„Wiedereinstau“ am Bärensee Der süße Klang des Amtsdeutschs

Der Bärensee, wie man ihn kennt, und wie er hoffentlich bald wieder aussehen wird. Foto: /Jan Sellner

Wie schlicht wäre unsere Sprache, wenn es das Amts- und Fachdeutsch nicht gäbe! Der Bärensee würde dann nur einfach wieder mit Wasser gefüllt, statt kunstvoll „wiedereingestaut“. Eine Glosse von Jan Sellner.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Das Amtsdeutsch ist ein steter Quell der Heiterkeit. Das bestätigt sich dieser Tage rund um den Bärensee im Rotwildpark, der zweieinhalb Jahre lang verschwunden war und sich nun langsam wieder füllt. Der Normalbürger würde sagen: „Das Wasser kehrt zurück!“ Oder: „Schon gehört, wir bekommen unseren Bärensee wieder!“ Ganz so simpel ist die Sache für die Amtsdeutschen unter uns nicht. Sie formulieren das so: „Am Bärensee hat der ,Wiedereinstau‘ begonnen.“ Kann man es schöner, lautmalerischer ausdrücken? Dieser „Wiedereinstau“, er plätschert förmlich in den Ohren.

 

Konkret besteht der beschriebene „Wiedereinstau“-Vorgang am Bärensee darin, dass nach erfolgter Abdichtung des Dammes und dem Austausch der Absperrschieber der Bernhardsbach, welcher in den künstlich angelegten See mündet, diesem von nun an wieder Wasser zuführt. Das versteht hoffentlich auch der Ausflügler, der der Behördensprache nicht mächtig ist. Wie auch den Hinweis, dass der Bärensee leider noch einige Zeit vor sich hin tümpeln wird, weil sich das Tempo des Wiedereinstaus nach der Niederschlagsmenge bemisst.

Bis es mit der Wiederbefüllung so weit ist, laben wir uns an der amtsdeutschen Poesie. Unnachahmlich, wie die Ämter es verstehen, sich auf technisch-nüchterne Art bildhaft auszudrücken, indem sie in bemerkenswerter Konsequenz Wörter aufstauen und sie dann substantivieren. Zusammen ergeben sie dann ein wunderbares Ganzes, wie beim „Wiedereinstau“ zu erleben. Diese Kombinationsfreude, dieser Reichtum an fließenden Komposita – wer beneidet die Behörden nicht darum?

Und während wir am Ufer des Bärenteichs die Frühlingssonne genießen und unter Wiedereinstau-Gesichtspunkten insgeheim Starkregen ersehnen, werden wir auch schon mit dem nächsten Kunstwort beschenkt: dem „Fischbesatz“. Unsereins, der es nicht besser vermag, würde trivial sagen: In den Bärensee fließt nicht nur wieder Wasser, es kehren bald auch Rotaugen, Karpfen und Zander zurück. Der Fachsprachen-Gourmet hingegen lässt beiläufig fallen, dass wir es mit einem „Wiederansiedlungsbesatz“ zu tun haben. Brillant!

So sieht der sanierte Bärensee-Damm aus. Foto: Jan Sellner

Wir sprachlimitierten Ausflügler können da nur demütig beipflichten und uns in den spärlichen Schatten von „raumübergreifendem Großgrün“ (umgangssprachlich: Bäume) zurückziehen, vorbei am Rotwildgehege mit seinen „nicht lebenden Einfriedungen“ (Zäunen). Vom Bärensee zurückgekehrt, blicken wir respektvoll auf jene, die im Garten entfernen, was Kenner „spontane Begleitvegetation“ (Unkraut) nennen und mittels „einachsigem Dreiseitenkipper“ (Schubkarren) entsorgen – bevor sich zu viel anstaut.

Es lässt sich nun mal nicht vermeiden, das neben vielem anderen auch Unsinn blüht!

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