Was Schlangen angeht, kann man in Deutschland ruhig schlafen. Nur zwei Schlangenarten sind giftig. Ganz anders sieht in den Afrika, Amerika, Asien und Australien aus. Dort müssen sich Urlauber vor gefährlichen Kriechtieren in Acht nehmen.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Stuttgart/Freiburg - Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO werden jedes Jahr rund fünf Millionen Menschen von Giftschlangen gebissen. Rund 100 000 der Gebissenen sterben, 400 000 von ihnen bleiben dauerhaft geschädigt, nachdem ihnen einen Bein oder ein Arm amputiert werden musste. Dennoch gehören Schlangenbisse laut WHO zu den vernachlässigten Krankheiten.

 

Wir sprachen mit dem Mediziner Uwe Stedtler, Facharzt für Pharmakologie und Toxikologie und stellvertretender Leiter der Vergiftungs-Informations-Zentrale Freiburg, einer Einrichtung des Universitätsklinikums, über die Gefährlichkeit hiesiger Giftschlangen.

Herr Stedtler, in Deutschland gibt es noch sechs heimische Schlangenarten, darunter Aspisviper und Kreuzotter, die als Giftschlangen eingestuft werden. Wie gefährlich können ihre Bisse dem Menschen werden?
Grundsätzlich können Schlangen ihr Gift dossiert freisetzen. Die Gefährlichkeit des Bisses ist deshalb auch abhängig von der Giftmenge. Kreuzotter- und Aspisviper-Bisse fühlen sich ähnlich an wie ein heftiger Wespenstich. Diese Schlangen sind durchaus in der Lage Menschen lebensbedrohlich zu vergiften. Zehn Prozent aller Bienen- und Wespenallergiker in Deutschland reagieren auch auf Kreuzottern und Aspisvipern. Deren Gift ist in der Regel nur für Kinder und alte Menschen lebensgefährlich.
Wie viele Todesfälle sind in Deutschland verzeichnet?
Seit 1960 ist in Deutschland nur ein Todesfall nach einem Kreuzotternbiss bekannt: 2004 starb eine 81-jährige Rentnerin auf der Insel Rügen nach einem Kreuzotter-Biss aufgrund der allergischen Reaktion – und nicht aufgrund der Vergiftung im engeren Sinne. Es gibt aber Vergiftungsfälle von sehr therapiebedürftigen Patienten nach dem Biss einer Kreuzotter oder Aspisviper. Sie können sehr heftig beißen. Die Folgen sind lokale Schwellungen, Blutgerinnung, Lähmungen.
Wie viele Menschen werden pro Jahr in Baden-Württemberg gebissen?
Rund 30.
Wie lange halten die Beschwerden an?
Grundsätzlich gehen sie wieder weg, aber das kann lange dauern – von wenigen Tagen bis zu einigen Wochen. Mitunter können die Gliedmaße bei Belastung noch nach Monaten anschwellen und weh tun. Ein Kreuzotter-Biss löst einen sofortigen, brennenden Schmerz mit Schwellung und Wärmegefühl aus. Es gibt auch Schlangen, die fast schmerzlos beißen wie der indische Krait. Andere wie die Klapperschlange oder Speikobra beißen extrem schmerzhaft.
In Deutschland ist man vor Schlangen relativ sicher. Anders in Afrika oder Australien. Was kann man als Tourist präventiv gegen Schlangenbisse tun?
Medikamentös gar nichts. Man sollte sich informieren, was es für Giftschlangen im jeweiligen Land gibt und wie man sich am besten verhält und schützt. Wenn man durch die Wildnis wandert, sollte man hohes Schuhwerk tragen und kräftig auftreten. Schlangen flüchten normalerweise, wenn sie Erschütterungen wahrnehmen. Außerdem: Nicht in dunkle Löcher fassen. Es gibt auch Schlangen, die nachts in die Häuser kommen wie der Krait, der über ein starkes neurotoxisches Gift verfügt.
Wer in Westernfilmen von einer Klapperschlange gebissen, stirbt er innerhalb von Sekunden. Geht es wirklich so schnell zu Ende?
Nein. Das Sterben zieht sich eine ganze Weile hin. Es dauert in der Regel mehrere Stunden bis Tage, bis man an einem Schlangenbiss stirbt. Wenn es sich um viel und ein starkes neurotoxisches Gift (Nervengift) handelt wie bei der Schwarzen Mamba, Königskobra oder dem Taipan geht es schneller und bei allergischen Reaktionen noch sehr viel schneller. Die Leute fallen aufgrund des Kreislaufschocks manchmal schon nach Sekunden tot um.