Frauen in der Kirche? Da denkt man zuerst an die fleißigen Helferinnen in den Pfarrgemeinden, an fromme Ordensfrauen und an solche Frauen, die Opfer der kirchlichen Inquisition wurden. Doch welche Rolle spielten weibliche Gläubige in der frühen Kirche? Eine Spurensuche.
Wie verlief die Geschichte des Christentums in den ersten sechs bis acht Jahrhunderten nach seiner Entstehung? Welche Ideen und Debatten prägten diese Zeit, in der die neue Religion immer mehr in die Lebens- und Glaubenswelten des Judentums und des Römischen Reichs hineinwuchs? Und welche unterschiedlichen Denkströmungen gab es innerhalb des Christentums selbst?
Solchen Fragen spürt Johanna Brankaer nach. „Ich interessiere mich für den Clash der Ideen und besonders dafür, was er für einzelne Menschen bedeutete, welche Erfahrungen sie damit machten“, sagt die Professorin für Kirchengeschichte des Altertums und Patrologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Würzburg. Dabei möchte sie auch Perspektiven aufdecken, die aus der Mehrheit der überlieferten schriftlichen Quellen nicht hervorgehen.
Neue Perspektiven auf Ketzer
Ein Beispiel: die Häretiker, auch „Ketzer“ genannt – Menschen, die in ihrem Glauben von der offiziellen Lehre abweichen. Sie wurden ab dem zweiten Jahrhundert n. Chr. in den offiziellen Schriften der Kirche durchweg negativ dargestellt und geradezu dämonisiert.
„Dank Papyrusfunden aus der ägyptischen Wüste kennen wir aber auch Schriften aus dieser Zeit, die direkt von sogenannten Häretikern stammen“, erklärt die Theologin. Es handele sich dabei um koptische Quellen – also um schriftliche Zeugnisse ägyptischer Christen.
Daraus gehe unter anderem hervor, dass die „Ketzer“ zwar eine andere Spiritualität pflegten, der amtlichen Kirche aber keineswegs feindselig gegenüberstanden. Sie sahen sich selbst auch nicht als Menschen, die sich bewusst und böswillig vom Glauben abgewendet hatten.
Heidnische und christliche Symboliken vermengen sich
Bei ihrer Forschung greift die Kirchenhistorikerin auch auf archäologische Quellen zurück – unter anderem auf Malereien in Katakomben. Die Bilder in den unterirdischen Friedhöfen der frühen christlichen Gemeinden sind aufschlussreich, weil sie nicht von den Kirchenoberen in Auftrag gegeben wurden, sondern von Familien. „Sie zeigen, was den Menschen wichtig war, und decken Perspektiven auf, die in den Schriften der Kirchenväter nicht vorkommen.“
Aufschlussreiche Grabkammer in Rom
So gibt es in den Katakomben Roms ein Grab aus dem vierten Jahrhundert, das aus zwei Kammern besteht. In einer war eine junge Frau bestattet, in der anderen ein Mann und eine Frau – vermutlich ein Ehepaar und seine Tochter. Die Grabkammer der jungen Frau ist mit Taufszenen und andere christlichen Darstellungen bemalt, die Grabkammer der Eltern dagegen ist „heidnisch“ gestaltet, mit Motiven aus der griechisch-römischen Mythologie.
Am Übergang zwischen den Kammern ist die römische Göttin Ceres mit ihrer Tochter Proserpina dargestellt, die von Pluto in die Unterwelt entführt wurde. Wollte die Mutter damit zeigen, dass auch sie ihre Tochter verloren hatte, wie Ceres die ihre an die Unterwelt? Wollte sie eine Verbindung zwischen ihrer Glaubenswelt und der ihrer Tochter schaffen? „Anders als es der offizielle kirchliche Diskurs dieser Zeit darstellt, haben sich die Glaubensideen im Alltagsleben der Menschen vermischt“, erläutert Johanna Brankaer.
Frauen im antiken Christentum
Arbeitsgebiet der Theologin ist die Patrologie. Gemeint ist mit diesem Teilgebiet der theologischen Forschung die Lehre von den Kirchenvätern – von Männern wie Augustinus von Hipp (354-430) , die das frühe Christentum entscheidend prägten.
Doch gab es auch Kirchenmütter? Offiziell nicht. „Es dürfte aber zutreffen, dass Frauen in den Anfängen des Christentums durchaus Führungsrollen einnahmen, wenn auch keine offiziellen.“
In einem Brief des Paulus an die Gemeinde in Rom zum Beispiel werden in einem abschließenden Grußwort viele Frauen erwähnt. „Wir wissen nicht viel über diese Frauen, aber es ist offensichtlich, dass Paulus sie als Autoritätsfiguren wahrgenommen hat.“
Frauen, die beten und lehren
Die Rolle der Frauen im Christentum der Spätantike ist ein weiterer Schwerpunkt in der Arbeit von Johanna Brankaer. Auch hier liefern Abbildungen aus den Katakomben Hinweise.
In den Gräbern finden sich oft Darstellungen von Frauen, die beten, aber auch lehren. „Ich denke, solche Bilder würde es nicht geben, wenn es damals überhaupt nicht vorstellbar gewesen wäre, dass auch Frauen den Glauben lehren.“