern“, so die Erklärung dazu aus dem Rathaus vor einem Jahr. Als gelte die Auflage nur vorübergehend. Sie blieb aber gültig bis zum Ende der Saison. Gewissermaßen ein erster Erfolg für den Nachbarn.
Zufrieden ist er damit nicht, wie nach einem Gespräch der Verwaltungsspitze mit Oberbürgermeister Frank Nopper, Ordnungsbürgermeister Clemens Maier und Baubürgermeister Peter Pätzold mit allen Beteiligten im Sommer im Rathaus klar wurde: „Ziel war es, eine tragfähige Lösung für den weiteren Betrieb des Teehauses im Weißenburgpark zu finden, mit dem alle Beteiligten leben können“, hieß es damals auf Nachfrage in der Mitteilung an die Presse.
Und weiter: „Da sich jedoch beide Parteien nicht auf eine gemeinsame Lösung verständigen konnten, wird nun in einem baulichen Verfahren geklärt, was rechtlich zulässig ist und was nicht. Den Bauantrag wird die Betreiberseite stellen.“ Das hat der Förderverein Pro Alt-Stuttgart getan. Als Entscheidungsgrundlage für das weitere Vorgehen sollten die Ergebnisse eines Lärmgutachtens dienen. Die liegen längst vor. In diese Entscheidung, ließ Pressesprecher Sven Matis schon im Frühjahr 24 keinen Zweifel am Umfang des Verfahrens, seien mittlerweile vier Ämter eingebunden. Neben dem Baurechts- und Ordnungsamt unter anderem auch das Amt für Umweltschutz.
Wie lange kann der Wirt durchhalten?
Die Hoffnung, dass das Teehaus zum Beginn der neuen Saison in trockenen Tüchern sei, hat getrogen. Stattdessen wurde der Betrieb wie noch nie auf ein Minimum reduziert. Die Gäste schütteln den Kopf: „Unbegreiflich“ und „typisch Bürokratie“ sind nur einige ihrer zitierfähigen Kommentare. Wie lange soll dieser Zustand dauern? Will man dieses Juwel aufgeben? Zählen ein einzelner Nachbar und sein Ruhebedürfnis mehr als all die Bürger, die diesen wunderbaren Ort lieben?
Entsprechende Anfragen ans Rathaus bleiben unbeantwortet. Schweigen auch bei Pro Alt-Stuttgart: ein schwebendes Verfahren. Nach einem Jahr? Die Geheimhaltung irritiert. Und der Wirt? „Ich weiß nichts, mit mir redet ja keiner“, sagt Zelenika, der in der Luft hängt. Allerdings dürfe er auch nichts sagen und hält sich dran. Hinter vorgehaltener Hand ist dennoch zu hören, dass ihm weitere Einschränkungen drohen. So massiver Natur, dass es kein Wunder wäre, wenn er endgültig die Lust am Teehaus verliert. Ganz einfach, weil es sich nicht mehr rechnet.